Wie wehrt man sich gegen fiese Sprüche und gemeine Angriffe? Aus bitterer Erfahrung weiß Lara: gar nicht. Denn alles, was sie versucht hat, hat ihre Lage nur noch schlimmer gemacht. Deswegen hält sie still, zieht den Kopf ein und fragt sich, ob sie nicht doch schuld ist an der ganzen Misere.
Das ändert sich, als sie Ben trifft. Die Stunden mit ihm sind bald die einzigen Lichtblicke in Laras Leben. Durch seine Augen sieht sie sich in einem neuen Licht: Sie ist klug, witzig und hübsch, und was ihr passiert, ist Mobbing der übelsten Sorte. Gemeinsam suchen sie einen Ausweg aus Laras Situation. Und es könnte ihnen gelingen, wäre da nicht ein Problem: Ben ist Laras Lehrer.
Originaltitel: Me and Mr J |
Die Grundidee der Handlung
Lara hat ein Tagebuch zu Weihnachten bekommen und vertraut diesem Buch alles an, was sie ihrem Umfeld nicht sagen kann: dass sie jedes Wort der ewigen Streits ihrer Eltern hören kann. Dass sie in der Schule gemobbt, gequält und gedemütigt wird. Dass sie sich in ihren Lehrer verliebt hat. Ihre Träume. Ihre Ängste. Ihre Hoffnung, dass all das einfach aufhört. Doch dann bringt Ben Jagger nach und nach wieder Licht in ihr Leben und Lara schöpft erstmalig wieder Hoffnung. Sie ahnt nicht, wie bald alles eskalieren wird …
Ein Schulmädchen, das in der Schule gemobbt wird und sich zu allem Übel auch noch in ihren attraktiven Aushilfslehrer verliebt – eine Geschichte, die ebenso bekannt wie in ihrem Ausgang vorhersehbar ist, könnte man meinen. Aber Rachel McIntyre zeigt mit „Sternschnuppenstunden“, dass man diese bekannte Grundidee in einen großartigen Jugendroman verwandeln kann. Einen Roman, der von der ersten bis zur letzten Seite tief bewegt und gleichzeitig viele Probleme der heutigen Zeit auf unglaublich persönliche Art behandelt.
Stil und Sprache
„Sternschnuppenstunden“ wurde von Rachel McIntyre wie ein Tagebuch verfasst, indem Lara in der ersten Person in Tagebucheinträgen ihre Geschichte aufschreibt. Diese Erzählform sorgt dafür, dass die Handlung unglaublich realistisch wirkt und man von Beginn an das Gefühl hat, tatsächlich ein echtes Tagebuch zu lesen. Die Autorin hat Lara dabei eine unglaublich passende Stimme gegeben, die den Leser immer wieder mit ironischen Kommentaren zum Lachen bringt und gleichzeitig mit ihrer verzweifelten Geschichte zu Tränen rührt. Der Schreibstil wirkt von der ersten bis zur letzten Seite authentisch und hat einen großen Anteil an der Glaubwürdigkeit des Romans.
Trotz beziehungsweise gerade wegen der Tagebuchform baut sich unglaublich schnell Spannung auf. Lara wird schon zu Beginn immer wieder bedroht und gemobbt. Im gleichen Maße wie diese Übergriffe zunehmen, steigt natürlich auch die Bedrohung für Lara an und entsprechend die Spannung im Roman. Zusätzlich sorgt die sich langsam entwickelnde Beziehung zwischen Lara und ihrem Lehrer für eine zweite Bedrohung, denn es ist eigentlich von Beginn an klar, dass das nicht unerkannt bleiben kann. Schließlich steuern beide eng verwobenen Handlungsstränge auf die finale Konfrontation zu. Das Buch ist bis zu diesem Schluss so intensiv geworden, dass man es nicht aus der Hand legen kann und längst gefangen ist von Lara und ihren Erlebnissen. Man wünscht ihr so sehr, dass alles gut ausgeht und ahnt gleichzeitig, dass es nur in einer Katastrophe enden kann. Diese kommt also keineswegs unerwartet, rührt durch die Art, wie Lara davon erzählt, aber trotzdem zu Tränen.
Wäre das das Ende des Romans gewesen, hätte ich auf jeden Fall fünf Punkte vergeben – es wäre das perfekte, traurige, bewegende Jugendbuch gewesen. Allerdings endet es nicht mit der Katastrophe, sondern in einem mit „Danach“ überschriebenen Teil. Dieser wirkt wie eine nachträgliche Ergänzung, die verhindern soll, dass Jugendschützer das Buch zensieren. Es wirkt nicht stimmig, passt nicht zu den vorherigen Seiten und nimmt dem Buch zum Schluss die Intensität, die davor so meisterhaft aufgebaut wurde. Es ist trotzdem noch ein herausragendes Jugendbuch, aber mir haben diese wenigen Seiten den letzten Eindruck getrübt. Wirklich schade.
Figuren
Lara hatte mich bereits mit dem ersten Satz eingefangen und ich habe das ganze Buch nicht für eine Zeile aufgehört, sie unglaublich gern zu haben. Seit ihr Vater arbeitslos ist und ihre Mutter als Putzfrau arbeitet, ist ihr Leben praktisch die Hölle auf Erden, denn zum Streit zu Hause kommt auch noch das Mobbing in der Schule dazu. Die Art, wie sie versucht, mit den Umständen klarzukommen, die ehrliche Erzählweise, mit der sie alles aufschreibt und nicht zuletzt ihre Gefühle für ihren Lehrer – all das macht sie unglaublich realistisch, sodass ihre Geschichte den Leser tief bewegt und er mit ihr leidet, lacht und auch weint. Eine der authentischsten Charaktere, über die ich je gelesen habe.
Laras Lehrer Ben Jagger ist ein höchst zwiespältiger Charakter. Auf der einen Seite sieht man ihn durch Laras Text natürlich auf eine ausgesprochen positive Art und dass er ihr hilft, nimmt den Leser auch für ihn ein. Er gibt ihr das Vertrauen in die Welt wieder und bietet ihr einen Ausweg aus all den grausamen Erniedrigungen, die sie jeden Tag erleiden muss. Auf der anderen Seite begeht er ein Verbrechen, in dem er etwas mit einer Schülerin anfängt und verhält sich auch ansonsten keineswegs immer moralisch richtig.
Da wir auch die Nebenfiguren nur durch Laras Text kennenlernen, bleiben sie ein wenig eindimensional. So erfährt man zum Beispiel nie, was die Mitschüler tatsächlich dazu bewegt, Lara so zu quälen und auch viele Schritte der Erwachsenen erklären sich maximal zwischen den Zeilen. Das ist allerdings absolut nicht störend, sondern gibt dem Buch den Anschein ein echtes Tagebuch zu sein.
Aufmachung des Buches
„Sternschnuppenstunden“ sieht so aus, wie man sich das Tagebuch von Lara vorstellen würde: gebunden, ein roter Buchrücken und ein sternchenverziertes, abgenutztes Cover. Titel und Autorenname sind auf einem Namenssticker, der sich tatsächlich vom Buch abhebt. Im Buchinneren sind die Ecken jeder Seite mit Ornamenten verziert, die auch die einzelnen Einträge voneinander trennen. Jeder Eintrag ist mit einem handschriftlich aussehenden Datum überschrieben. Die Sterne vom Cover finden sich immer wieder bei Aufzählungen wieder. Absolut perfekt!
Fazit
Rachel McIntyre hat mit „Sternschnuppenstunden“ einen Roman geschrieben, der sich tatsächlich wie das Tagebuch einer Jugendlichen liest – einer Jugendlichen, die unglaublich leidet und deren einziger Lichtblick verboten ist. Man leidet mit Lara, man kann ihre Geschichte 300 Seiten lang nicht aus der Hand legen und man wünscht ihr bis zur letzten Seite, dass doch noch alles irgendwie gut wird. Ein herausragendes Jugendbuch!
Hinweise
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