Exmoor, eines Abends im November. Über einem kleinen Dorf in der südenglischen Moorlandschaft liegt dichter Nebel. Die geheimnisvolle Frau, die sich unter dem Namen Maria Anderson mit ihrem Hund im abseits gelegenen Haus auf der Heide niederlässt, bietet Stoff für Spekulationen. Was hat sie allein hier draußen in der Einöde zu suchen? Irgendetwas Sonderbares umgibt diese Fremde. Und nicht alle scheinen ihr wohlgesonnen. Plötzlich liegen tote Vögel vor ihrer Tür und ihr Hund verschwindet tagelang. Und die seltsamen Vorfälle häufen sich.
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Originaltitel: Levande och döda i Winsford |
Die Grundidee der Handlung
Es beginnt mit der Beschreibung einer Fahrt durch die Heide, des englischen Wetters und einem Glas Rotwein in einem Pub. Was macht eine Frau mit Hund, die ursprünglich aus Schweden kommt, in einem kleinen englischen Dorf, in dem jeder Fremde sofort auffällt? Einen Teil der Antwort liefert Maria Anderson selbst: "Die Ereignisse der letzten Tage, der letzten Monate und Jahre, genauer gesagt, meines Lebens, wie es bisher war, haben ihren definitiven Schlusspunkt erreicht." Doch wie genau sah ihr bisheriges Leben aus und vor allem, wie sollte ihr zukünftiges Leben aussehen? Maria Anderson ist Moderatorin im schwedischen Fernsehen gewesen, bis ihre Schönheit einen "Reifegrad erreicht hatte, der nicht mehr gut genug für den Bildschirm war", sie ist verheiratet mit einem Literaturprofessor. Eigentlich hat sie alles, wovon man träumen kann im Leben. Doch dann, kurz bevor sie nach England kommt, genauer gesagt 11 Tage zuvor, trifft sie während eines Strandspaziergangs mit ihrem Mann an der polnischen Ostseeküste eine Entscheidung, die ihr Leben und das vieler anderer grundlegend verändern wird ...
Dieser Thriller von Hakan Nesser ist anders. Er beschäftigt sich nämlich weniger mit dem Verbrechen (das selbstverständlich auch diesem Hörbuch zugrunde liegt) und den Ermittlungen zu seiner Aufklärung, als vielmehr ausgesprochen detailreich und glaubwürdig damit, Psychogramme beinahe aller beteiligten Personen zu entwickeln. Am intensivsten sind jedoch die Psychogramme Marias und ihres Ehemannes Martin, das ebenfalls aus der Sicht Marias (der Ich-Erzählerin des Buches) erzählt wird. Das Nesser ausnahmsweise mal in der Erzählperspektive der ersten Person schreibt, ist ausgesprochen klug, weil es zum einen für mein Empfinden die Spannung nochmals erhöht und nur so Stück für Stück immer mehr Details ans Licht kommen, die ein Geheimnis aufdecken, das 30 Jahre alt ist und eine Ehe beleuchten, die in Teilen noch dunkler ist als dieses Geheimnis. Maria fasst sie mit den Sätzen zusammen: "Wenn ich während dieses grauenvollen Weihnachtsfestes bei seinen Eltern vor 33 Jahren nicht zufällig schwanger geworden wäre, dann wäre mein Leben sicher anders verlaufen. Und seines sicher auch. [...] Wir waren 30 Jahre verheiratet und haben in beiderseitigem Einvernehmen parallele Leben geführt."
Darstellung des Hörbuchs
Das Hörbuch wird gelesen von Eva Mattes. Ihre Stimme ist weich und hell. Stets trifft sie einen sanften, melancholischen und oft auch schwermütigen Ton, der im Zusammenspiel mit der Atmosphäre dieses Buches eine Spannung erzeugt, wie sie detaillierte Beschreibungen von Verbrechen kaum besser erzeugen könnten. Mehrere Elemente tragen dazu bei: Zum einen die beängstigend akribische Beschreibung der Handlungsorte, etwas, das der Autor perfekt beherrscht und das durch die sprachliche Gewandtheit der Übersetzung noch verstärkt wird. Das andere, das in diesem Buch die Atmosphäre prägt, sind Tiere. Marias Hund Castor oder die Exmoor Ponys zum Beispiel. Wann immer von Tieren die Rede ist, durchströmt dieses Buch eine Wärme, die in den menschlichen Beziehungen offenbar fehlt. Das spiegelt Frau Mattes auch stimmlich wider. Ihre Stimme wird dann noch etwas wärmer, oft liebevoll und beinahe zärtlich. Herausragend vertont in der Szene, in der Maria ihren Hund sucht und "die Heide atmen hört". Großartig. Diese Lesung fesselt auch ohne Szenen, die deutlich beschreiben. Sie kommt auch ohne große stimmliche Veränderungen aus, wobei es stets einfach ist, die handelnden Personen zu unterscheiden. Es ist der tiefe Einblick in die Psyche der Menschen, der den Hörer unweigerlich packt und bis zum letzten Satz in seinen Bann zieht. Etwas achtsam muss der Hörer aber bleiben, wenn es darum geht, Szenen der Handlungen der richtigen Zeit zuzuordnen, wobei die Ortsangaben hier immer hilfreich sind.
Aufmachung des Hörbuchs
Das Hörbuch wird in einem dünnen Schuber aus stabiler, lackierter Pappe geliefert, der zu beiden Seiten aufklappbar ist. Auf der linken ersten Innenseite findet sich auf dezentem Hintergrund die Biografie des Autors, auf der rechten Innenseite die der Sprecherin. Klappt man den Schuber dann ein zweites Mal zu seiner vollen Breite auseinander, so fällt zunächst die schwarze Klavierlack-Optik ins Auge und der wenige sehr gut platzierte und gut lesbare Text. Auf der linken Seite erneut bibliographische Angaben zum Hörbuch, gefolgt von einer Aufteilung der Abschnitte des Buches auf die CD-Tracks und den beiden CDs auf der rechten Seite. Die CDs selbst tragen den Autorennamen in Silber und den Buchtitel in Petrol. Ihre Prägung erinnert an einen wolkenverhangenen Himmel. Die Vorderseite des Schubers zeigt den Blick auf ein verlassen dastehendes Haus an der Küste. Der starke Nebel unterstreicht die unheimliche, bedrohlich wirkende und dennoch auf eine seltsame Art reizvolle Atmosphäre.
Fazit
Wer einen Nesser im Stil der Van-Veteren- oder Barbarotti-Krimis erwartet, wird sich verwundert die Ohren reiben und mindestens einige Zeit brauchen, um sich daran zu gewöhnen, möglicherweise sogar enttäuscht sein. Wer aber bereit ist, sich auf eine andere Art Nesser einzulassen, wie sie bereits in "Himmel über London" anklang, der wird begeistert lauschen von der ersten bis zur letzten Minute. Ich empfehle jedem, den Versuch zu wagen. Er ist es wert.
Hinweise
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