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„Der Junge winkte ihr zu, als stünde er oben auf einem Schiff und sie unten am Kai. Aber er war nicht auf einem Schiff, er war im Schlafzimmer ihrer Eltern. Einem Zimmer, das sie gut kannte, Vor zehn Jahren war sie in diesem Zimmer gestorben und wieder ins Leben zurückgekommen …“

 

Die einzige Zeugin 

Originaltitel: The Dead House
Autor: Anne Cassidy
Übersetzer: Maren Illinger
Verlag: Fischer
Erschienen: Februar 2012
ISBN: 9783596854943
Seitenzahl: 277 Seiten

 


Die Grundidee der Handlung
Die 17jährige Lauren kehrt nach 10 Jahren nach London zurück, zusammen mit ihrer Tante Jessica und ihrem Onkel Donny, der hier eine neue Stelle als Lehrer angenommen hat. Immer wieder treibt es sie in die Hazelwood Road, zu jenem Haus in dem sie früher mit ihren Eltern und kleinen Schwester gelebt hat. Sie trifft auf Nathan, dem Jungen, der inzwischen mit seiner Familie in dieses Haus eingezogen ist und freundet sich mit ihm an. Sie begleitet ihn ins Haus, zunächst nur in Küche und Wohnzimmer, doch dann geht sie eines Tages die Treppen nach oben, öffnet die frühere Schlafzimmertür ihrer Eltern, legt sich auf das Bett – und erinnert sich. Hier lag sie als Kind vor 10 Jahren, ein Kissen auf dem Kopf und als sie wieder zu sich kam, sah sie ihren Vater neben der Mutter stehen, ein blutiges Messer in der Hand, ihre kleine Schwester Daisy im Bett neben ihr nicht mehr atmend. Und da ist noch ein Clown in ihren Erinnerungen…

Eine sehr berührende und gut erzählte Geschichte rund um das Trauma einer Jugendlichen, die den Mord an ihrer Mutter und Schwester vor 10 Jahren endlich verarbeiten und verstehen will. Sie sucht immer wieder den Kontakt zur Vergangenheit, versucht sich zu erinnern und wird zusätzlich von ihrem Vater, der seither im Gefängnis sitzt, informiert, dass er zum zweiten Mal Berufung einlegen will und auf nicht schuldig plädiert. Ein Thriller, der nicht wirklich ein Thriller ist, vielmehr ein gut erzählter, feinfühliger Jugendroman, der emotional bewegt und den man abgesehen von wenigen Passagen, die etwas zu langgezogen wirken, doch gerne zu Ende liest und dessen Auflösung die Morde betreffend auch überrascht.


Stil und Sprache
Anne Cassidy schreibt sehr flüssig und wenig verschachtelt. Sie hat einen klaren Handlungsstrang, immer Lauren im Mittelpunkt des Geschehens. Allerdings wechselt sie in der zeitlichen Perspektive, immer mehr tritt die Vergangenheit in Laurens Alltag, ihre Erinnerungen werden stärker, bis sie am Ende die Wahrheit herausfindet. Dieser Prozess wird feinfühlig und glaubhaft von der Autorin herübergebracht. Im „realen“ Leben passiert nicht wirklich viel Spannendes. Laurens Tante und Onkel trennen sich, sie zieht dann mit der Tante wieder zurück nach St. Agnes, die Freundschaft zu Nathan spielt eine zentrale Rolle, aber die Geschichte selbst lebt insgesamt mehr von der Auseinandersetzung mit dem Vergangenen. Das liest sich streckenweise sehr romanhaft, wenig spektakulär und auch etwas langweilig. Dennoch schafft die Autorin es, den Leser vor allem im letzten Teil des Buches wieder zu fesseln und auch zu überraschen. Jugendliche werden diesen Schreibstil mögen, vor allem können sich junge Leserinnen gut mit der Protagonistin identifizieren.


Figuren

Die Protagonistin Lauren kommt sehr sympathisch beim Leser an. Sie ist gut in ihrer Rolle als Jugendliche gezeichnet. Ihre Gefühle und Gedanken werden sehr feinfühlig herübergebracht. Aus ihrer Sicht löst sich langsam das Geheimnis um die schreckliche Tat. Dabei wirkt sie streckenweise viel reifer und unvoreingenommener als die Erwachsenen um sie herum.

Tante Jessica und Onkel Donny wirken etwas überzeichnet. Jessica in ihrer überschäumenden Gefühlswelt, die mit dem Tod ihrer Schwester und Nichte noch weniger klar zu kommen scheint als Lauren selbst und die auch mit der Trennung von Donny völlig überfordert ist, wirkt hier sehr unbeholfen. Lauren wird zum rettenden Anker, wobei es doch eigentlich anders herum sein müsste. Und auch Donny kommt nicht wirklich gut weg in seiner Rolle des Fremdgängers, der Jessica wegen einer Neuen verlässt und, nachdem diese eine Fehlgeburt hatte, reumütig zu ihr zurückkommen will.

Nathan wird Laurens Freund und seine Behutsamkeit, wie er mit Laurens Vorgeschichte umgeht und wie er sich um Lauren bemüht, sind sehr schön beschrieben.

Ansonsten erfährt man nicht viel über weitere Personen in Laurens Umgebung: eine Schulfreundin mit der sie sich ab und zu trifft, die Rechtsanwältin des inhaftierten Vaters, die sich um eine erneute Aussage Laurens bemüht, Nathans Eltern. Sie werden nicht deutlich gezeichnet, stehen am Rande.


Aufmachung des Buches
Es handelt sich um ein Taschenbuch mit Klappbroschur, dessen Cover einzelne, dunkle Federn zeigt auf hellem Hintergrund, eventuell ein Hinweis auf die Daunenfedern im Kopfkissen. Es ist in vier Teile eingeteilt, das Haus jeweils im Titel benannt und eine Feder darunter abgebildet.


Fazit

Ein ausgewiesener Thriller, der kein Thriller ist, aber dennoch ein sehr lesenswerter Jugendroman. Es geht um Vergangenheitsbewältigung, Aufarbeitung eines schweren Traumas in der Kindheit, aber auch um alltägliche Gegebenheiten, Freundschaft und Vertrauen. Ein leiser Roman mit viel Gefühl geschrieben, wenig Action und stellenweise auch etwas langatmig, aber dennoch berührend und dem Zielalter, Jugendliche ab 12 Jahre, durchaus angemessen.


3 5 Sterne


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