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Seit seinem spektakulären Buch „Die Spinne in der Yucca-Palme“ ist Rolf Wilhelm Brednich zum bekanntesten Sammler von „modernen Sagen“ geworden. Seine neueste Sammlung mit „sagenhaften Geschichten von heute“ bringt die besten Geschichten aus den letzten Jahren: Vom Ehepaar, dem in der französischen Hafenstadt Calais nicht nur das Auto, sondern dazu gleich die ganze Tiefgarage gestohlen wird. Von den Pinguinen in Rückenlage, die von Tierpflegern wieder aufgerichtet werden müssen. Vom eisernen Schneemann. Vom extrem gefährlichen Dihydrogen-Monoxyd. Alle Geschichten sind wieder „absolut wahr“, denn der Freund eines Freundes oder die Schwester eines Arbeitskollegen haben sie selbst erlebt.

  Autor: Rolf Wilhelm Brednich
Verlag: C. H. Beck Verlag
Erschienen: 2004
ISBN: 978-3-406-51069-4
Seitenzahl: 158 Seiten 


Stil und Sprache
Rolf Wilhelm Brednich, seines Zeichens emeritierter Professor für Volkskunde / Europäische Ethnologie in Göttingen und wohl bekanntester noch lebender Erzählforscher Deutschlands, hat hier wieder einmal eine Sammlung herausgebracht, die sehr gut lesbar und darüber hinaus auch noch witzig ist. Wer kennt sie nicht, die „modernen Sagen“, „urban legends“ oder auch „friend-of-a-friend-stories“? Da gibt es ganz populäre Motive, wie zum Beispiel den Organklau im ehemaligen Ostblock, den niedlichen Hund (?) aus Südamerika, der sich letztlich als Riesenratte entpuppt oder die tote Oma im Kofferraum, die beim Autodiebstahl dummerweise auch noch verloren geht. Jeder von uns hat mit solchen „alltäglichen“ Geschichten zu tun, die den Alltag eben spannender machen. Diese Geschichten variieren oft leicht, ändern sich den Gegebenheiten des Zeitgeistes gemäß und sagen eine Menge über kulturelle Wertigkeiten aus. In den 1980er Jahren waren es z.B. „moderne Sagen“ zum Thema Aids, die die Menschen aufwühlten. Vor allem deshalb, weil damals Aids etwas Neues war und die Aidsangst entsprechend präsent. Heutzutage werden solche Geschichten meist über das Internet kolportiert und erlangen damit sehr viel rascher eine weite Verbreitung.
Brednich versucht diesen Geschichten nachzuspüren und zu klären, was dahinter steckt. Sprachlich-stilistisch sind die Texte – das liegt in der Natur der Sache - immer sehr nah am „Alltagston“ dran. Eine andere Ausdrucksweise würde die Authentizität auch zunichte machen – und darum geht es hier letztendlich. Im Mittelpunkt steht die Sammlung solch alltäglicher Geschichten. Die (wissenschaftliche) Analyse erfolgt in Form eines Kommentars lediglich am Rande – und vermag es doch, Licht ins Dunkel der oft grausigen Stories zu bringen.


Umsetzung, Verständnis und Zielgruppe
Die von Brednich veröffentlichte Sammlung moderner Alltagssagen (es existieren bereits mehrere Bände, der bekannteste ist wohl „Die Spinne in der Yucca-Palme“) ist ungeheuer populär, weil sie ein Thema aufgreift, mit dem wir alle schon einmal konfrontiert wurden. Darüber hinaus ist der Autor aber auch in der Lage, dies hervorragend zu vermitteln. Er schafft es eine perfekt austarierte Balance zwischen Alltagston und Wissenschaftlichkeit zu finden, so dass eine breite Öffentlichkeit an die Thematik herangeführt werden kann. Auch wenn der Alltag hier etwas entzaubert wird – man kann von der Lektüre eigentlich nur profitieren!


Aufmachung des Buches
Bei dem in der Beck'schen Reihe veröffentlichten Band handelt es sich um ein Taschenbuch, das mit 6,90 Euro auch wirklich günstig daherkommt. Das Cover zeigt dem Titel entsprechend Pinguine, die durch ein herannahendes Flugzeug zum Umfallen bewegt werden. Ansonsten ist die Aufmachung eher „zurückhaltend“, was angesichts der Tatsache, dass es sich um ein Sachbuch handelt völlig in Ordnung ist. Ich denke, dass in diesem Fall nicht so sehr die Aufmachung, sondern viel eher der Inhalt den Kaufimpuls gibt.


Fazit
Das Buch ist allein schon aufgrund des enormen Unterhaltungsfaktors zu empfehlen. Dass man noch so ganz nebenbei eine Menge über kulturelle Muster und den vorherrschenden Zeitgeist erfährt, macht die Sache natürlich noch spannender. Es kann nämlich mitunter recht witzig sein, einem Bekannten, der mit großem Gestus so eine populäre Sage vom Turm bläst, den Wind etwas aus den Segeln zu nehmen... Sehr zu empfehlen!



Hinweise
Rezension von Sigrid Grün


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