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Von Liebe und Seide

Im Jahr 1753 reist die 25-jährige Mennonitin Anna von Radevormwald nach Krefeld. Sie soll ihrem Onkel den Haushalt führen. Unterwegs lernt sie Claes kennen, der sich bei einem Überfall schützend vor sie stellt. Anna verliebt sich in ihn, doch fühlt er sich schon einer anderen versprochen. Die Geschichte einer Frau, die ihren eigenen Weg geht, bis sie endlich den Mann findet, der sie liebt.

 

  Autor: Ulrike Renk
Verlag: Aufbau-Verlag
Erschienen: 07/2010 
ISBN: 978-3746626185
Seitenzahl: 400 Seiten 


Die Grundidee der Handlung
Anna te Kloot lebt nach dem Tod ihrer Eltern bei ihrem Bruder und dessen Frau. Von dieser wird sie wie ein Dienstmädchen behandelt, beschimpft und gedemütigt. Als ihre Cousine Katrina heiratet, soll Anna den Haushalt ihres verwitweten Onkels in Krefeld übernehmen und dort die kleineren Kinder betreuen. Auf der beschwerlichen Reise lernt sie ihren künftigen Nachbarn und Schwager Claes ter Meer kennen und verliebt sich in ihn. Doch jahrelang bleibt ihre Liebe unerfüllt, denn Claes erwidert sie nicht, so dass Anna irgendwann dem Werben des Weinhändlers Heinrich Stennes nachgibt und ihn heiratet. Aber damit ist noch lange nicht alles gesagt, in diesem Roman gibt es noch viel mehr zu entdecken: Liebe natürlich, aber auch Intrigen, Tod, Krieg, das alltägliche Elend der „normalen“ Bevölkerung und den krassen Gegensatz der Reichen und Begüterten.

„Die Frau des Seidenhändlers“ erzählt Annas Geschichte in einer spannenden Zeit, in einem Krieg, der heute als der „Siebenjährige Krieg“ bekannt ist. Das einzige, was allerdings so gar nicht vorkommt, ist ein Seidenweber. Warum das Buch diesen Titel trägt, ist mir bis zum Schluss verborgen geblieben, es geht weder überhaupt um Seidenweberei noch kommt eine entsprechende Frau vor. 


Stil und Sprache
Alles beginnt mit Annas Abreise von Radevormwald nach Krefeld, eine beschwerliche Reise von ungefähr 70 Kilometern, die damals mit Postkutsche und Fähre mehrere Tage dauerte. Sehr eindringlich beschreibt Ulrike Renk diese Tortur für Körper und Geist, mit schwitzenden Menschen in einer engen Kutsche, der ständigen Angst vor einem Überfall oder Unfall, dem eisigen Novemberwetter und allem, was sonst noch so passieren kann. Sofort ist man als Leser mittendrin und bleibt es auch für den Rest der abwechslungsreichen Geschichte.

Überwiegend aus Annas Sicht wird ihr künftiges Leben geschildert, dabei wechselt die Autorin zwischen detailreichen Darstellungen einzelner Szenen und kurzen Abhandlungen über ganze Monate. Immer wieder werden interessante Kleinigkeiten eingeflochten, die zum Beispiel das medizinische oder auch astronomische Wissen jener Zeit widerspiegeln. Dabei versucht die Autorin, in ihrer Sprache authentisch zu bleiben, verwendet etwa die damals üblichen Begriffe für Krankheiten oder Naturphänomene. Auch in den Dialogen klingen ihre Figuren „echt“ und sprechen zum Beispiel auch ihrem Stand entsprechend. Das alles ist insgesamt leicht und flüssig zu lesen, auch wenn mir an ein oder zwei Stellen die Beschreibungen verschiedener Schlachten etwas zu viel wurden. Da nimmt die Autorin – wie auch insgesamt -  kein Blatt vor den Mund und zeigt sehr eindringlich, was Krieg damals (und heute) wirklich bedeutet.


Figuren
Anna te Kloot und Claes ter Meer haben wirklich gelebt. Ob sie so waren, wie sie hier dargestellt werden, weiß man natürlich nicht, aber alles könnte wirklich so gewesen sein. Anna, die junge, unerfahrene Frau, die in der für sie fremden Stadt lernen muss, zurecht zu kommen, Claes, der sein halbes Leben lang unglücklich verliebt ist und erst viel zu spät erkennt, was er wirklich will - die beiden wären wirklich ein Traumpaar gewesen. Sehr lebendig und mit viel Gefühl ausgestattet, geben sie diesem Roman und den vermittelten historischen Fakten Leben. Dazu trägt sicher auch bei, dass Anna für ihre Zeit sehr aufgeschlossen und wissbegierig ist, sich an politischen Diskussionen beteiligt und wissenschaftlich interessiert ist. Da aber die Geschichte eines verhuschten Hausmütterchens, das nur an Kindern und Haushalt interessiert ist und nie mehr erlebt als den wöchentlichen Marktbesuch, als historischer Roman wohl eher langweilig wäre, sei der Autorin diese künstlerische Freiheit verziehen.

Auch die übrigen - zahlreichen - Figuren der Familie ter Meer und ihrer Verwandten und Freunden wirken authentisch, wenn auch in ihren Motiven nicht immer ganz zu Ende gedacht. So bleibt bis zum Schluss unklar, warum Katrina so handelt, wie sie es tut, oder warum Heinrich sich derart verändert nach der Heirat mit Anna. Insgesamt aber ergibt sich aus vielen Kleinigkeiten und anschaulichen Schilderungen ein rundes Bild einer Gesellschaft, die zwar nicht adelig ist, aber zumindest einen gewissen Wohlstand und einen für die damalige Zeit hohen Bildungsstand hat.


Aufmachung des Buches
Das Taschenbuch ist in einem schönen Hellrot gehalten und zeigt im unteren Teil eine historische Marktszene mit Stoffballen und Seidenhändlern. Der Hintergrund ist in einem silbrigen Rankenmuster gestaltet und der Buchdeckel entsprechend geprägt. Zusammen mit dem in Gold geprägten Titel ergibt das eine sehr ansprechende Aufmachung, die allerdings, wie oben schon erwähnt, in keiner Weise auf den Inhalt des Buches bezogen ist.
Innen gibt es nach 45 unterschiedlich langen Kapiteln eine Danksagung der Autorin, in der auch Hinweise zur Entstehung und zu den historischen Quellen der Geschichte enthalten sind.


Fazit
"Die Frau des Seidenhändlers“ ist eine berührende Geschichte, deren Nähe zu den historischen Fakten aus jeder Zeile spricht. Für alle, die diesen Mix aus Liebesgeschichte und Familiensaga mögen und nebenbei noch ein bisschen Geschichte aufschnappen möchten, ein spannendes Lesevergnügen.


4 5 Sterne


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