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Frühling in Venedig, eine herrliche Pracht. Doch da wird Brunetti zu einem ungewöhnlichen Tatort gerufen, der Biblioteca Merula. Wertvolle Folianten liegen aufgeschlitzt da und der amerikanische Forscher, der ein Dauergast war, ist verschwunden. Brunetti entdeckt eine eigenartige Welt: Er spricht mit Bibliotheksangestellten und Besuchern, mit einem ehemaligen Priester, Aldo Franchini, der immer Tertullian liest, und der edlen Spenderin, Contessa Morosini-Albani.
Als es einen Toten gibt, weiß Brunetti, dass mehr auf dem Spiel steht. Mit großem Gespür und ungewöhnlichen Methoden geht Brunetti dem Verbrechen auf den Grund – und entdeckt einen florierenden Schwarzmarkt für Bücher.

 

Tod zwischen den Zeilen HB 

Originaltitel: By its cover
Autor: Donna Leon
Übersetzer: Werner Schmitz
Sprecher: Joachim Schönfeld
Verlag: Diogenes Hörbuch
Erschienen: 05 / 2015
ISBN: 978-3-257-80361-7
Spieldauer: 472 Minuten, 6 CDs; ungekürzte Lesung


Die Grundidee der Handlung
Es ist ein "nervtötender Montag“, den Brunetti im Büro verbringt. Besonders wenn man bedenkt, dass er die Freuden des herannahenden Frühlings nur durch das Bürofenster sieht, um sich stattdessen durch relativ unergiebige Zeugenaussagen zu einer Schlägerei zwischen Wassertaxifahrern zu quälen. Ein Café wird ihn durch den Rest dieses Nachmittags retten müssen. Als er dann wieder am Empfang der Questura vorbeigeht, geht dort gerade ein Anruf ein: In einer ehrwürdigen Bibliothek sind sehr wertvolle Bände beschädigt oder gar zerstört worden. Ein Verlust, nicht nur für die Wissenschaft. Der erste Verdächtige scheint schnell gefunden: Ein amerikanischer Wissenschaftler hatte beinahe alle Bände einsehen wollen und ein erster Zeuge könnte ein Mann sein, der von allen nur Tertullian genannt wird. Er ist ehemaliger Priester und heißt Aldo Franchini. In einer ersten Befragung erweist er sich als höflich und zurückhaltend, mit Sicherheit unverdächtig. Besonders heikel wird der Fall, als Brunetti erfährt, dass auch ganze Bücher verschwunden sind und eines davon von Contessa Morosini-Albani gestiftet wurde, die mit Brunettis Frau Paola bekannt ist, deren Familie allerdings „bislang nur mit Horten, nicht mit Teilen“ beschäftigt hat. Als dann auch noch der amerikanische Wissenschaftler verschwunden bleibt und Franchini zum Mordopfer wird, steht Brunetti vor einem Rätsel, das durch die Aussage von Franchinis Bruder, Aldo sei ein "Dieb, Erpresser, Lügner und Betrüger" nur noch unlösbarer zu werden scheint. Mit viel Fingerspitzengefühl, taktischen Raffinessen, einfallsreichen Kollegen, aber auch mithilfe seiner Verbindungen folgt Brunetti den wenigen Spuren und entdeckt dabei mehr als nur ein dunkles Geheimnis.

Nachdem der letzte Fall um "Das goldene Ei" eine derart fesselnde und gut erzählte Geschichte war, die sich der Welt der Sprache widmete, folgt nun die Welt der Bücher. Die Idee, dass der Commissario zunächst eine Sachbeschädigung untersucht - etwas anderes ist das "Ausweiden" auch noch so alter Bücher nicht, wirkt leider etwas zufällig. Man könnte meinen, "Bücher sind besser als Wassertaxis". Das, was Donna Leon daraus entwickelt, ist typisch und macht den Charme der Serie aus. Ein Fall, der Brunetti in alle sozialen Schichten führt und ihn auch an Orte "seiner" Stadt führt, an denen ihre drängendsten Probleme offensichtlich sind. Dabei trifft er stets den richtigen Ton, egal ob in Kreisen des Adels oder im Pausenraum der Biblioteca Merula. Dabei kommt ihn zu Gute, dass auch er selbst nicht frei von Schwächen ist und das auch zugibt. Auch, dass sich ein eher "klein" beginnender Fall zu etwas von "großer Bedeutung" ausweitet, ist ein wiederkehrendes Muster der Serie. Überzeugend dargestellte Personen mit all ihren biografischen Brüchen gehören zu den Stärken des Buches. Schade, dass die Geschichte um die Bücher für meinen Geschmack manchmal zu oberflächlich bleibt und auch der sprachliche Esprit, der mich im letzten Band so begeistert hat, etwas abhanden gekommen ist.


Darstellung des Hörbuchs
Zum zweiten Mal ist Joachim Schönfeld der Sprecher der Brunetti Hörbücher. Auch das scheint immer besser zu passen. Zwar bleiben die Unterschiede in der Betonung und Aussprache mancher Wörter gegenüber seinem Vorgänger, aber dieses Mal empfand ich sie als nicht so drastisch. Die sanfte und warme Stimme des Sprechers passt ausgezeichnet zum Frühling in Venedig. Lebhaft fängt sie die Atmosphäre ein, ist aber gleichzeitig wandelbar und für jede Person individuell. Sie beherrscht allerdings auch wunderbar den dramatischen Wandel bei nur einer Person. Beispielhaft sei das an der Contessa Morosini-Albani dargestellt. Wirkt ihre Stimme zunächst schroff und abweisend gegenüber dem Commissario, so bekommt sie nach der Erwähnung, dass "Paolas Mann Guido heißt" zumindest deutlich weichere Züge. Eine weitere Stärke dieser Lesung ist für mich der stets passende Wechsel zwischen professioneller Distanz und menschlicher Einfühlsamkeit, der in der Schlussszene in besonderer Weise zur Geltung kommt. Um nicht zu viel zu verraten, wähle ich beispielhaft eine andere Szene, das Auffinden von Aldos Leiche. Als Brunetti den Raum betritt, hört er den Kriminaltechniker, der ihm die Überzieher zuwirft, rufen: "Erst überziehen". Auch das Gespräch zwischen Brunetti und dem Rechtsmediziner verläuft professionell. Dann plötzlich bemerkt Brunetti fast philosophisch: "Es schien als hinterlasse der Tod stets eine kleinere Version des Körpers, den die Seele einst bewohnt hatte." Eine sehr gute Lesung von Herrn Schönfeld.


Aufmachung des Hörbuchs
Verlags- und serientypisch wird auch der 23. Brunetti-Krimi in einer schwarz-weißen Klappdeckelschachtel zum Aufklappen ausgeliefert. Am linken Rand der Schachtel befindet sich neben Verlags- und Sprecherangabe noch ein Auszug aus einer deutschen Tageszeitung, der sich aber eher auf die gesamte Serie bezieht. Zwei Drittel sind der Übernahme des Buchcovers vorbehalten, das diesmal die Steinfigur eines geflügelten Löwen zeigt, der eine seiner Tatzen auf einem aufgeschlagenen Buch ablegt. Aus dem - für Diogenes - dünnen beiliegenden Booklet erfahren wir, dass es sich um ein Motiv aus "Saul" von Händel handelt, passend folgt auf der nächsten Seite ein kurzer Textauszug. Natürlich finden sich Autoren- und Sprecherbiografien und eine Aufteilung der Buchkapitel auf die CDs.


Fazit
Ein guter Brunetti, der nicht ganz an die Qualität und sprachliche Gewandtheit des letzten Bandes heranreicht, aber auch keine großen Schwächen hat, deshalb


4 Sterne


Hinweise
Dieses Hörbuch kaufen bei: amazon.de oder deinem Buchhändler vor Ort

Backlist:
Teil 22: Das goldene Ei
Teil 21: Tierische Profite
Teil 20: Reiches Erbe
Teil 19: Auf Treu und Glauben
Teil 18: Schöner Schein

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