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Es gießt in Strömen, und im Périgord fürchten alle um die Weinernte. Doch Bruno Courrèges, einziger Polizist des Städtchens Saint-Denis, hat ganz andere Sorgen. Im Morgengrauen findet er die Leiche eines muslimischen Undercover-Agenten, der ihn nur wenige Stunden zuvor um Hilfe gebeten hatte. Und im Büro erwartet ihn eine Nachricht über einen autistischen Jungen aus Saint-Denis, der auf einer französischen Armeebasis in Afghanistan auftaucht und nun nach Hause kommen will - als Freund oder Feind, das ist die Frage.

 

Provokateure HB 

Originaltitel: Children of War
Autor: Martin Walker
Übersetzer: Michael Windgassen
Sprecher: Johannes Steck
Verlag: Diogenes Hörbuch
Erschienen: 05/2015
ISBN: 978-3257803631
Spieldauer: 640 Minuten, 8 CDs; ungekürzte Lesung


Die Grundidee der Handlung
Eigentlich ist es ruhig und beschaulich im kleinen Städtchen Saint-Denis, wie immer. Nur um die Weinernte machen sich alle Sorgen, denn entgegen der Gewohnheit regnet es seit Tagen ununterbrochen. Doch diese kleinen Sorgen geraten in den Hintergrund, als Bruno im Morgengrauen zu einem völlig ausgebrannten Fahrzeug gerufen wird. Dort findet er auch eine grausam zugerichtete und übel misshandelte Leiche. Nicht nur das, vieles mehr deutet auf die Arbeit von Profis hin, die absolut sicher gehen wollten, dass dieser Mann, der nur noch durch eine Tätowierung identifizierbar ist, nichts mehr sagt. Für Bruno ein Schock, denn kurz zuvor war er genau von diesem Mann um Hilfe gebeten worden. Kaum hat sich der Chef de Police davon erholt, wartet in seinem Büro eine Nachricht auf ihn. Ein autistischer Junge algerischer Herkunft, den Bruno seit Kindestagen kennt, ist in Afghanistan in eine französische Militärbasis eingedrungen und will nach Hause. Vor vier Jahren war er aus einer Moschee in Toulouse verschwunden, in der eine Einrichtung für autistische Kinder untergebracht war. Was ist geschehen? Kommt er als Freund? Als Feind? Mit der Rückkehr des Jungen, die nur über verschlungene Wege überhaupt gelingen kann, beginnen die Probleme erst. Nicht nur, dass die Männer aus der Moschee hinter dem Jungen her sind und offenbar vor nichts zurückschrecken. Alsbald tauchen auch erste Hinweise auf seine mögliche Verwicklung in terroristische Anschläge auf. Ein Auslieferungsgesuch ist die Folge. Als hätte man damit nicht schon genug Arbeit, erhält die Stadt Saint-Denis die Aussicht auf ein großzügiges Vermächtnis einer reichen Jüdin, die vor über sieben Jahrzehnten dort Schutz gefunden hat. Die Gemeinde muss für das Vermächtnis nur ein überzeigendes Konzept für ein Projekt des Gedenkens vorlegen ...

Ausgerechnet das kleine Saint-Denis als Schmelztiegel der Religionen, Kulturen und Generationen, stellvertretend für ein tolerantes, weltoffenes Frankreich oder vielleicht Europa? Chapeau, Mr. Walker für diesen wohltuenden Versuch. Ich bedaure fast, dass diese Idee nicht zur Gänze zu überzeugen vermag. Sie überzeugt sehr gut im Kleinen. Sie überzeugt in der Geschichte der Kriegserlebnisse, die Saint-Denis für immer die Dankbarkeit der wohlhabenden jüdischen Dame sichern. Sie überzeugt in der Geschichte um den autistischen Jungen, der wie selbstverständlich Teil von Saint-Denis ist. Sie überzeugt größtenteils auch noch in dem Bedrohungsszenario, das aus der Flucht des Jungen aus der Moschee entsteht. Schade, dass dann noch versucht wird, den ganz großen Bogen zu spannen. Die diplomatischen Verwicklungen und die Verbindungen zu weltweitem Terrorismus wirken reichlich überzogen. Vielleicht soll aber auch genau das zeigen, wie fließend Übergänge manchmal sein können...


Darstellung des Hörbuchs
Bruno und Johannes Steck sind und bleiben ein unschlagbares Duo. Herr Steck trifft stets den richtigen Ton. Diesmal sind es weniger die Stimmen und Stimmungen, die mich in den Bann dieser Lesung gezogen haben (obwohl auch sie dieses Mal wieder die gewohnte Qualität der Serie erreichen), sondern viel mehr die beinahe beängstigende Fähigkeit zum Tempowechsel in der Stimme von Herrn Steck. Da sind actionreiche und gefährliche Szenen, die der Sprecher mit fast zungenbrecherischer Geschwindigkeit liest (Begegnung Brunos mit den "Jägern" in der Schule) und dann sind da ganz ruhige, nachdenkliche und beklemmende Szenen (Besuch des Hauses, in dem die Jüdin Zuflucht fand), die Herr Steck mit einer Ruhe und Sanftheit liest, die das beklemmende Gefühl fast noch bestärkt. Als die Schulkinder von Saint-Denis mit in die Planungen zum Projekt einbezogen werden, mischt sich in die Grausamkeiten der Kriegserinnerungen dann eine manchmal heitere, aber nie unpassende jugendliche Unbefangenheit. Eine großartige Sprecherleistung, die auch über manch zu üppig angelegten Bogen hinweghelfen kann.


Aufmachung des Hörbuchs
Die Aufmachung der Bruno-Reihe entwickelt Wiedererkennungswert: Die verlagstypische Klappdeckelschachtel ist, wie schon bei den letzten Teilen der Serie, in Grün und Weiß gehalten. Etwa Dreiviertel des Platzes sind dem Cover vorbehalten, das diesmal einen Seeblick auf ein prächtiges Schloss in der Dämmerung zeigt. Die Lichtverhältnisse, der See und natürlich das Château selbst verleihen dem Cover eine romantische Note. Das verbleibende und in grün gehaltene Viertel ganz links auf dem Schuber bleibt der Verlagsangabe, der Sprecherangabe, sowie, unterhalb davon, einem allgemeinen Auszug über die Bruno-Reihe in österreichischen Medien. Im Booklet findet man zunächst Fotos von Autor und Sprecher und darunter jeweils kurze Biografien der beiden. Der anschließenden Übernahme der ersten Buchseiten folgt eine Aufstellung darüber, wie sich die einzelnen Kapitel des Buches auf die CDs verteilen. Der gesamte Rest des auch diesmal umfangreichen Booklets ist einer lesenswerten Danksagung Martin Walkers sowie ausführlichen Hinweisen zur Recherche für dieses Buch, seine Entstehungsgeschichte und die Entstehungsgeschichte der Serie. Gewohnt seriöse und gelungene Aufmachung.


Fazit
Die Stimmung bleibt angespannt in Saint-Denis. "Provokateure" ist der zweite Band hintereinander, dem die Leichtigkeit der Reihe ein bisschen abhandenkommt. Angesichts der Thematik und Botschaft des Buches angemessen. Trotzdem ist der Handlungsbogen an manchen Stellen leider deutlich überfrachtet. Deshalb nur

4 Sterne


Hinweise
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Backlist:
Teil 1: Bruno, Chef de Police
Teil 2: Grand Cru
Teil 3: Schwarze Diamanten
Teil 4: Delikatessen
Teil 5: Femme fatale
Teil 6: Reiner Wein

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