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Seit Michael denken kann, fürchtet er sich vor seinem Großvater. Nicht, weil dem alten Mann mehrere Finger fehlen und sein Gesicht von Verbrennungen entstellt ist, sondern weil niemand darüber spricht, was dem Großvater im Krieg eigentlich zugestoßen ist. Nur Michael hört nicht auf, sich diese Frage zu stellen. Eines Tages bricht der Großvater das Schweigen – und endlich, endlich kann so etwas wie Frieden einkehren.

Die berührende Geschichte darüber, wie lange es dauert, bis Wunden verheilen. Mit farbigen Illustrationen von Gemma O’Callaghan. 

 

Nur Meer und Himmel 

Originaltitel: Half a man
Autor: Michael Morpurgo
Übersetzer: Uwe-Michael Gutzschhahn
Illustratorin: Gemma O'Callaghan
Verlag: FISCHER KJB
Erschienen: 19. Februar 2015
ISBN: 978-3-737352109
Seitenzahl: 64 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Das Jugendbuch des britischen Bestsellerautors Michael Morpurgo „Nur Meer und Himmel - Die Geschichte meines Großvaters“ ist beim Fischer Verlag in der bibliophilen Reihe „Bücher mit dem blauen Band“ für junge Leser erschienen. Die farblich sehr ansprechenden Illustrationen von Gemma O’Callaghan ergänzen Morpurgos ergreifende Erzählung hervorragend. 

Im Mittelpunkt dieser wundervollen Kurzgeschichte steht das bedrückende Schicksal eines mit grauenvollen Verbrennungen entstellten Kriegsversehrten, die langsame Annäherung des Großvaters und seines Enkelsohns Michael auf dem schwierigen Weg, die einschneidenden Erlebnisse, die sein ganzen Leben überschattet haben, endlich zu verarbeiten und Frieden für die ganze Familie einkehren zu lassen.


Stil und Sprache
In seiner ergreifenden Kurzgeschichte verarbeitet der britische Autor eigene traumatische Kindheitserinnerungen, die er in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg erlebt hat. Erzählt wird die Geschichte aus Sicht des Ich-Erzählers Michael in der ersten Person der Vergangenheitsform. Diese Perspektive erlaubt eine besondere Nähe zur Hauptfigur und ermöglicht, dass man sich gut in seine Gedanken und Gefühle hineinversetzen kann. Schon der Einstieg in die Erzählung mit einem sehr beängstigenden, sehr real wirkenden Albtraum Michaels verdeutlicht, wie stark die wenigen Andeutungen der Eltern zum Schicksal des kriegsversehrten Großvaters, der durch den 2. Weltkrieg schwere physische und psychische Wunden davongetragen hat, und die merkwürdigen Begegnungen mit ihm, die den Jungen von klein auf beschäftigen und ängstigen.

Der angenehme Schreibstil des Autors ist sehr anschaulich und trotz mancher Fremdwörter gut verständlich, so dass die Erzählung auch für jüngere Lesern geeignet ist. Als äußerst versierten Erzähler gelingt es Morpurgo mühelos, seine großartige Geschichte über Vorurteile, Verlust, Verdrängung, Toleranz und Versöhnung sehr gefühlvoll und mit wenigen, sehr ausdrucksstarken Worten zu verdichten. Er versteht es hervorragend, die Emotionen und die Stimmung der Hauptfigur glaubhaft und nachvollziehbar darzustellen und den Leser mit dem bedrückenden Schicksal des Großvaters aufzuwühlen und tief zu berühren. Fesselnd ist es mitzuerleben, wie es dem beinahe erwachsenen Michael schließlich gelingt, die fatale Sprachlosigkeit zu durchbrechen, die unbewältigten Wunden in seiner Familie offen zu legen und den längst überfälligen Heilungs- und Versöhnungsprozess einzuleiten. Mit seiner Erzählung veranschaulicht Morpurgo sehr schön, dass Kinder sich nicht scheuen sollten, Fragen zu stellen, um die von Erwachsenen errichteten Mauern des Schweigens zu durchbrechen, denn am Ende warten wahre, authentische Geschichten, die endlich erzählt werden müssen, damit für alle Frieden einkehren kann.

Die farblich sehr ansprechend gestalteten Bilder der talentierten jungen Illustratorin und Graphikerin Gemma O’Callaghan ergänzen Morpurgos Erzählung hervorragend. Sie versteht es, die unterschiedlichen Stimmungen außerordentlich gut einzufangen und die Emotionen der Figuren in den unterschiedlich großen Bildern sehr treffend zu transportieren, auch wenn diese wenige Details aufweisen und niemals die Gesichter der Figuren zeigen.


Figuren
Die Figuren sind treffend und sehr plastisch gezeichnet, wobei das Hauptaugenmerk auf dem Ich-Erzähler Michael und seinem Großvater liegt. Trotz der Kürze der Erzählung gelingt es Morpurgo hervorragend, ihre Charaktere mit wenigen aussagekräftigen Details zum Leben zu erwecken und dem Leser nahezubringen, so dass er sich sehr gut in ihre Gefühlswelt und Gedanken hineinversetzen kann. 

Die seltenen Besuche des kriegsversehrten Großvaters bei Michaels Familie waren geprägt von einer äußerst angespannten Atmosphäre. Die vielfältigen Ermahnungen seiner Eltern, den grauenvoll entstellten Opa nicht anzustarren, leise zu sein und ihn auf keinem Fall auf die Vergangenheit anzusprechen, haben den kleinen, neugierigen Jungen eingeschüchtert und verstört, so dass er sich sein eigenes Bild von ihm machen konnte. Sehr schön arbeitet der Autor heraus, wie Michael während seiner Ferien mit zunehmendem Alter diesem stillen, nicht nur äußerlich tief verletzten Mann immer offener und unbefangener begegnen kann. So kommt es zu einer schrittweisen Annäherung der beiden und Michael gelingt es schließlich, sein Vertrauen und sein Herz zu gewinnen. Endlich erfährt Michael von seinem Großvater die ganze Wahrheit über seine Vergangenheit, den Torpedoangriff auf sein Kriegsschiff, den er nur knapp, aber mit grauenvollen Verbrennungen für immer entstellt überlebte, lernt sein trauriges Schicksal nach seiner Rückkehr kennen und sieht hinter dem „Schreckgespenst“ seiner Kindheit den wahren Menschen in all seinem menschlichen Leid.


Aufmachung des Buches
Das Buch ist als Hardcover gebunden und ist mit einem blauen Lesebändchen versehen, dass charakteristisch für diese bibliophile Reihe ist. Das Titelbild beeindruckt durch eine kontrastreiche, sehr stimmungsvolle Illustration, die eine Schlüsselszene der Erzählung mit dem Großvater und seinem Enkelsohn auf einem Boot zeigt. Die gelungene Covergestaltung erzeugt beim Betrachten eine gewisse Spannung und macht neugierig auf den Inhalt. Oberhalb des Horizonts zwischen „Himmel und Meer“ befindet sich die Titelschrift des Buchs, die sich sehr gut vom Hintergrund abhebt.

Die Geschichte ist durchgehend mit ausdrucksstarken, farbigen Illustrationen bebildert, auch das orangefarbene Vor- und Nachsatzpapier ist mit Umrissen von Vögeln in Schwarz und Weiß sehr ansprechend gestaltet. Am Ende des Buches finden sich zudem Kurzinformationen des Verlags zu Autor, Illustratorin und Übersetzer.


Fazit
Das Jugendbuch „Nur Meer und Himmel – die Geschichte meines Großvaters" ist eine sehr berührende, gefühlvoll erzählte und wundervoll illustrierte Kurzgeschichte, die einen noch lange beschäftigt. Ein besonderes, sehr empfehlenswertes Buch - das allerdings die angestrebte jugendliche Zielgruppe weniger ansprechen dürfte!


4 5 Sterne


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