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Kategorie: Historische Krimis

LONDON 1727, SCHAUPLATZ SCHULDNERGEFÄNGNIS

Tom Hawkins will lieber verdammt sein, als Landpfarrer zu werden wie sein Vater. Er liebt die Frauen, das Bier und das Glücksspiel – und landet eines Nachts im berüchtigten Londoner Schuldgefängnis »The Marshalsea«. Schnell erkennt Tom, dass in dieser Hölle nur überlebt, wer sich nützlich macht: Er verdingt sich als Ermittler in einem hinterlistigen Gefängnismord – und bereut dies im selben Augenblick … 

 

Teufelsloch 

Originaltitel: The Devil in the Marshalsea
Autorin: Antonia Hodgson
Übersetzerin: Katharina Volk
Verlag: Knaur HC
Erschienen: 21. August 2014
ISBN: 978-3-426653456
Seitenzahl: 496 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Der junge Tom Hawkins denkt nicht daran, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten und ein einfacher Landpfarrer zu werden. Von diesem aus dem Haus gejagt, genießt er in London sein Leben voller Vergnügungen, auch wenn ihm wegen Glückspielschulden der Ruin stets im Nacken sitzt. Als er nach einer durchzechten Nacht ausgeraubt wird und seine Schulden nicht begleichen kann, landet er unverhofft im legendären Schuldnergefängnis "The Marshalsea" – ein Ort, an dem alles seinen Preis hat und ein Menschenleben hingegen nicht viel wert ist. Als ihm überraschend angetragen wird, den mysteriösen Tod eines Gefängnisinsassen aufzuklären, will er die Chance nutzen, dieser Hölle zu entkommen.

Mit ihrem ausgezeichneten Debüt „Das Teufelsloch“ hat die englische Autorin Antonia Hodgson einen packenden, wendungsreichen und sehr komplexen historischen Thriller vorgelegt. Der verzwickte Kriminalfall ist im Londoner Schuldnergefängnis "The Marshalsea" zu Zeiten des frühen 18. Jahrhunderts angesiedelt. Vor allem die gut recherchierten, authentischen Details, stimmige Figuren und die unglaublich dichte Atmosphäre innerhalb des Gefängnisses konnten mich rundum überzeugen und begeistern.


Stil und Sprache
Erzählt werden die Geschehnisse aus Sicht des Protagonisten Tom Hawkins in der ersten Person der Vergangenheitsform, so dass man im Verlauf der Geschichte stets an seinen Überlegungen und Gefühlen teilhaben kann. Als unmittelbaren Einstieg lässt die Autorin den Leser im Prolog Zeuge einer abscheulichen und zugleich unfassbaren Bluttat an einem Insassen des Schuldnergefängnisses werden. Hierdurch werden gleich zu Beginn viele spannende Fragen aufgeworfen und ein toller Spannungsbogen gesetzt, der im Laufe der Handlung immer weiter gespannt wird, da erst sehr spät Licht in die finsteren Hintergründe des hinterhältigen Mordfalls gebracht wird. Erstklassig gelingt es der Autorin, die von ihr aus alten Tagebüchern und Berichten zum berühmt-berüchtigten Schuldnergefängnis recherchierten Details und historischen Hintergründe stimmig in die Handlung einzubauen. Durch diese Authentizität erhält ihre Geschichte eine ganz besondere Intensität und Brisanz.

Hodgson versteht es ausgezeichnet, die verschiedenen Schauplätze lebendig werden zu lassen und auch das soziale Klima und die politischen Verhältnisse jener Zeit im frühen 18. Jahrhundert herauf zu beschwören. Die damaligen unvorstellbaren Lebensbedingungen der Insassen im Schuldnergefängnis sind so realistisch und lebendig eingefangen, dass man die einzigartige Atmosphäre dieser Hölle auf Erden förmlich spüren kann. Man taucht bald in das bedrückende Milieu dieser schockierenden Parallelwelt ein und erlebt den brutalen Alltag eines Zweiklassensystems mit ganz eigenen Gesetzmäßigkeiten, den Animositäten untereinander und den gnadenlosen Überlebenskampf hautnah mit. Wer an Geld kommen kann, ist in der Lage sich auf der Master's Side Privilegien zu erkaufen, die ärmsten der Armen hingegen landen auf der anderen Seite der Mauer, der Common Side, sind jeglicher Willkür ausgesetzt und müssen wie Vieh dahin vegetieren. Entsprechend schildert die Autorin viele Szenen, darunter brutale Gewaltexzesse, äußerst realistisch, unverblümt und schonungslos.

Beinahe beiläufig kommen Toms Nachforschungen zum heimtückischen Mord an Captain Roberts in Gang und scheinen gelegentlich sogar in den Hintergrund zu rücken. Angesichts vieler undurchsichtiger Verwicklungen, geschickt gestreuter Andeutungen und überraschender Wendungen steigt die Spannung zunehmend. Viele Figuren machen sich im Laufe der Handlung verdächtig, und so ist man schließlich überrascht über die Auflösung und das Motive für das unfassbare Verbrechen.

Um ihre Geschichte noch authentischer zu gestalten, hat die Autorin sich dem speziellen Milieu und der damaligen Zeit auch sprachlich angepasst und verwendet in den Dialogen eine oftmals derbe, direkte Sprache. Hodgkin erzählt insgesamt sehr mitreißend und anschaulich, so dass man bald völlig vom Geschehen und der einzigartigen Atmosphäre des Marshalsea gefangen ist.


Figuren
Hervorragend gelungen ist der Autorin die Charakterentwicklung ihres Protagonisten Tom Hawkins, der sich im Laufe der Geschichte von einem anfangs recht oberflächlichen, genusssüchtigen Zeitgenossen zu einer interessanten, tiefgründigen Persönlichkeit wandelt. Die Autorin hat mit ihm eine authentische, trotz aller Ecken und Kanten sympathische Figur zum Leben erweckt, deren Denken, Fühlen und Handeln nachvollziehbar und glaubhaft wirkt. Sehr spannend ist es mit zu verfolgen, wie er sich in seine missliche Lage hineinfindet und sich den ungeschriebenen Gesetzen des Schuldnergefängnisses anzupassen versucht, um den brutalen Überlebenskampf tagtäglich zu überstehen. Schnell beginnt er zu begreifen, dass im Marshalsea alles seinen Preis hat und er niemandem trauen kann. Ungemein fesselnd ist es beschrieben, wie er trotz der vielen widrigen Umstände schließlich beharrlich und sehr clever die Aufklärung des verzwickten Mordfalls vorantreibt. 

Eine faszinierende Mischung vieler geheimnisvoller, vielschichtig ausgearbeiteter Nebenfiguren hat Hodgson geschaffen, die dazu beitragen, dem Leser ein unglaublich realitätsnahes Bild der damaligen Lebensbedingungen im Schuldnergefängnis zu vermitteln. Sie füllen diesen unsäglichen Moloch aus Dreck, Elend, Korruption, Gewalt und Erpressung mit Leben und lassen den Leser hautnah die aggressive Atmosphäre und den harten Gefängnisalltag im Marshalsea spüren. Zudem sorgen die unterschiedlichen Figuren – Insassen, Wärter aber auch die Obrigkeit - mit ihrem merkwürdigen, oft verdächtigen Verhalten für vielfältige Spekulationen, denn niemand ist schließlich so, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Vor allem Toms düsterer, geheimnisvoller Zimmergenosse Mr. Fleet, der bei allen als Ausgeburt des Teufels verschrien ist und Tom unter seine Fittiche nimmt, ist eine herrlich zwielichtige, schillernde Figur. Sein oft rätselhaftes Verhalten gibt nicht nur Tom, sondern auch dem Leser immer wieder neue Rätsel auf und stiftet Verwirrung.

Sehr glaubwürdig in die Geschichte sind einige historisch verbürgte Persönlichkeiten eingeflochten wie beispielsweise der brutale Gefängnisaufseher und ehemalig Metzger William Acton, der sich tatsächlich wegen Mordes vor Gericht zu verantworten hatte.


Aufmachung des Buches
Das gebundene Buch hat einen sehr ansprechend und aufwändig gestalteten Schutzumschlag, der hervorragend zum historischen Flair des Romans passt. Das in dunklen Brauntönen gehaltene Cover ist mit seinen gekonnt durch Silber- und Goldtöne akzentuierte Licht- und Schattenspiel ein echter Blickfang und vermittelt eine herrlich unheilvolle Atmosphäre. Durch eine düstere, von Torbögen umsäumte Gasse fällt der Blick des Lesers auf die dunkle Silhouette eines mit wehenden Rockschößen rennenden Mannes und das im schwefel-gelben Lichtschein erleuchtete „Teufelsloch“ im Hintergrund. 

Gegliedert ist das Buch in einen Prolog und 27 Kapitel. Zum besseren Verständnis wurden dem Roman einige historische Anmerkungen der Autorin vorangestellt. Abgerundet wird dieser durch einen sehr ausführlichen Anhang, in dem aufschlussreiche Erläuterungen zum geschichtlichen Hintergrund des Romans, ein Überblick über die historischem Figuren und ein Glossar zu Fachausdrücken sowie eine Danksagung der Autorin zu finden sind.


Fazit
„Das Teufelsloch“ ist der gelungene Auftakt einer äußerst vielversprechenden historischen Thriller-Reihe um den jungen sympathischen Pfarrerssohn Tom Hawkins, angesiedelt im London des frühen 18. Jahrhunderts. In ihrem mitreißenden Debüt gibt die englische Autorin sehr authentische und lebendige Einblicke in die schockierenden Zustände von Londons berühmten Schuldnergefängnis Marshalsea und den brutalen Alltag der damaligen Insassen. Sehr überzeugend ist es ihr darüber hinaus gelungen, die vielen sorgsam recherchierten, historischen Hintergründe zu einem fesselnden Kriminalfall zu verdichten. Man darf schon sehr gespannt sein, was sich die Autorin für den nächsten spektakulären Fall von Tom Hawkins einfallen lässt!

4 5 Sterne


Hinweise
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