Die Hunde sind schuld. Beim Spaziergang mit der Queen rennen sie los, um den allwöchentlich in einem der Palasthöfe parkenden Bücherbus der Bezirksbibliothek anzukläffen. Ma'am ist zu gut erzogen, um sich nicht bei dem Bibliothekar zu entschuldigen, leiht sich ebenfalls aus Höflichkeit ein Buch aus - und kommt auf den Geschmack. Von da an deckt sie sich jede Woche mit Lesestoff ein und lernt den Küchegehilfen Norman kennen, mit dem sie sich fortan über ihre Lektüren unterhält (wie übrigens auch mit dem verdutzten französischen Präsidenten) ...
Autor: Alan Bennett Verlag: Verlag Klaus Wagenbach Berlin Erschienen: 2008 ISBN: 978-3-8031-1254-5 Seitenzahl: 120 Seiten |
Die Grundidee der Handlung
Alan Bennett lässt die Queen in diesem höchst amüsanten Prosastück zur Literaturliebhaberin per Zufall werden. Ganz zum Schrecken all ihres Personals und auch ihres Gemahls, findet sie mehr und mehr Vergnügen an Büchern, was bis zur Vernachlässigung ihrer königlichen Pflichten führt.
In den einzelnen Entwicklungsstadien, die die Queen von der Gelegenheitsleserin zum Büchernarr mitmacht, beschreibt der Autor die Randerscheinungen, die mit dem übermäßigen Genuss von Literatur einhergehen: Der "übermäßige" Leser entzieht sich der realen Welt immer öfter, um in die fiktiven Welten abzusteigen. Der Zeit- und Raumbedarf wächst stetig, in dem der Lesende nur noch seiner Leidenschaft frönen möchte. Im Gegenzug schult man sich mit wachsendem Buchkonsum, man liest immer schneller, immer anspruchsvoller, immer kritischer.
Diese Beschreibung der Sogwirkung des Lesens - vom Anfang bis zur Lesesucht - ist so wahr und meisterhaft klug von Bennett erzählt, dass sich jeder Leser in diesem Büchlein wiederfinden wird.
Die Idee dieses Buches ist sehr überzeugend umgesetzt. Bennett beschreibt die Liebe zur Literatur unter zur Hilfenahme einer außergewöhnlichen Person, der Queen. Eine perfekte Kombination.
Stil und Sprache
Bennetts Sprachstil ist angenehm abwechslungsreich. Kurze Sätze wechseln mit langen, längere Absätze eher mit kürzeren Passagen. Dies fügt sich zu einem lockeren Sprachgebilde, gewürzt mit seiner pointierten Sprache. Sein feinsinniger britischer Humor rundet alles zu einem wirklich genussvollen Ganzen ab. Dabei bleibt sein Stil stets anspruchsvoll. Die Dialoge sind lebensnah und komisch, teilweise überspitzt, aber immer einer Königin würdig.
Daneben ist die Geschichte sehr spannend erzählt, mit einem durchaus überraschenden Ende. Nicht umsonst ist Bennett von Tina Schlegel als Meister der Spannungsbögen hervorgehoben worden (s. Federwelt Nr. 76 Juni/Juli 2009). Dem Autor gelingt es, neben dem Haupterzählstrang die Geschichte von Norman einzuflechten, des königlichen Lesefreundes. Die Entwicklung der Queen läuft zunächst auf Norman zu, an dem sie sich orientiert, um sich dann wieder zu distanzieren. Mit einer Intrige gegen die Queen wird ein weiterer Spannungspol gesetzt. So kommt es auf den 120 Buchseiten nie zu spannungsarmen Momenten.
Figuren
Alan Bennett gelingt es, den Leser von Anfang an auf die Seite der Queen zu locken. Man mag über die Monarchie denken was man will, dem Charme diese alten Dame wird sich der Leser nicht entziehen können.
Seine Charakterisierung ist sehr erfrischend, da er die Queen erkennen lässt, dass all das königliche Procedere nicht so wichtig sein kann, nicht überbewertet werden darf und es daher wichtigere Angelegenheiten gibt, als dem Volk stundenlang zuzuwinken oder politischen Vorträgen zu lauschen, auf die sie ohnehin nie wirklichen Einfluss besessen hat. Diese Entwicklung der Hauptfigur, von der gefürchteten Monarchin zum zerstreuten Bücherwurm, ist überzeugend dargestellt und höchst komisch.
Aufmachung des Buches
Das Büchlein ist in rotes Leinen gebunden. Auf dem Leinendeckel ist der Name des Autors oben in weiß eingestanzt, darunter befindet sich ein Bild, in dem die Queen neugierig hinter einem Vorhang hervorlugt. Unter diesem Bild ist der Titel des Buches "Die souveräne Leserin" eingeprägt.
Eine handliches Büchlein, statt des üblichen Schutzumschlags in widerstandsfähiges Leinen gebunden.
Leider kann ich nicht mehr Angaben zur Aufmachung des Buches geben, weil mir nicht diese Originalversion des Wagenbachsverlags vorlag, sondern die Clubausgabe des Bertelsmann Clubs, die statt in rotes Leinen in blaues gebunden ist. Daneben kann ich keine Angaben machen, ob der oben abgedruckte Klappentext mit dem Klappentext der Originalausgabe identisch ist.
Fazit
Dieses Buch ist vergnüglich und froh, ein Muss für Bücherfreunde. Prädikat "very british" und von mir "highly recommended". Ich gebe fünf Sterne für dieses leicht luftige Lesevergnügen.
Hinweise
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