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„Ich tue so, als ob ich ein ganz normales Mädchen wäre, das ganz normale Dinge tut. Zum Beispiel sich verlieben.“
Rebecca und ihre Zwillingsschwester könnten unterschiedlicher nicht sein: Die eine schön wie im Märchen, die andere hässlich wie die Nacht. Nur eines haben sie gemeinsam: das Elternhaus, in dem Kälte und Gewalt regieren. Seit sie denken können, retten die Schwestern sich gegenseitig vor dem Zorn des Vaters. Bis eine den Ausbruch wagt und die andere zurücklässt. Denn wenn dein Leben die Hölle auf Erden ist, was hast du dann noch zu verlieren?
Alles.

 

In deinem Licht und Schatten 

Originaltitel: Black Heart Blue
Autorin: Louisa Reid
Übersetzerin: Alexandra Ernst
Verlag: FISCHER FJB
Erschienen: 25. September 2014
ISBN: 978-3841421524
Seitenzahl: 320 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Die beiden 16-jährigen Zwillingsschwestern Rebecca und Hephizibah wachsen sehr behütet und isoliert bei ihren streng religiösen Eltern im Pfarrhaus einer kleinen englischen Stadt auf. Doch der sorgsam für die Gemeinde aufrechterhaltene Schein der harmonischen Pfarrersfamilie trügt, denn der allseits beliebte, gottesfürchtige Hirte seiner kleinen Gemeinde zeigt als despotischer, gewalttätiger Vater zu Hause sein wahres Gesicht. Für die beiden Schwestern ist das von Kälte, Lieblosigkeit und Gewalt geprägte Elternhaus die wahre Hölle auf Erden. Als es ihnen trotz aller Vorbehalte des Vaters gelingt, eine öffentliche Schule zu besuchen, beginnt die attraktive Hephzi Gefallen am Kontakt mit gleichaltrigen Teenagern und ihrem neuen Leben zu finden, während Rebecca als Außenseiterin von allen ausgegrenzt wird. Hephzi nimmt sich immer mehr Freiheiten und hofft auf eine Chance, um endgültig ihr bedrückendes Leben hinter sich lassen zu können.

In ihrem anspruchsvollen Jugendroman „In deinem Licht und Schatten“ stellt die englische Autorin Louisa Reid die schwierige Thematik häusliche Gewalt und Kindesmissbrauch in den Mittelpunkt ihrer Erzählung um das schlimme Schicksal der so unterschiedlichen Zwillingsschwestern Rebecca und Hephizibah. Die unglaublich tiefgründige, emotional aufgeladene Geschichte verlangt dem Leser mit seiner düsteren, sehr bedrückenden Grundstimmung und den eindringlichen, erschütternden Schilderungen einiges ab und lässt ihn nach der Lektüre äußerst berührt und innerlich aufgewühlt zurück.


Stil und Sprache
Im ersten Teil des Romans wechseln sich die mit „Davor“ und „Danach“ überschriebenen Kapitel ab, in denen die beiden Hauptfiguren, die Zwillingsschwestern Hephzi und Rebecca, als Ich-Erzählerinnen jeweils zu Wort kommen. So hat der Leser unmittelbar teil an ihren Emotionen und Gefühlen und kann sich mühelos in beide Mädchen und besser in ihr Verhalten hineinversetzen. Aus Hephzis Perspektive erhält man Einblick in ihr Leben und die Geschehnisse vor ihrem tragischen Tod, während Rebecca aus ihrer „Danach“-Sicht über den Fortgang der Ereignisse in der Gegenwart berichtet, in die Vergangenheit zurückblickt und im zweiten Teil des Romans schließlich ihre berührende Geschichte alleine zu Ende führt.

Der Schreibstil der Autorin lässt sich trotz der bedrückenden Schwere der Thematik flüssig und angenehm lesen. Hervorragend hat sie Erzählstil und Ausdrucksweise in den unterschiedlichen Perspektiven den beiden so verschiedenen Charakteren der Schwestern angepasst, so dass jede eine eigene, unverwechselbare Stimme bekommt.

Durch verschiedene unheilvolle Andeutungen bereits zu Anfang von Rebeccas Erzählung beschleicht den Leser schon bald das mulmige Gefühl, dass die Umstände von Hephzis Tod auf schicksalhafte Weise mit ihrem streng gläubigen Elternhaus zusammenhängen. Erst allmählich lüften sich die Ereignisse aus der Vergangenheit und auf sehr subtile Weise enthüllt die Autorin dem Leser, wie es zu dieser Tragödie kommen konnte und welche unfassbaren Qualen die beiden Mädchen durchleiden mussten. Ohne die verschiedenen Facetten der väterlichen Übergriffe im Detail zu beschreiben, gelingt es Louisa Reid durch ihre sehr authentischen, eindringlichen und schonungslosen Schilderungen, den Leser bis ins Innerste zu erschüttern. Tief bewegt beginnt man das Ausmaß der perfiden seelischen Misshandlungen, der brutalen Gewaltausbrüche bis hin zum Missbrauch der eigenen Tochter zu erfassen und ist schockiert über die Tatenlosigkeit der Mutter, die ihre Augen vor dem Leid ihrer Töchter verschließt und ihnen nicht beisteht. Hierbei übt die Autorin auch Kritik an der ignoranten, verlogenen Gesellschaft, die trotz augenfälliger Zeichen nicht einschreitet und durch ihr Abwenden und Verleugnen den schutzlosen Betroffenen jegliche Hilfe verweigert.

Lange Zeit ist unklar, welches Schicksal die Autorin für ihre Hauptfigur Rebecca bereit hält und hofft inständig auf einen Hoffnungsschimmer und das mutige Einschreiten Außenstehender, so dass sie ihrem Martyrium endlich entrinnen kann.


Figuren
Hauptfiguren des Romans sind die beiden 16-jährigen Zwillingsschwestern Rebecca und Hephzibah, deren Charaktere die Autorin mit ihren Unterschieden, aber auch ihren Ähnlichkeiten sehr vielschichtig ausgearbeitet hat. Mit ihrer einfühlsamen Schreibweise schafft es die Autorin, die oft extreme Gefühlslage der Zwillinge, ihre Beweggründe und Handlungen sehr überzeugend und nachvollziehbar darzustellen und großes Mitgefühl für sie zu wecken. Sehr empathisch beschreibt sie ihre wenigen Momente des Glücks und ihr verzweifeltes Ringen um Normalität in ihrem albtraumhaften Alltag, der absolut nichts mit dem normaler Teenager gemein hat. Hervorragend hat Reid die sehr komplizierte Beziehung der beiden zueinander in all ihren Facetten herausgearbeitet - einerseits in ihrem großen Martyrium enge Verbündete gegen ihre lieblosen Eltern, sind sie andererseits hin- und hergerissen zwischen Hass, Wut, Aufbegehren, Lethargie und Resignation. 

Hephzibah ist die hübschere, willensstärkere und beliebtere der beiden Schwester, die gegen den sadistischen, gewalttätigen Vater und ihre unfassbar gefühlskalte Mutter zu rebellieren beginnt und die Chance nutzt, aus dem elterlichen Gefängnis auszubrechen. Es fällt nicht schwer, sich in ihre Gefühle und inneren Konflikte hineinzuversetzen, auch wenn man ihre Gehässigkeiten ihrer Schwester gegenüber oft nicht billigen kann.

Die gehemmte, sehr introvertierte Rebecca hingegen ist das genaue Gegenteil zu ihrer aufgeweckten Schwester, versteckt sich als hässliche Außenseiterin gerne in deren Schatten und flüchtet sich heimlich in die Welt der Bücher. Wegen einer seltenen Erbkrankheit, dem Treacher-Collins-Syndrom, ist sie durch Knochenfehlbildungen im Gesicht entstellt und beinahe taub. In ihrem Elternhaus erfährt sie nur Ablehnung und Verachtung und wird häufig Opfer der gewalttätigen Attacken ihres Vaters. Die unfassbar beklemmenden und dennoch glaubwürdigen Schilderungen, was sie in ihrem Leben schon alles hat ertragen müssen, berühren und erwecken unendliches Mitleid mit ihr. Zugleich bewundert man ihre ungebrochene Kraft, Zuversicht und ihren Willen, ihre Schwester immer wieder zu beschützen.

Sehr feinfühlig hat die Autorin auch die zwei Gesichter des Vaters herausgearbeitet, der sich einerseits in der Öffentlichkeit als freundlicher, einfühlsamer und tiefgläubiger Mann Gottes präsentiert und andererseits als regelrechter Psychopath und Herr des Hauses die absolute Macht und Kontrolle über seine Familie ausübt.


Aufmachung des Buches
Das eher düster gehaltene Cover dieses gebundenen Romans ist mit seinen Licht- und Farbeffekten sehr ansprechend. Das Titelbild des Schutzumschlags zeigt die Rückenansicht eines jungen Mädchens mit Regenschirm, das auf einem Friedhof vor einem Grabstein steht. Die unheilvolle Stimmung des Buches ist mit dem Cover sehr gut eingefangen und macht neugierig auf den Inhalt.

Untergliedert ist der Roman in zwei Teile und am Ende des Buchs findet sich eine kurze Danksagung der Autorin.


Fazit
„In deinem Licht und Schatten“ ist ein tiefgründiger, anspruchsvoller Jugendroman mit einer schwierigen Thematik, die von der Autorin sehr einfühlend und eindringlich umgesetzt wird. Ein berührendes, erschütterndes und nachdenklich stimmendes Buch, das einem sehr unter die Haut geht. Keine leichte, unterhaltsame Lektüre - und dennoch äußerst lesenswert.


4 5 Sterne


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