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Hallo, Herr Werner, danke, dass Sie sich die Zeit für ein Interview nehmen.
Sie haben Germanistik und Geschichte studiert und waren bisher als Redakteur und Drehbuchautor tätig. Wie sind Sie dazu gekommen, nun einen Roman zu schreiben?

Ehrlich gesagt, war es umgekehrt: Ich habe schon Romane geschrieben, bevor ich überhaupt wusste, wie ein Drehbuch aussieht. Nur waren das Romane, die nicht veröffentlicht worden sind. Und das zu Recht.


Ich stelle mir vor, dass es eine völlig andere Sache ist, einen kompletten Roman zu schreiben, als Drehbücher z.B. für Comedy-Serien zu verfassen. Ist Ihnen die Umstellung schwer gefallen?

Nein, gar nicht. Die Welt des Romans war mir immer die vertrautere. Aber durch das erlernte journalistische und dramaturgische Handwerk ist mir das Romanschreiben später viel leichter gefallen.


Als Headwriter bleibt man mit seiner Arbeit für das Publikum ja eher im Hintergrund. Wie ist es dann jetzt für Sie, das erste Buch mit dem eigenen Namen auf dem Titel in den Buchhandlungen liegen zu sehen?

Das ist ein fast unwirkliches Glücksgefühl. Jeder unveröffentlichte Autor – das unterstelle ich jetzt einfach mal – malt sich diesen Augenblick immer wieder aus. Und wenn er dann da ist, schwankt man zwischen Stolz, Glück und Angst. Die Angst rührt von den endlosen Tischen mit den unzähligen anderen Neuerscheinungen her, zwischen denen man unterzugehen droht. Trotzdem: Das Glücksgefühl überwiegt.


„Hölle, all inclusive“ spielt zum großen Teil auf der Insel Gran Canaria, Ihr Roman zeugt dabei von einer detaillierten Ortskenntnis. Wie haben Sie dazu recherchiert? Haben Sie vielleicht eine persönliche Beziehung zur Insel?

Nein, eine persönliche Beziehung hatte ich nicht. Aber jetzt habe ich sie. Diese Insel werde ich wohl mein Leben lang nicht mehr vergessen … Recherchiert habe ich zweimal für mehrere Wochen vor Ort. Einmal vorm Schreiben der ersten Fassung, dann noch mal zwischen zweiter und dritter Fassung, um alles erneut zu prüfen und einige Details nachzurecherchieren.
Ich finde es wichtig, wenn der Leser das Gefühl hat: „Mensch, das hat ja alles Hand und Fuß, das wirkt so echt und real.“ Man muss vielleicht nicht unbedingt die Wege „abgehen“ können (wobei man das in diesem Fall oft könnte …), aber es vergrößert den Lesespaß, wenn zumindest die Außenwände der fiktiven Welt aus echtem Holz gezimmert sind. Außerdem: Wenn man in seiner Geschichte einen existierenden Ort wählt und auch einige seiner Charakteristika benutzt, dann sollten die Fakten stimmen. Eine gewisse journalistische Sorgfalt ist da einfach Pflicht, finde ich.
Im Detail sah die Recherche so aus, dass ich, ähnlich wie mein Protagonist Kretsche, einen Waschzettel hatte, auf dem alles aufgelistet war, was besucht, beschrieben, fotografiert, erfragt und untersucht werden musste. Das habe ich mehr oder weniger „abgehakt“. Außerdem gehörte dazu natürlich die existentielle Erfahrung des Lebens als All-Inclusive-Pauschaltourist. Und das war, ganz ehrlich, eine ebenso amüsante wie angenehme Recherche! So wie Gran Canaria überhaupt eine sehr schöne Insel mit phantastischen Landschaften ist. Da können sogar die oft schlimmen Auswüchse des Tourismus’ nichts dran ändern. Aber selbst die haben ja, wie man nachlesen kann, ihre lustigen und spannenden Seiten.


Wie sind Sie an „Hölle, all inclusive“ herangegangen? Haben Sie im Vorfeld z.B. genau die Handlungsstränge festgelegt oder schreiben Sie einfach drauflos?

Ich bin es als Drehbuchautor gewohnt, niemals einfach drauflos zu schreiben. Das ginge im TV-Bereich auch gar nicht. Ich habe vor der eigentlichen Romanarbeit intensiv am Grundkonzept, dann an einem Exposé gearbeitet, das ich zunächst mit meiner Agentin, später mit meinem Lektor besprochen habe. In diesem Exposé sind grob die Handlungsstränge, die Grundkonflikte, die Hauptpersonen - ja, vor allem Anfang, Mitte und Ende des Romans skizziert. Das Exposé hilft später ungemein, auch unter Zeitdruck nie den Faden zu verlieren und immer weiter machen zu können. Man schreibt auf ein Ziel hin, weiß, wie es weitergeht.
Das klassische „Die Figuren entwickeln ein Eigenleben“ oder „Puzzlesteine fallen plötzlich aufeinander“ oder „Ungeahnte Wendungen entstanden wie von selbst“ gibt es dabei natürlich auch. Und das ist der größte Spaß von allem: man wird von seiner Geschichte mitgerissen!


Wie lange haben Sie an Ihrem Roman alles in allem gearbeitet?

Vom ersten Konzept bis zur Abgabe der letzten Fassung sind ziemlich genau elf Monate vergangen. Eine Höllenzeit, da ich wegen meines Jobs als Headwriter nur abends oder nachts sowie an den Wochenenden und im Urlaub schreiben konnte. Das war nach dem täglichen Drehbuch-Pensum, bei dem natürlich niemals die Qualität und die kreative Energie leiden durften, echte Plackerei. Aber irgendwann ist man „in the zone“ und das Ganze wird eine Routine wie der tägliche Dauerlauf (nicht, dass ich den etwa absolvieren würde …). Zeit für Kinobesuche, Freunde und Familie blieb allerdings kaum. Und wenn, dann nur mithilfe eines straffen Wochenplans – und meiner Freundin, die mir all die Monate den Rücken frei gehalten hat.


Man könnte vermuten, dass Ihre Hauptfigur Kretsche möglicherweise autobiographische Züge trägt, seine berufliche Ausrichtung ähnelt der Ihren zumindest in groben Zügen. Inwieweit haben persönliche Erlebnisse und Erfahrungen eine Rolle in „Hölle, all inclusive“ gespielt? Gibt es z.B. Figuren, die Sie lebenden Vorbildern nachempfunden haben?

Zu allem ein kategorisches Nein! Okay …jein! Ich habe ganz bewusst, keine einzige Figur lebenden Vorbildern nachgeahmt. So was führt meist eh nur zu Unfrieden. Aber klar, irgendwo und irgendwie taucht immer mal ein Erlebnis oder eine Eigenart auf, die mit mir und meinem Leben zumindest entfernt zu tun hat. Außerdem sind einige der Randfiguren Skizzen von Leuten, die ich auf Gran Canaria erlebt habe. Aber die kenne ich ja nicht wirklich.
Das gilt übrigens auch für die berufliche Welt. Zwar habe ich schon von verschiedenen Seiten gehört: „Hey, das kenn ich genau so!“ Aber weder die beschriebene Firma noch die Kollegen existieren.


Wie würden Sie damit umgehen, wenn „Hölle, all inclusive“ von Kritikern „verrissen“ würde? Stört es Sie, dass sogenannte „Unterhaltungsromane“ nicht immer als literarisch hochwertig angesehen werden?

Schlechte Kritiken verursachen Magenschmerzen. Wirklich, ich will jetzt keine Plattitüden abliefern wie: „Schlechte Kritiken lese ich nicht“ oder „Sie bedeuten mir nichts.“ Ich schreibe, weil ich die Leser unterhalten will, sie überraschen; ich will dass sie mitleiden, sich mitfreuen und am liebsten das Buch nicht mehr zur Seite legen. Natürlich trifft es, wenn jemand dann monate- oder jahrelange harte Arbeit abtut, verreißt oder schlecht macht. Alles andere wäre gelogen.
Die Abwertung der „Unterhaltung“ ist ein kompliziertes Thema. Das fängt damit an, dass letztlich alles unterhalten kann – das hängt ganz vom Konsumenten ab. Aber ich weiß, worauf Sie hinaus wollen. Deshalb: Nein, es stört mich nicht wirklich, solange es viele Menschen gibt, denen meine Unterhaltung Vergnügen bereitet. Sollten die mal ausbleiben, würde ich auch ernsthaft nachdenken …
Ich glaube, dass auch Kritiker verstehen, wie viel Arbeit, dramaturgisches Können und schreiberisches Geschick in einer guten und vielleicht sogar „einfach“ wirkenden Geschichte stecken, aber was sollten sie dazu schreiben, außer: „Sehr unterhaltsam – bitte lesen!“


Planen Sie, einen weiteren Roman zu schreiben? Wenn ja, soll dieser thematisch in eine ähnliche Richtung gehen wie „Hölle, all inclusive“ oder würden Sie gern etwas ganz anderes schreiben?

Ich bin mitten in der konzeptionellen Planung des nächsten Romans. Er wird zwar wieder an ein paar ganz besonderen Schauplätzen spielen, hat aber nichts mit dem Thema „Urlaub“ zu tun. Aber es wird eine ziemlich turbulente und verrückte Story.


Was lesen Sie selbst am liebsten? Haben Sie einen Lieblingsautor oder ein Lieblingsgenre?

Da gibt es viele. Aber einer meiner absoluten Lieblingsautoren ist John Irving (besonders seine ersten Romane). Sein Stil, sein erzählerischer Atem, die sprachliche Phantasie und Charakterzeichnung - das ist einfach großartig. Und wenn einer „Literatur“ und „Unterhaltung“ zusammenbringt, dann er.


Ich danke Ihnen für das Interview!

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