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Wir schreiben das Jahr 1924. Auf der Nordostseite des Mount Everest machen sich die beiden britischen Bergsteiger George Mallory und Andrew Irvine auf den Weg zum Gipfel – und verschwinden spurlos.
Bis heute weiß man nicht, was damals geschehen ist. Führten die schlechten Wetterbedingungen zum Scheitern der Expedition? Lag es an der mangelnden Ausrüstung der beiden Bergsteiger? Oder war vielleicht etwas dort oben bei ihnen auf dem Berg?
Etwas Tödliches ...

 

Der Berg 

Originaltitel: The Abominable
Autor: Dan Simmons
Übersetzer: Friedrich Mader
Verlag: Heyne
Erschienen: 26. Mai 2014
ISBN: 978-3-453268968
Seitenzahl: 768 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Viele Mythen und Legenden zirkulieren über die vermeintliche Erstbesteigung des Mount Everest im Jahre 1924 durch George Mallory und Andrew Irvine und ihren tragischen Tod. Der britische Bergsteiger Richard Deacon beschließt, im Folgejahr mit zwei befreundeten Kameraden zu einer weiteren Mount Everest-Expedition aufzubrechen, um endlich das Schicksal der beiden Verschwundenen aufzuklären. Doch zugleich möchte er auch seinem geheimen Traum näher kommen und endlich den höchsten Berg der Welt besteigen.

Mit seinem historischen Roman „Der Berg“ greift der amerikanische Bestseller-Autor Dan Simmons ein faszinierendes, historisches Ereignis auf. Dieses vermischt er gekonnt mit akribisch recherchierten Hintergrundinformationen und seiner fiktiven Geschichte zu einem packenden Leseabenteuer rund um den legendären Mount Everest.


Stil und Sprache
Der Autor Dan Simmons  versteht es, den Leser bereits mit seinem ausführlichen Vorwort zu fesseln, in dem er über sein Treffen mit dem alten Bergsteiger Jake Perry im Rahmen von Recherchen berichtet und seinem Vorhaben, die ihm erst Jahre später überlassenen Manuskripte über Perrys Expedition am Mount Everest zu veröffentlichen. Diese authentisch wirkende Rahmenhandlung stellt einen cleveren Auftakt zu einem vielschichtig angelegten und äußerst fesselnden Leseerlebnis dar. Die in drei Teile untergliederte Handlung ist aus der Perspektive des Ich-Erzählers Jacob Perry in der ersten Person geschrieben und basiert auf seinen (fiktiven) Notizbüchern und Memoiren.

Das mysteriöse Verschwinden der beiden britischen Bergsteiger Mallory und Irvine am Mount Everest im Jahr 1924 nutzt Simmons sehr geschickt als Aufhänger für seinen neuesten Roman und spinnt aus diesem historisch verbürgten Ereignis ein äußerst fantasiereiches und abenteuerliches Bergsteiger-Epos. Vor dem hervorragend recherchierten, historischen Hintergrund versteht er es meisterlich, Wahrheit, Fakten und Fiktion derart gekonnt zu vermischen, dass man sich als Leser des Öfteren in einem autobiographischen Roman wähnt.
Die detaillierten Schilderungen zum allgemeinen historischen Umfeld der Bergsteigerei, den akribischen Expeditionsvorbereitungen und Hintergründen der Reise wirken zwar sehr authentisch und führen die Charaktere überzeugend ein, doch sind sie viel zu ausschweifend geraten und werden eher Leser mit großem Interesse am Alpinismus begeistern. So muss man für den gesamten ersten Teil schon viel Geduld aufbringen, bis sich dann endlich Deacon mit seinen beiden Kletterfreunden Richtung Himalaja aufmacht und die eigentliche Expedition starten kann. Mit seinen detaillierten Beschreibungen der Bergwelt gelingt es Simmons, dem Leser die einzigartige, beeindruckende Atmosphäre und den besonderen Mythos des Mount Everest zu vermitteln.

Sehr anschaulich und packend beschreibt Simmons die physischen und psychischen Belastungen, denen ein jeder bei der Besteigung des Mount Everest in der Todeszone ausgesetzt ist. Die ausführlich geschilderten Widrigkeiten und tragischen Rückschläge, mit denen sie permanent zu kämpfen haben, lassen den Leser gebannt mitzittern und um die Teilnehmer und den Erfolg der Expedition bangen. Obwohl rätselhafte Verwicklungen und unvorhersehbare Wendungen für Abwechslung sorgen, schreitet das Geschehen auch im zweiten Teil der Geschichte sehr gemächlich voran. Durch eine latent angespannte Stimmung, die sich sehr unheilvoll und unterschwellig bedrohlich auf die Ereignisse legt, versteht es der Autor dennoch den Leser ungemein zu fesseln.
Mit Thriller- und Mysteryelementen versucht Simmons im letzten Teil seine Erzählung noch spannender zu gestalten und ihr durch eine weitere Hintergrundgeschichte zusätzliche Würze zu verleihen. Zum überraschenden Finale hin gewinnt die packende Handlung so zusehends an Tempo und die sich überstürzenden Ereignisse nehmen an Dramatik immer weiter zu. Was sich dann aber hinter der mysteriös angelegten Geschichte von hoher weltpolitischer Brisanz verbirgt, empfinde ich allerdings als derart abwegig und konstruiert, dass ich im Großen und Ganzen enttäuscht über die unglaubwürdigen Enthüllungen am Ende war.


Figuren
Eine große Stärke des Autors sind seine äußerst lebendig und facettenreich ausgearbeiteten Hauptfiguren Richard David Deacon, Jacob Williams Perry und Jean-Claude Clairoux, deren Handlungen und unterschiedliche Beweggründe während der Expedition sehr nachvollziehbar dargestellt sind. 

Die drei miteinander befreundeten Bergsteiger gehören zu den typischen abenteurerlustigen und risikobereiten Alpinisten jener Zeit, denen ein besonderer Lebenstraum gemeinsam ist, für den es sich sogar lohnt, sein Leben aufs Spiel zu setzen: die Besteigung des Mount Everest, dem legendären, nahezu unbezwingbaren Achttausender im Himalaja. Sehr eindringlich gelingt es Simmons, ihre gemeinsame Faszination und Besessenheit von diesem Berg aufzuzeigen, die sie trotz charakterlicher Gegensätze schließlich zu einer eingeschworenen Schicksalsgemeinschaft im Überlebenskampf am Berg zusammenwachsen lassen.
Führender Kopf der Expedition ist der ältere, erfahrene Brite Richard Deacon, von allen auch respektvoll „Der Diakon“ genannt. Er wird als ein sehr zuverlässiger, unverzichtbarer und hoch ambitionierter Bergsteiger dargestellt, der allerdings mit seiner überlegenen und unnahbaren Art ein wenig unsympathisch und manchmal sogar suspekt wirkte. Sehr viel offener und umgänglicher ist der Franzose Jean-Claude, der im Team als geschickter und einfallsreicher Tüftler unverzichtbar ist.

Mit dem sympathischen Ich-Erzähler, dem Amerikaner Jake Perry, hat der Autor eine interessante, tiefgründige Figur geschaffen. Im Einleitungsteil lernen wir ihn als alten, von seiner Krebserkrankung gezeichneten Mann kennen, der uns rückblickend in Form seiner Tagebücher, Aufzeichnungen und Erinnerungen am großartigsten Abenteuer seines Lebens teilhaben lässt. Sehr faszinierend ist es, den jungen Perry als unreifen und naiven Kletterer zu erleben, an seinen Emotionen, inneren Konflikten und körperlichen Leiden teilzuhaben. Glaubwürdig und fesselnd schildert Simmons seine charakterliche Entwicklung während der einschneidenden Ereignisse am Mount Everest, die sein weiteres Leben so nachhaltig geprägt haben.
Etwas unglaubwürdig und überzeichnet für die damalige Zeit wirkt hingegen die weibliche Hauptfigur Regina Bromley-Montford, die als Expeditionsleiterin die drei Bergsteiger mit ihrem indischen Leibarzt Dr. Pasang begleitet. Mit ihren Attributen bildschön, hochintelligent, schlagfertig, sehr selbstbewusst und darüber hinaus auch noch eine wohlhabende Witwe sowie ortskundige und erfahrene Bergsteigerin hat Simmons es doch etwas sehr übertrieben.


Aufmachung des Buches
Sehr ansprechend ist die Gestaltung des gebundenen Buchs mit Schutzumschlag und grauem Lesebändchen. Das farblich dezent in Grautönen gehaltene Cover fängt mit dem winzig kleinen Bergsteiger in der unwirtlichen und teilweise in Nebel gehüllten Berglandschaft sehr gut die Stimmung der Expedition am Mount Everest ein. Das rötliche, offenbar von einem Leuchtsignal stammende Glimmen am unteren Bildrand gibt der Szenerie eine unheimliche und bedrohliche Note und macht den Leser neugierig auf die Geschichte. 

Der Roman besteht aus den drei unterschiedlich gestalteten Teilen „Die Kletterer“, „Die Expedition“ und „Der Berg“, die ihrerseits in zahlreiche Kapitel untergliedert sind. Die vorangestellte Einleitung und das am Ende befindliche, kurze Nachwort von Dan Simmons gehören ebenfalls zur fiktiven Rahmenhandlung des Romans.
Auf eine Übersichtskarte zur Topographie des Mount Everest mit dem eingezeichneten Verlauf der beschriebenen Touren sowie einer Kennzeichnung der verschiedenen Lager und markanten Bergformationen wurde leider verzichtet.


Fazit
Mit seinem neuesten historischen Roman ist Dan Simmons trotz einiger Schwächen ein sehr packendes und abenteuerliches Bergsteiger-Epos rund um die Erstbesteigung des Mount Everest gelungen. Mit faszinierenden Charakteren, hervorragend recherchierten Hintergrundinformationen und einer einzigartigen Atmosphäre ist Simmons zwar kein absolutes Meisterwerk, aber dennoch ein lesenswertes und äußerst unterhaltsames Buch gelungen.


4 Sterne


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