Als die beiden Schwestern Summer und Bird eines Morgens aufwachen, spüren sie die Kälte und Stille im Haus: Ihre Eltern sind verschwunden! Ein Bilderrätsel leitet sie durch ein Tor in eine Welt voller Magie und phantastischer Geschöpfe. Die beiden Mädchen ahnen nicht, dass ihre Mutter einst die Königin der Vögel war und aus Liebe zu einem Mann Menschengestalt angenommen hatte.
Eine der Schwestern wird die neue Königin der Vögel werden. Aber zuvor muss sie ihre Gegnerin, die machthungrige Puppenspielerin, bezwingen.
Originaltitel: Summer and Bird |
Die Grundidee der Handlung
Als Summer und Bird morgens aufwachen, spüren sie sofort, dass etwas nicht stimmt. Ihr Elternhaus fühlt sich kalt und leer an; tatsächlich sind sie allein. Auf der Suche nach ihren Eltern wagen die Mädchen sich weiter in den Wald hinein als je zuvor, ohne zu ahnen, dass sie damit nicht nur ihren Eltern, sondern auch der mächtigen Puppenspielerin immer näher kommen. Schuldgefühle treiben sie weiter und als sich ihre Wege schließlich trennen, nimmt der düstere Plan der Puppenspielerin ihren Lauf. Denn die Königin der Vögel ist zurück in ihrer angestammten Welt und damit das Ziel der Puppenspielerin in greifbarer Nähe. Werden zwei junge Mädchen sie aufhalten können? Werden sie es überhaupt wollen, wenn sie erst die ganze Geschichte kennen?
Katherine Catmull taucht in „Vogelherz“ tief in die Welt der Vögel ein und baut um einige alte Legenden geschickt eine phantastische Welt auf, die es nun für Bird und Summer zu entdecken gilt. Leider verstrickt sie sich dabei jedoch in zu vielen Details und Andeutungen, sodass ihre Geschichte zwar wie ein Märchen wirkt, aber leider nicht immer spannende Unterhaltung bietet. Eine grandiose Grundidee verläuft so ein wenig zwischen den Seiten und konnte mich nicht vollends überzeugen.
Stil und Sprache
Katherine Catmull nutzt für „Vogelherz“ eine auktoriale Erzählperspektive. Der Erzähler scheint allwissend über der Handlung zu stehen und berichtet in der dritten Person Singular über das Abenteuer der Geschwister. Das hat den Vorteil, dass die verschiedensten Sichtweisen in die Handlung eingebracht werden, da der Erzähler ja die Gedanken aller Personen kennt. Den Hauptanteil nehmen dabei Summer und Bird ein, aber auch die Puppenspielerin, einige begleitende Vögel und sonstige Nebenfiguren stehen ab und zu im Fokus. Dem Leser werden so verschiedenste Einblicke in die Geschichte geboten und die Autorin versucht, mit geschickt eingestreuten Voraus- und Rückblenden auch die Spannung zu erhöhen. Leider ist der auktoriale Erzählstil jedoch überhaupt nicht mein Fall und hat mir den Einstieg in die Handlung erheblich erschwert. Durch die übergeordnete Betrachtungsweise, die ständigen Perspektivenwechsel und nicht zuletzt die zeitlichen Sprünge konnte ich mich sehr lange nicht in die Geschichte einfühlen – so lange, dass ich das Buch, wenn es kein Rezensionsexemplar gewesen wäre, sicher wieder zur Seite gelegt hätte. Unter der fehlenden Identifikation mit Handlung und Charakteren litt natürlich auch die Spannung. Die Grundgeschichte – Kinder wachen allein im Haus auf und machen sich in einer phantastischen Welt auf die Suche nach ihren Eltern – fand ich sehr überzeugend und auch die Puppenspielerin als Gegenpart war beängstigend genug, aber viel zu lange fehlten mir der Fokus und das Ziel der Handlung. Zusätzlich waren die Zeitsprünge in der Erzählung verwirrend und haben teilweise unbeabsichtigt Spannung rausgenommen statt aufgebaut. Nach und nach wurde das Lesen aber angenehmer und auch wenn es bis zum Schluss nur wenige Momente gab, die mich wirklich fesseln konnten, so gab es doch zumindest ab der Hälfte des Buches ein erkennbares Ziel der Handlung. Die Beziehung der Familienmitglieder zueinander und besonders die enttäuschten Hoffnungen ineinander stehen klar im Fokus und gar nicht so sehr der Kampf um die Stelle der Vogelkönigin. Dementsprechend war die Handlung für mich auch mehr der Spiegel einer Familie als ein fantastisches Abenteuer. Das Ende passt zur Grundstimmung des Romans und ist entsprechend kein perfektes Happy End, aber doch sehr stimmig.
Tja, die Grundstimmung, die war sicher auch ein Grund, warum ich mich mit „Vogelherz“ nicht so ganz anfreunden konnte. Nach einem kurzen Abschnitt, in dem die Welt noch in Ordnung ist, ganz am Anfang, gab es gefühlt keinen einzigen Moment, in dem die Charaktere glücklich sind und die Grundstimmung positiv. Stattdessen trübt immer irgendeine Angst, ein sonstiges negatives Gefühl oder eine akute Gefahr die Stimmung. Das ist sicher so gewollt und ich hab keinen Zweifel daran, dass es Leser gibt, denen gerade diese Melancholie gefällt, aber mir fehlte auf den mehr als vierhundert Seiten einfach ein Lichtblick.
Das Highlight von „Vogelherz“ ist der Schreibstil von Katherine Catmull. So sehr mich die Handlung zwischenzeitlich enttäuscht hat, der Schreibstil war durchgängig einfach nur zauberhaft. Sie beschreibt selbst die banalsten Ereignisse mit unglaublich poetischen, bildgewaltigen Worten, sodass man sich die neue Welt und den Weg der beiden Schwestern wunderbar vorstellen kann. Ganz besonders die vielschichtige Welt der Vögel und die Schönheit der Natur, durchaus auch in all ihrer Grausamkeit, fängt sie wunderbar ein und gibt ihrem Roman damit zweifellos den gewünschten märchenhaften Anstrich. Zu keiner Zeit erwähnt sie Dinge einfach nur, sondern sie gibt ihnen immer den passenden Vergleich mit und spinnt im besten Fall auch noch eine kleine Geschichte drum herum. Sehr schön!
Ein weiterer Pluspunkt des Romans ist die vielschichtig ausgearbeitete Fantasy-Welt mit all den dahinter liegenden Legenden und Geschichten. Eine Welt, in der Vögel sprechen können, in der allerhand Magie möglich ist und die schließlich in einer Art Paradies gipfelt. Die Ideen, die Katherine Catmull da verarbeitet hat, sind wirklich beeindruckend. Ich hätte mir aber noch eine stärkere Abgrenzung zwischen unserer Welt und dieser gewünscht, der magische Aspekt kam zum Beispiel ein wenig zu kurz und wurde nur am Rande erwähnt.
Figuren
Die Schwestern Summer und Bird nehmen die Hauptrollen in „Vogelherz“ ein und könnten trotz der direkten Verwandtschaft nicht unterschiedlicher sein. Während Summer, die ältere der beiden, klar strukturiert und logisch an die Suche herangeht, ist Bird eher ein rein impulsiver, kreativer Typ. Gemeinsam machen sie sich auf den Weg, trennen sich aber schon nach kurzer Zeit und stellen sich alleine den äußeren Feinden und inneren Zweifeln. Katherine Catmull ist es sehr gut gelungen, die beiden Schwestern dreidimensional aufzubauen und besonders ihre Zweifel und der Neid, den beide aus unterschiedlichen Gründen empfinden, lassen sie sehr real wirken. Leider erschweren insbesondere ihre Schwächen aber die Identifikation mit den beiden. Der auktoriale Erzählstil macht das sowieso schon nicht einfach und dann kommen besonders bei Bird auch noch so viele negative Gedanken dazu, dass sie mir einfach über weite Strecken unsympathisch war. Das lag sicher auch daran, dass man oft eben nicht die verletzlichen jungen Mädchen gesehen hat, sondern sehr erwachsen auftretende Wesen, denen man Charakterschwächen wie Neid einfach nicht so schnell nachsieht. Dieser Eindruck sehr erwachsener Jugendlicher rührt keineswegs aus ihren Handlungen, denen merkt man das kindliche Alter oft genug an, sondern aus der schier unendlichen Belastbarkeit der Mädchen. Sie überleben Kälte, Tage ohne Essen und Einsamkeit und schaffen es nebenbei sogar noch, sich tausend Gedanken über sich selbst und ihre Gefühle zu machen. Das war mir ein wenig zu unglaubwürdig, zumal es nicht nachvollziehbar mit der magischen Welt begründet wurde. Diese Kritik trifft auf Bird deutlich stärker zu als auf ihre große Schwester; Summer hab ich deutlich schneller ins Herz geschlossen und sie blieb mir auch bis zum Schluss sehr sympathisch.
Die Erwachsenen der Geschichte, allen voran die Eltern der Schwestern, waren für mich deutlich zu passiv. Insbesondere der Vater spielt eine völlig untergeordnete Rolle und macht zu keiner Zeit einen organisierten, helfenden Eindruck – Eigenschaften, die Summer eigentlich von ihm geerbt haben soll. Stattdessen läuft er dem Geschehen meistens nur hinterher und kann seinen beiden Mädchen somit keine Sicherheit bieten. Dahingegen fand ich die Mutter der Mädchen glaubwürdig getroffen. Sie ist zwar auch sehr schwach, aber bei ihr wird das überzeugend begründet und passt vollkommen zu ihrer Rolle. Noch besser hat mir nur die Puppenspielerin gefallen, die eine absolut überzeugende, beängstigende Gegenspielerin war. Die Szenen mit ihr machen einen Großteil der Spannung des Buches aus, sind meiner Meinung nach allerdings nicht alle für Kinder ab 10 Jahren, dem empfohlenen Alter des Buches, geeignet. Die verschiedenen sonstigen Nebenfiguren, allen voran die unterschiedlichen Vögel, machen das Buch interessant und geben ihm einen Teil des Zaubers.
Aufmachung des Buches
Das Cover von „Vogelherz“ ist meiner Meinung nach eines der schönsten der diesjährigen Herbst-Veröffentlichungen. Die dargestellten Vögel sind wunderschön gezeichnet, passen perfekt zur Handlung und wirken vor dem cremefarbenen Hintergrund und den rankenden Ästen so märchenhaft wie der Schreibstil von Katherine Catmull. Die zurückhaltenden, gedeckten Farben spiegeln zusätzlich die melancholische Grundstimmung wieder. Wirklich wunderschön und sehr passend. Auch dass der Roman als Hardcover mit Schutzumschlag erschien und mit der Goldprägung des Titels relativ edel wirkt, gefällt mir gut. Im Buchinneren sind zu jedem Kapitelanfang Ranken mit weiteren Vögeln abgebildet. Alles in Allem eine sehr schöne und stimmige Gestaltung!
Fazit
„Vogelherz“ von Katherine Catmull ist sicher ein märchenhafter Jugendroman, der viele Fans finden wird, nur leider hat er meinen Lesegeschmack nicht getroffen. Die kontinuierlich melancholische Stimmung, der für mich ungreifbare auktoriale Erzählstil und der fehlende Fokus der Handlung haben für mich das Buch besonders am Anfang zu einer sehr anstrengenden und wenig unterhaltsamen Lektüre gemacht. Wirklich begeistern konnte mich letztendlich nur der herausragende Schreibstil der Autorin.
Hinweise
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