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Brunetti auf den Spuren von jemand, der keine hinterlassen hat: Alle kannten ihn, doch niemand wollte genaueres wissen über jenen jungen Mann, der sich stumm und wohl auch taub im Hintergrund hielt in der Reinigung bei den Brunettis um die Ecke – bis man ihn mit den Füßen voran aus seiner Wohnung trug. Da gibt Paola keine Ruhe, bis Brunetti der Sache nachgeht.

 

Das goldene Ei 

Originaltitel: The golden egg
Autor: Donna Leon
Übersetzer: Werner Schmitz
Verlag: Diogenes Verlag
Erschienen: Mai 2014
ISBN: 978-3257068917
Seitenzahl: 313 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Donna Leon ist seit Brunettis erstem Fall Venezianisches Finale vor 22 Jahren nicht mehr aus der Krimifangemeinde wegzudenken. Wie in all ihren Romanen legt sie ihren Finger in eine klaffende gesellschaftliche Wunde, an deren Anblick sich die Allgemeinheit schon längst gewöhnt hat. Donna Leons neueste Herausforderung an den Leser ist, sich vorführen zu lassen, wie gleichgültig wir unseren Mitmenschen gegenüber geworden sind. Das goldene Ei beleuchtet nicht nur italienische Befindlichkeiten, sie betreffen die gesamte westliche Zivilgesellschaft.

Erschüttert durch den vermeintlichen Selbstmord eines gehörlosen und geistig behinderten Mannes, drängt Paola ihren Mann Nachforschungen anzustellen. Aber umso mehr Brunetti versucht, etwas über die Herkunft Davide Cavanellas in Erfahrung zu bringen, desto weniger findet er. Davide ist weder in den standesamtlichen Urkunden registriert, noch hat er einen Personalausweis, es gibt keine Krankenakte, seine Mutter Ana erhielt keine staatliche Hilfe für ihren behinderten Sohn. Der Fall wird immer rätselhafter. Nach Anas letzter Anstellung schien sie nicht mehr gearbeitet zu haben und lebte zusammen mit Davide bei ihrer Mutter. Bei einem Besuch Brunettis behauptet Davides Mutter, alle Papiere ihren Sohn betreffend seien gestohlen worden und tischt ihm weitere hanebüchene Geschichten rund um ihren Sohn und dessen Vater auf. Selbst die Nachbarn ziehen es vor, lieber nichts zu sagen. Das Misstrauen der Polizei gegenüber ist in Italien immer noch sehr groß. Einzig eine ehemalige Kollegin Anas wagt ein paar Andeutungen, die Brunetti zu denken geben.

Dieser Fall entpuppt sich als moralischer Niedergang einer ganzen Gesellschaft, die ihn und seine Frau sehr betroffen machen und Brunettis ethisches Denken auf den Kopf stellt.


Stil und Sprache
Es ist Herbst in Venedig und auch die Brunettis spüren den beginnenden Lebensherbst. Brunetti bemerkt zum ersten Mal, dass Paola sich mit einer Hand hochstemmen muss, um aus dem Sofa herauszukommen.

Solch kleine persönlichen Einstreuungen, die vor Intellekt sprühenden Dialoge zwischen Brunetti und Paola und Brunettis Aufmerksamkeit seiner Umwelt gegenüber, machen die Krimis Donna Leons zu etwas Besonderem. Das vertraute Tableau Venedigs und die bekannten Figuren aus Brunettis Umfeld nehmen einen sofort ein und man fühlt sich heimisch.

Die ruhige, unaufgeregte Sprache bildet das Gerüst des Romans, in dem viel über die Moral nachgedacht und über menschliches Versagen gesprochen wird.


Figuren
Wie gewohnt hilft Signorina Elettra dem Commissario mit nicht ganz legalen Zugriffen auf diverse Akten und erfährt unter anderem den Namen des Arztes Ana Cavanellas. Brunetti sucht ihn in seiner Praxis auf, der sich zwar auf seine ärztliche Schweigepflicht beruft, aber Brunetti zu verstehen gibt, dass Ana ihren Sohn hat geistig verkümmern lassen. Als Beweis für Davides geistige Fertigkeiten präsentiert er kunstvolle Zeichnungen Davides, die im Wartezimmer hängen.

Vice-Questore Patta erhält einen kurzen Auftritt und bittet Brunetti wie immer, sich um eine delikate Angelegenheit zu kümmern. Dieses Mal handelt es sich um eine kleine Korruptionsaffäre in der Familie des Bürgermeisters, die ausschließlich die Rahmenhandlung bildet und den Commissario nicht von seinem eigentlichen Fall ablenkt.

Seltsam befremdlich empfindet Brunetti das Verhalten sowohl von Pucetti, einem jungen Beamten, und Commissario Claudia Griffoni, beide heucheln den Verdächtigen und Zeugen gegenüber ein authentisches Interesse vor, um an Informationen zu gelangen.


Aufmachung des Buches
Bei dem Buch handelt es sich um ein Diogenes-typisches Buch. Hardcover, weißer Umschlag, mit einem Foto Venedigs von Eduardo Sentchordi. Der Roman gliedert sich in kurze 28 Kapitel. 


Fazit
Gesellschaftliche Analysen sind Donna Leons Stärke. Auch dieses Mal nimmt sie sich großer Themen an, die sie auf subtile Weise in die Atmosphäre Venedigs einbettet: Desinteresse, falsche Moral und Vorspiegelung falscher Tatsachen, auch wenn die Motive noch so ehrenwert sind. Ein lesenswertes Buch!


4 Sterne


Hinweise
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Backlist
Fall 1: Venezianisches Finale
Fall 2: Endstation Venedig
Fall 3: Venezianische Scharade
Fall 4: Vendetta
Fall 5: Aqua Alta
Fall 6: Sanft entschlafen
Fall 7: Nobilta
Fall 8: In Sachen Signora Brunetti
Fall 9: Feine Freunde
Fall 10: Das Gesetz der Lagune
Fall 11: Die dunkle Stunde der Serenissima
Fall 12: Verschwiegene Kanäle
Fall 13: Beweise, das es Böse ist
Fall 14: Blutige Steine
Fall 15: Wie durch ein dunkles Glas
Fall 16: Lasset die Kinder zu mir kommen
Fall 17: Das Mädchen seiner Träume
Fall 18: Schöner Schein
Fall 19: Auf Treu und Glauben
Fall 20: Reiches Erbe
Fall 21: Tierische Profite 

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