Smaller Default Larger

„Wer bist du?“, fragte er flüsternd.
„Ich bin Pascha, der Kerl aus Kühlfach vier.“
„Aber du bist tot, du kannst nicht mit mir sprechen“, wandte er ein.
„Hast du noch nie was von Nahtod gehört? Die Seele verlässt den Körper und macht sich dann irgendwann auf den Weg durch den Tunnel. Aber hier ist kein Tunnel, ich weiß nicht, wo ich hin soll.“

 

  Autor: Jutta Profijt
Verlag: dtv
Erschienen: 04/09
ISBN: 978-3-423-21129-1
Seitenzahl: 254 Seiten 


Die Grundidee der Handlung
Dr. Martin Gänsewein trägt Dufflecoat, fährt Ente, sammelt alte Stadtpläne und geht als Rechtsmediziner dem täglichen Geschäft mit dem Tod äußerst gewissenhaft nach. Über das Seelenleben der Verstorbenen macht er sich keine Gedanken, bis ihm eines Tages die Seele von Autoschieber Pascha ein Gespräch aufdrängt. Pascha ist soeben gestorben – und stinksauer darüber. Sein angeblicher Unfalltod war in Wirklichkeit nämlich Mord. Da Martin der Einzige ist, mit dem er Kontakt aufnehmen kann, soll der ihm jetzt helfen, die Wahrheit ans Licht zu bringen. So nistet sich die nervtötende Seele bei dem Rechtsmediziner ein, und das Verhängnis nimmt seinen Lauf. Martins Leben gerät in den nächsten Tagen nicht nur völlig aus den Fugen, sondern auch in große Gefahr. Jetzt ist es an Pascha, sich schnellstens etwas einfallen zu lassen, um seinen neuen Freund zu retten.


Stil und Sprache
Gleich im ersten Satz wird der Leser direkt angesprochen und zwar von Pascha, dem nicht ganz toten Kleinkriminellen, der uns seine Geschichte erzählten will. Der Leser wird so von Anfang an in die Geschehnisse mit einbezogen. Auch im Laufe der weiteren Handlung folgen immer mal wieder Sätze wie: „Sie kennen das ja.“ oder „Sie wissen schon.“ So ist man beim Lesen nicht nur stiller Beobachter, ich hatte vielmehr das Gefühl, ein Teil der Geschichte zu sein.
Pascha, der eigentlich Sascha Lerchenberg heißt und seinen Namen geändert hat, „seit es diesen Westfalen-Schnulzomaten mit gleichem Namen gibt“, erzählt die Ereignisse aus seiner Sicht in der Ich-Form. Da er aber die Gedanken von Dr. Martin Gänsewein hören kann - umgekehrt funktioniert das Ganze auch - weiß der Leser auch immer über Martins Gedanken gut Bescheid.

Das Buch ist flott geschrieben und lässt sich gut und flüssig lesen. Es kommt jetzt keine Spannung zum Nägel kauen auf, aber ich habe doch schnell immer noch einmal umgeblättert, weil ich wissen wollte, wie es weiter geht.
Das einzige, das mich ein wenig gestört hat, ist die doch teilweise sehr derbe Ausdrucksweise von Pascha. Dieser Typ kennt Schimpfwörter, die ich so noch nicht gehört habe und die, meiner Meinung nach, auch nicht unbedingt etwas in einem Buch zu suchen haben. Die intellektuellen Unterschiede zwischen Pascha und Martin, die natürlich mit den Reiz dieses Buches ausmachen, hätte man sicher auch weniger deftig darstellen können.

Das Ende, von dem ich hier natürlich nichts verraten möchte, ist ein wenig offen gestaltet. Hier direkt von einem Cliffhanger zu sprechen und auf eine Fortsetzung zu hoffen, wäre vielleicht etwas übertrieben, aber so ein, zwei Fragen sind bei mir doch offen geblieben.


Figuren
Mit Dr. Martin Gänsewein und Sascha Lerchenberg treffen zwei Figuren aufeinander, die unterschiedlicher nicht sein könnten.
Martin ist Mediziner, Wissenschaftler, sammelt alte Stadtpläne und ist penibel. Alles muss seinen geregelten Gang gehen. Tote sind tot und reden nicht mit ihm, auch wenn reden in diesem Fall heißt, dass er Paschas Stimme in seinem Kopf hört. Schon gar nicht will er sich mit Autoschiebern und anderen Kriminellen einlassen. Auf der anderen Seite ist er auch nicht scharf darauf, Pascha jetzt als ständigen Begleiter immer um sich zu haben. Diesen Zwiespalt, in dem er sich befindet, hat die Autorin gut dargestellt und ausgearbeitet.
Pascha ist ein ganz anderes Kaliber. Zunächst ist er sauer, dass er tot ist – verständlicherweise - und dass Martin auf „Tod durch Unfall“ entscheidet. Soll sich die Nachwelt an ihn erinnern, als den, der nicht mehr ganz nüchtern von der provisorischen Baustellen-Überführung herunter fiel und sich das Genick brach? Auf keinen Fall, zumal er ja ganz deutlich gespürt hat, dass er gestoßen wurde. Ich hatte fast ein wenig Mitleid mit ihm, wie er so über seiner Unfallstelle schwebt und auf den Tunnel und das helle Licht wartet und nicht passiert.

Beide Protagonisten sind gut und dreidimensional dargestellt, beide aber auch sehr unterschiedlich in ihrer Art. Genau das macht den Reiz des Buches aus. Interessant ist es, zu beobachten, wie sie sich in kleinen Schritten aufeinander zu bewegen und jeder so kleine Eigenschaften des anderen für sich übernimmt. Diese Darstellung ist der Autorin hervorragend gelungen.
Es gibt einige Nebenfiguren, Kollegen von Martin, seine Freundin, den Autoschieber, einige Mädels aus dem Rotlicht-Milieu und natürlich den Mörder. Sie alle sind gut ausgearbeitet, nicht zu ausführlich, aber auch nicht zu blass - genau richtig.


Aufmachung des Buches
Das Buch kommt aus dem Deutschen Taschenbuch-Verlag, damit ist klar, in welcher Form es vorliegt. Das Cover ist matt schwarz. Im unteren Drittel reichen sich zwei Skelettarme die Hand. Diese Arme sind glänzend auf dem Cover, genau so wie der Titel, der darüber steht. Diese Knochenhände passen gut zum Inhalt des Buches.
Auf der Rückseite gibt es eine kurze Textpassage, die aber direkt einen treffenden Einblick in die Thematik des Buches gibt.


Fazit
Die Idee ist sicher nicht ganz neu, aber hier von der Autorin sehr unterhaltsam und ideenreich umgesetzt. „Kühlfach 4“ bietet kurzweilig Krimiunterhaltung mit einer gehörigen Prise Humor.
Ich hatte viel Spaß beim Lesen und kann das Buch allen empfehlen, die Spaß an einer unkonventionellen Mörderjagd haben.


4 Sterne


Hinweise
Dieses Buch kaufen bei: amazon.de

Facebook-Seite

FB

Partnerprogramm

amazon

Mit einem Einkauf bei amazon über diesen Banner und die Links in unseren Rezensionen unterstützt du unsere Arbeit an der Leser-Welt. Vielen Dank dafür!

Für deinen Blog:

BlogLogo