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Thomas Finn 

Mit „Schwarze Tränen“ veröffentlichte Thomas Finn im März 2014 seinen neusten Fantasy-Roman, eine Neuinterpretation und zugleich Fortsetzung der Faust-Sage. Für die Leser-Welt nahm er sich die Zeit ein paar Fragen zu diesem Roman zu beantworten und uns zugleich einen kleinen Einblick in sein Leben und Arbeiten als Schriftsteller zu geben.

 

Hallo Herr Finn, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview nehmen.  Es geht dabei vorrangig um Ihren neusten Roman, „Schwarze Tränen“. Können Sie unseren Lesern die Geschichte von Lukas Faust kurz vorstellen?

Aber gern. Der glücklose Straßenkünstler Lukas Faust ist Nachfahre des berühmten Zauberers Doktor Faust in dreizehnter Generation. Nur ist dessen Seele im 16. Jahrhundert zur Hölle gefahren. Bei einem Aufenthalt in Staufen, dem historischen Todesort Doktor Faustens, muss Lukas dann allerdings erfahren, dass sein berüchtigter Ahne einen ziemlich hinterhältigen Plan ersonnen hatte, um sich aus den Fallstricken der Hölle wieder zu befreien. Dadurch gerät er Knall auf Fall in ein phantastisches Abenteuer, bei dem es nicht nur um das Schicksal der Menschheit geht, sondern auch um sein eigenes Seelenheil.


Sie greifen in Lukas' Geschichte einen Teil der durch Goethes Werk berühmten Faust-Legende auf, spielen aber auch mit vielen anderen Mythen und historischen Figuren. Was hat Sie zu dieser Mischung inspiriert und wie viel Recherche-Arbeit war nötig, um so viele Legenden und Mythen glaubwürdig aufnehmen zu können?

Naja, bei einer derart berühmten Vorlage, bedurfte es natürlich eines Kniffs, um der Geschichte – abseits der eigentlichen Hauptstory – entsprechende erzählerische Tiefe zu verleihen. Schon Goethe hat in seine Erzählung viele Legenden und historische Überlieferungen eingeflochten, insofern stand auch für mich früh fest, dass die Story vorrangig vor deutschen Kulissen spielen würde und sich damit auch reichhaltig aus dem deutschen Sagenschatz bedienen darf – angefangen bei der Nibelungensage bis hin zum Barbarossa-Mythos. Die Recherche hat sich eher kurzweilig gestaltet, da ich vieles davon gut kannte. Anderes war natürlich auch für mich neu und hat die Story dann von der Reißbrettversion bis zum fertigen Buch nachhaltig verändert. So war ursprünglich ein Aufenthalt bei den Hexen auf dem Brocken vorgesehen, bis ich dann erfuhr, dass es in Süddeutschland mit dem Kandel einen ähnlich berühmten Hexentreffpunkt gibt.
Anpassungen waren nur in jener Hinsicht notwendig, als dass ich alles glaubwürdig in einen Kosmos einbetten musste, in dem Himmel und Hölle um das Schicksal der Welt ringen.  


„Schwarze Tränen“ ist im Fantasy-Genre angesiedelt, ebenso wie Ihre vorherigen Werke auch. Wie sind Sie zu diesem Genre gekommen und könnten Sie sich vorstellen in einem ganz anderen Bereich zu schreiben?

Mit der Phantastik bin ich ganz allgemein so mit zwölf oder dreizehn Jahren in Berührung gekommen und zwar durch die Heftromanreihe um den Geisterjäger John Sinclair. Mit 17 Jahren kamen dann die Fantasy Rollenspiele dazu, über die ich das Genre der High Fantasy und des Horrors kennenlernte. Spätestens seit dieser Zeit konnte mich die Phantastik in ihrer ganzen Bandbreite begeistern. Ich genieße es auch sehr, dass ich zu den wenigen Autoren in Deutschland zähle, die sich da in einer großen Bandbreite austoben dürfen. „Schwarze Tränen“ ist ja eher ein Werk der Urban Fantasy, aber ich habe auch phantastische All-Age-Romane und Mystery-Thriller geschrieben. Bei alledem kommt es mir ehrlicherweise weniger auf das Genre, sondern vielmehr auf die jeweilige Geschichte an. Die muss stimmig und aufregend sein. Das gewählte Genre hat sich dieser als stimmige Kulisse unterzuordnen. Aber um auch die finale Frage zu beantworten: Ja, ich könnte ganz sicher auch in anderen Bereichen schreiben. Warum auch nicht? Derzeit liebäugle ich zum Beispiel mit einem raffinierten Krimi.


Beginnend mit dem sympathischen Faust-Erben Lukas, über den in Pudelgestalt gefangenen Mephisto bis hin zu dem berühmten John Dee ist Ihr Roman bevölkert von einer buntgemischten Charakteren-Palette. Haben Sie selbst dabei irgendwelche Favoriten und wie sah der Entstehungsprozess Ihrer Figuren aus?

Der teuflische Mephisto in Pudelgestalt gehörte sicher zu meinen Favoriten. Er ist schamlos, verschlagen und vor allem witzig. Wann hat man schon einmal die Gelegenheit, so viele politisch unkorrekte Szenen und Dialoge schreiben zu können, und sich dabei mit dem Argument „Hey, das ist immerhin der Teufel!“ herausreden zu dürfen? Mephisto war es auch, der die meiste Arbeit gemacht hat, denn immer wenn er in einer Szene auftauchte, musste diese spritzig, böse und pointiert sein.
Aber auch die anderen Figuren haben mir Spaß gemacht. Bei dem hinterhältige Alberich, zum Beispiel, musste ich immer ein wenig an Rumpelstilzchen denken. Auch die auftretenden Zauberer und Hexen begannen alle schnell lebendig zu werden. Einiges war von vornherein so in den Charakterkonzepten angelegt, anderes hat sich beim Schreiben entwickelt. Letztlich ist es so, dass vor meinem geistigen Auge stets eine Art Film entsteht, der dann den Rhythmus der Figuren vorgibt.


Auch der Schreibprozess generell interessiert uns natürlich brennend. Haben Sie da irgendwelche bestimmten Rituale? Wie lange benötigen Sie für einen Roman, und beginnen Sie dann direkt mit dem nächsten Buch oder brauchen Sie erst einmal eine Schreibpause?

Wenn erst einmal eine zündende Idee da ist, dann beginnt bei mir jede Story mit einer intensiven Entwicklungsphase, die gern auch mal doppelt so lange dauern kann, wie der eigentliche Schreibprozess. Für Letzteren benötige ich bei einem Buch von 400 bis 500 Seiten Dicke zwischen drei bis vier Monaten, wobei ich dann quasi von morgens bis abends vor dem Rechner sitze. Da ist der grobe Storyverlauf allerdings schon recht detailliert vorgeplottet. Und das nicht bloß deswegen, weil die jeweiligen Verlage vor Vertragsabschluss ein Story-Exposé benötigen, aufgrund dessen sie die Entscheidung fällen, einen Roman überhaupt zu verlegen. Auch so halte ich als Autor absolut nichts davon, einfach mal drauf los zu schreiben. Ich benötige stets einen groben Fahrplan, der es mir dann überhaupt erst ermöglicht, erzählerische Bögen zu schlagen und raffinierte Wendungen einzubauen. Beim Schreiben, also wenn die Geschichte in Fahrt kommt, geschieht eh noch so viel Aufregendes, dass ich mir in dieser Phase nicht auch noch Gedanken um einen glaubwürdigen Plotverlauf machen möchte. Und ja, nach einem Roman benötige ich mindestens einen Monat Schreibpause, um meinen Kopf abzukühlen. In dieser Zeit entstehen dann zumeist die nächsten Geschichten.


Und wenn wir schon beim nächsten Buch sind: Können Sie uns da schon einen kleinen Ausblick geben?

Bei meinem nächsten Roman handelt es sich um einen Mystery-Thriller, der den Titel „Aquarius“ trägt. Er erscheint im Herbst bei Piper und spielt oben in der Deutschen Bucht und an der nordfriesischen Küste. Bei alledem geht es um einen alten Schrecken, der im wahrsten Wortsinne bereits für den Untergang des mythischen Rungholts die Verantwortung trägt, eine mittelalterliche Stadt, die gern als das ‚Atlantis des Nordens’ bezeichnet wird. Mehr verrate ich noch nicht.


Die Handlung von „Schwarze Tränen“ ist in sich abgeschlossen, aber da man Lukas und seine Mitstreiter im Laufe der 540 Seiten ins Herz schließt, stellt man sich natürlich trotzdem die Frage: Wird es vielleicht irgendwann ein neues Abenteuer für Lukas, Mephisto und Co. geben?

Grundsätzliche Ideen dazu sind vorhanden, aber das ist vor allem davon abhängig, wie erfolgreich der Roman am Ende ist. [grinst]


Das Schreiben ist nur ein Teil der schriftstellerischen Tätigkeit. Nach Beenden eines Buches kommen unter anderem noch Lesereise, Interviews und Rezensionen. Ist das dann ein wenig wie Urlaub für Sie oder überwiegt der Stress und vielleicht auch die Nervosität vor den Rezensionen?

Nein, das ist kein Stress. Im Gegenteil. Ich freue mich immer sehr darüber, meine Leser real live zu treffen. Ebenso, wie ich mich natürlich wie jeder andere Kollege auch freue, wenn das neueste Werk gut ankommt.
Was hingegen mögliche negative Reaktionen der Leserschaft anbelangt, auch da muss man für konstruktive Kritik stets offenbleiben. Am besten macht man sich aber schon sehr früh in seiner Karriere klar, dass es unmöglich ist, ein Buch zu schreiben, das alle Leser gleichermaßen zufrieden stellt. Dazu sind die Geschmäcker einfach zu unterschiedlich. Als Autor kannst du für den Fall, dass dein Werk einem Rezensenten nicht gefällt, also lediglich darauf hoffen, dass er oder sie das Werk zumindest mit der nötigen Fairness bespricht. Leider ist das nicht immer der Fall.   


Sie haben im Rahmen der Leipziger Buchmesse zwei Lesungen zu Ihrem Roman gehalten. Wie bereiten Sie sich auf solche Termine vor? Wie wird entschieden, welche Romanstellen Sie vorlesen? Und sind Sie nervös vor einer Lesung?

Zum Glück bin ich eher ein extrovertierter, denn introvertierter Mensch. Daher hält sich meine Nervosität vor solchen Auftritten inzwischen in Grenzen. Vor zehn Jahren war das noch etwas anders, aber das hat sich inzwischen gelegt. Ich erzähle halt gern – wäre es anders, hätte ich vermutlich einen anderen Beruf wählen müssen. [lacht]
Lesungen bereite ich sehr unterschiedlich vor. Da kommt es stets auf den entsprechenden Stoff und die damit einhergehende Intention an. Was die Lesepassagen anbelangt, die wähle ich aus. Und diese Auswahl ist davon abhängig, welchem Publikum ich gegenübertrete und – nicht zuletzt – welcher Zeitrahmen überhaupt zur Verfügung steht.
Was Leipzig anbelangt, da wurde mir dieses Jahr freundlicherweise Christian Handel als Moderator an die Seite gestellt. Da hatte ich mich ganz bewusst nur wenig vorbereitet, damit die Gesprächssituation authentisch bleibt. Man merkt es einem Gespräch eben an, wenn sich Moderator und Autor bloß durchgestylte Stichwörter zuwerfen.


Hat sich Ihre Arbeit durch die Social Media Möglichkeiten verändert? Welchen Stellenwert nehmen Ihrer Meinung nach Blogs und Foren im Büchergeschäft ein? Und lesen Sie all die Besprechungen Ihrer Romane im Internet?

Ich glaube schon, dass sich sehr viele Leser vor dem möglichen Erwerb eines Romans durch Empfehlungen aus dem Internet leiten lassen. In diesem Sinne nehmen entsprechende Blogs und Foren als Meinungsmacher einen nicht zu unterschätzenden Stellenwert im Büchergeschäft ein. Gerade in den ersten Wochen nach Erscheinen eines neuen Werkes suche ich daher sehr gezielt nach Besprechungen im Internet, um zu erfahren, wie das Feedback aussieht. Das machen alle Kollegen so – und wenn sie anderes behaupten, lügen sie.
Der Großteil der Leser gehört aber wohl noch immer zum Lager der Spontankäufer. Wäre es anders, dann hätten die Platzierungen im Buchhandel nicht einen solch entscheidenden Einfluss auf den Verkaufserfolg eines Buches.
Die Möglichkeiten der Social Media gehen aber noch weit darüber hinaus. Tatsächlich ermöglichen solche Plattformen es uns Autoren, so einfach wie nie zuvor mit den Lesern in Austausch zu treten. Und das ist es doch, was nach all der Arbeit an einem Roman am meisten Spaß macht, nämlich – wenn es gut läuft – mitzuerleben, wie du deinen Lesen einige aufregende Stunden Lesevergnügen schenkst.


Neben dem Schreiben von Romanen widmen Sie sich auch Drehbüchern und Spielen. Wie kam es zu dieser vielseitigen Arbeit und was macht mehr Spaß, ein Roman, ein Drehbuch oder ein Spiel?

Meine handwerklichen Fähigkeiten habe ich nicht zuletzt meinen Arbeiten für die Fantasy Rollenspiele zu verdanken, die auch heute noch zu meinen Hobbies gehören. Dann erst kamen Drehbücher, Theaterstücke und Romane hinzu. Letztlich haben sich alle diese Betätigungen gegenseitig befruchtet. Um die eigentliche Frage aber zu beantworten: Heute schreibe ich am liebsten Romane, da ich da weitgehend mein eigener Herr bin.


Eine abschließende Frage noch an Sie als Leser: Welches Buch findet sich im Moment bei Ihnen auf dem Nachttisch?

Ein Sachbuch mit dem Titel „Baustilkunde“ aus dem Orbis Verlag, das ich für meinen aktuellen Roman benötige. Leider komme ich inzwischen nicht mehr so häufig dazu, mich selbst an einem Roman zu erfreuen. Stattdessen muss ich mich intensiv mit Recherchen auseinandersetzen, um Handlungs- und Bühnenelemente meiner Geschichten glaubwürdig unterfüttern zu können. Wenn die derzeitige Schreibphase aber wieder vorbei ist, dann will ich mir endlich mal etwas von meinem Kollegen Thomas Thiemeyer vornehmen. Mein Ziel ist es nämlich, von jedem meiner deutschen Genrekollegen mindestens ein Werk gelesen zu haben, und er fehlt noch auf meiner Liste. [lacht]

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