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Noch einmal muss Antoinette zurück.

Zurück in ihr Heimatdorf.
Zurück in den Schatten der Wälder und Fachwerkhäuser.
Zurück an den Ort, an dem sie gequält und gedemütigt wurde.
Nur noch einmal …

Zurück in die Hölle.

 

Antoinette kehrt zurueck 

Autor: Olivia Vieweg
Illustration: Olivia Vieweg
Verlag: Egmont Graphic Novel
Erschienen: März 2014
ISBN: 978-3-7704-5500-3
Seitenzahl: 96 Seiten
Altersgruppe: ab 14 Jahren (Empfehlung des Rezensenten)

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Die Grundidee der Handlung
Ohne Vater und mit einer geisteskranken Mutter in einem kleinen beschaulichen Ort voller Fachwerkhäuser aufzuwachsen, bedeutete für Antoinette die Hölle. Von allen wurde sie nur gehänselt, um die Anerkennung einer vermeintlichen Freundin zu gewinnen, hungerte sie sich sogar die Pfunde vom Leib, nur um dann doch wieder verstoßen zu werden.
Doch heute liegt das alles weit hinter ihr, denn Antoinette hat es geschafft: erfolgreich in der Werbung tätig, Besitzerin eines Luxusapartments in L.A., mit einem berühmten Hollywood-Schauspieler liiert. Ihre Vergangenheit holt sie jedoch plötzlich wieder ein, als sie ihre eigene Doppelgängerin durch die Webcam-Großaufnahme ihres Heimatorts huschen sieht. Neugierig geworden, wer das wohl sein mag, kehrt Antoinette an den Schauplatz ihrer Albträume zurück.

In dem Drama der vielversprechenden, deutschen Nachwuchs-Künstlerin Olivia Vieweg, die damit das Comicstipendium des Egmont Verlages gewann, geht es um das Thema Mobbing unter Kindern und Jugendlichen. Mit einer parallelen Erzählweise in grandioser Bildsprache komponiert, versteht es die Autorin, den grauenhaften Alptraum, der Antoinette für immer zeichnete, subtil und dennoch unheilverheißend aufzubauen, bis einen gegen Ende die schrecklichen Geschehnisse wie ein Strudel mitreißen. In Anlehnung an Friedrich Dürrenmatts ‚Der Besuch der alten Dame‘ wird die früher Tyrannisierte von ihren Peinigern heute umschmeichelt und hofiert, weshalb Rache für die junge Frau noch umso süßer schmeckt.


Beurteilung der Zeichnung / Textdarstellung
Um ihre Geschichte graphisch eindringlich und lebendig zu gestalten, braucht Olivia Vieweg keine hundert Seiten und noch viel weniger Worte oder Farben. Auch zeichnerisch geht sie gekonnt zurückhaltend mit dem Stift um, was die Ausdrucksfähigkeit ihrer Bilder jedoch nicht mindert.

Alle ihre Figuren haben auffallend runde Mondgesichter, die gemeinhin für ein nettes, kumpelhaftes und freundliches Wesen stehen. Dass dem hier nicht so ist und das vordergründige Lächeln von Antoinettes ehemaligen Schulfreunden beim ersten Wiedersehen etwas Falsches an sich hat, wird dem Leser gleich an Ort und Stelle mithilfe parallel eingeschobener Rückblende-Panels verdeutlicht, in denen die jeweils gleiche Person weit weniger nett mit Antoinette umspringt, als sie es in der Gegenwart tut. Der Altersunterschied und die Wiedererkennbarkeit gelingen dabei famos.

Die Zeichnerin nimmt ganz bewusst Abstand davon, ihre düstere Rachegeschichte in einen ebenso düsteren Farbtopf zu tauchen. Sie verwendet einen homogenen, warmen Zweifarben-Mix aus Braun-Beige und Gelb, der einen ausgleichenden Effekt auf Plot und rein zeichnerischen Ausdruck entfaltet.

Wie ich bereits schrieb, hält sich der Textumfang in Grenzen, denn Olivia Viewegs Bildsprache hat eine starke Wirkung auf den Leser. Im Comic finden die üblichen Standards für Erzähl-, Sprech- und Gedankentext mit einem für die Augen angenehm großen Schriftbild Verwendung, so dass sich die Geschichte flüssig lesen lässt. Von einer zusätzlichen Lautsprache macht die Autorin keinen Gebrauch.


Aufmachung des Comics
Die Graphic Novel ist in Klappenbroschur verlegt. Man verwendet hier ein etwas dickeres, angerautes Papier, das schön griffig in der Hand liegt. Beim ersten Durchblättern war auf den Seiten noch ein ganz feiner Oberflächenstaub vorhanden, der sich leicht wegwischen ließ. Auf die hintere Innenklappe wurde die Vita der Autorin aufgedruckt. Der Bonusteil besteht aus Skizzensammlung, Covergalerie sowie einem mehrseitigem Interview mit der Autorin, das ich sehr aufschlussreich empfand.

Die Coverillustration ist ohne Zweifel eigenwillig. Titelheldin Antoinette in der Bildmitte in Großaufnahme ist durchscheinend gezeichnet, so dass das ländliche Bild ihres Heimatortes und der Mohnblumenwiese durchschimmert.


Fazit
Nachwuchstalent Olivia Vieweg aus Weimar hat mit ‚Antoinette kehrt zurück‘ ein packendes Drama über Mobbing und späte Rache geschrieben, für das sie zu recht das Comicstipendium des Egmont Verlages erhielt. Ihr minimalistisches Artwork entwickelt mit fast schon symbiotischem Bildaufbau aus Vergangenheit und Gegenwart einen starken, emotionalen Sog, der mitreißt.


4 Sterne


Hinweise
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