Smaller Default Larger

In der britischen Kolonie Gibraltar findet eine streng geheime Anti-Terror-Operation statt: Ein islamistischer Waffenkäufer soll entführt werden. Die Drahtzieher: Fergus Quinn, ein hochrangiges Regierungsmitglied, und Jay Crispin, Chef einer internationalen Sicherheitsfirma. Toby Bell, ein Mitarbeiter Quinns, stolpert über die geheime Aktion. Irgendetwas ist an der Sache faul und soll vertuscht werden. Seine Nachforschungen bringen ihn in eine gefährliche Lage. Toby muss sich zwischen seinem Gewissen und der Verpflichtung gegenüber dem britischen Geheimdienst entscheiden.  


Empfindliche Wahrheit 

Originaltitel:  A Delicate Truth
Autor: John le Carré
Übersetzer: Sabine Roth
Verlag:  Ullstein Hardcover
Erschienen: November 2013
ISBN:  978-3550080364
Seitenzahl: 400 Seiten

Hier geht's zur Leseprobe


Die Grundidee der Handlung
Drei Jahre nach „Verräter wie wir“ meldet sich John le Carré mit einem neuen Thriller zurück. Hellseherisch nähert er sich an ein Thema, das kurz nach Erscheinen des Romans Realität wurde. Noch bevor Edward Snowden das öffentliche Licht der Welt erblickte, erschien le Carrés Buch über einen - leider allzu einfältigen - Whistleblower.

Kit Probyn und Toby Bell, die beiden Protagonisten in le Carrés neuem Roman, sind der Vertuschung einer fehlgeleiteten Operation des Außenministeriums auf der Spur, bei der in Zusammenarbeit mit einem privaten Militärdienstleister ein Waffenhändler festgenommen werden soll. Drei Jahre später, Kit ist inzwischen pensioniert, überschlagen sich die Ereignisse. Er fängt an, Beweise über die düsteren Machenschaften des Ministeriums zu sammeln und stößt dabei auf Toby Bell, der ebenfalls die Umstände der missglückten Operation untersucht. Gemeinsam versuchen sie nun, den Schurken das Handwerk zu legen und beschließen, ihre Erkenntnisse an die Öffentlichkeit zu bringen. Sie kennen zwar ihre Widersacher, ahnen aber nicht, wie weitreichend deren Kontakte sind.
 

Stil und Sprache
Fergus Quinn, unausstehlicher Staatsminister im Außenministerium, sucht für seine geplante „Operation Wildlife“ einen Unterflieger als Kontaktmann. Seine Wahl fällt auf den unbescholtenen und mittelmäßigen Diplomaten Kit Probyn. Die Operation läuft schief, der Endfünfziger stellt anfänglich unbequeme Fragen, auf die er keine befriedigende Antwort erhält und wird mit einem Adelstitel ruhig gestellt.

Seine Skepsis gegenüber der Aktion und deren Ausgang bleibt durch die Nichtverbalisierung im Unterbewusstsein verborgen und Sir Kit, der sich inzwischen bequem in Cornwall eingerichtet hat, schenkt der Behauptung seines Ministers  Glauben, die Operation sei erfolgreich verlaufen. Nur lässt sich solch eine trügerische Sicht der Dinge nicht auf Dauer aufrecht erhalten. Die Wirklichkeit bedroht nach drei Jahren in Gestalt des Soldaten Jeb, der bei der Aktion in Gibraltar dabei war, das idyllische Rentnerleben. Jeb bestätigt Kits damaligen Verdacht, die Aktion sei gründlich schief gelaufen und zwei unschuldige Menschen dabei ums Leben gekommen. Ihre Zusammentreffen bleiben nicht unbeobachtet und Jeb wird kurz darauf ermordet. Stümperhaft soll Kit überzeugt werden, dass Jeb noch lebt und wegen seiner Wahnvorstellungen in eine geschlossene Anstalt eingeliefert wurde. Weder Kit noch der Leser sind ob dieses hilflosen Versuches überzeugt.

Das Werk ist durchdrungen von der Naivität seiner Helden und auch le Carré bleibt sprachlich weit hinter seinen Fähigkeiten zurück. Er scheint zu sehr in der Zeit seiner größten Erfolge verhaftet zu sein. Seine technische Unversiertheit und die dilettantisch agierenden Figuren tragen ebenfalls nicht dazu bei, Interesse und Empathie für das Geschehen aufrechtzuerhalten.

Bereits der Einstieg in das Buch beginnt mit einem Klischee. Der Unterflieger wartet aufgeregt in einem Hotelzimmer auf seinen ersten geheimdienstlichen Einsatz. Klischees ziehen sich durch das gesamte Buch, sei es, dass Kit nach seiner Pensionierung ins kitschbehaftete Pilcher-Cornwall zieht oder dass die Technik während der Aktion im entscheidenden Moment ausfällt. Ob aus Absicht oder rein zufällig, wird nicht geklärt. Man wird seinen eigenen vagen Ahnungen überlassen. In gewohnter Manier legt le Carré viele Spuren aus, aber die meisten Ereignisse, die entscheidend für die Geschichte sein könnten, werden nur einem ungewissen Verdacht unterworfen. Der Leser wird verführt, zu viel in die Geschehnisse hineinzuinterpretieren und verliert dabei den Blick für den Zusammenhang.

Der weitläufige Geschichtsbogen wird, wie bei le Carré üblich, durch das Hin- und Herspringen in den Zeitebenen gespannt. Ein Kniff, den er beherrscht wie kaum ein anderer Autor, dennoch will sich in dem Politthriller trotz der Brisanz keine Spannung einstellen.


Figuren
Der zweite Held der Geschichte ist der junge Toby Bell, Karrierediplomat und Ziehsohn von Giles Oakley, der „grauen Eminenz in der Botschaft“, mit dessen Hilfe er von Botschaft zu Botschaft versetzt wird und die Karriereleiter sicher nach oben steigt. Bell erledigt seine Arbeit gewissenhaft, spricht mehrere Sprachen und kehrt nach mehreren Auslandseinsätzen nach London zurück. Während seiner Tätigkeit als rechte Hand des Staatsministers Fergus Quinn kommt er den krummen Geschäften seines Vorgesetzten auf die Spur. 

Die Geschichte von Kit Probyn und Toby Bell ist eine Verdoppelung des Ichs. Toby Bell ist das junge Sprachrohr und moralische Gewissen des Unterfliegers Kit Probyn, der nach seiner Pensionierung den Fehler bei der Aktion „Wildlife“ wieder gutmachen will. Die Kombination von Jung und Alt wiederholt sich hier fortwährend. Toby und Kit, Toby und Giles, Toby und ein altes Tonbandgerät. Das archaische Relikt aus der Agenten-Urzeit, welches der moderne Staatsminister in seinem Büro aufbewahrt, benutzt Toby für die Aufzeichnung eines Gesprächs zwischen Quinn und dem Drahtzieher der aus Amerika stammenden Sicherheitsfirma Ethical Outcome.

Trotz der akribischen Recherche des Autors und seines zum Teil karikaturistischen Blicks auf die Protagonisten und Ereignisse, bleiben seine Figuren hölzern und zu naiv für die heutige Zeit. Die Cliffhanger und falschen Fährten, die le Carré auslegt, sind allzu offensichtlich. Die Figuren handeln zum Teil nicht als logische Konsequenz ihres bis dahin skizzierten Charakters, sondern vollkommen konträr zu ihrer eigenen Logik und verärgern den Leser eher, als dass sie ihn an sich binden.


Aufmachung des Buches
Die Motivgestaltung des Hardcoverbuches hat die ZERO Werbeagentur konzipiert und nannte das  abstrakte Design „Superfantastic“. Das Buch selbst ist in sieben großzügige Kapitel gegliedert und lässt sich ob der großen Schrift gut lesen.


Fazit
Le Carré gilt als moralische Instanz unter den Thriller-Autoren, lässt aber in „Empfindliche Wahrheit“ den Leser zwiespältig zurück. Das Thema des Whistleblowers könnte aktueller nicht sein, obwohl der Autor zu dem Zeitpunkt seines Schreibens es in keinster Weise auch nur ahnte. Die indirekte Abrechnung mit der Ideologie New Labours ist ein weiteres außerliterarisches Thema mit politischer Brisanz. Dennoch bleibt ein schaler Geschmack zurück. John le Carré wandert auf einem sehr schmalen Grat zwischen trivialer Unterhaltung und ernsthafter Nachdenklichkeit. 



Hinweise
Dieses Buch kaufen bei: amazon.de

Facebook-Seite

FB

Partnerprogramm

amazon

Mit einem Einkauf bei amazon über diesen Banner und die Links in unseren Rezensionen unterstützt du unsere Arbeit an der Leser-Welt. Vielen Dank dafür!

Für deinen Blog:

BlogLogo