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"Irre, wie normal die Dinge scheinen können. Wenn man sich ein bisschen Mühe gibt. Nicht unter den Teppich sieht. Fast könnte man glauben, man lebe in einer vollkommenen Welt, in der alles schließlich doch noch in Ordnung kommt."
Eigentlich könnte Lou Bertignac ein ganz gewöhnliches Mädchen sein, wenn sie mit ihren dreizehn Jahren keinen IQ von 160 und nicht bereits zwei Klassen übersprungen hätte. Es ist aber nun einmal so: Sie ist viel zu klein und schmächtig für ihr Alter, doch ihr Hirn rattert ununterbrochen. Sie ist eine Außenseiterin, obwohl sie so gerne dazugehören und ein unbeschwertes Leben führen möchte. Doch seit dem Tod ihrer kleinen Schwester hat sich ihre Mutter von der Welt abgeschottet, auch von ihrer älteren Tochter. Lou ist einsam.

No ist achtzehn Jahre alt. Nach mehreren Pflegefamilien und Internaten landete sie irgendwann auf der Straße. Seitdem zieht sie von morgens bis abends durch Paris und sucht jeden zweiten Tag nach einem neuen Ort, um zu schlafen. Sie muss tagtäglich kämpfen, um zu essen, um nicht ausgeraubt zu werden, um zu überleben. Niemand will sie. Ursprünglich sollte Lou in Sozialkunde ein Referat über die Obdachlosen halten, aber was sie entdeckt, als sie No befragen will, ist ein Ort, an dem man keine Fragen mehr stellt. Doch das kann Lou nicht akzeptieren. Sie will, dass die Dinge sich ändern, dass das Leben wie auf den Werbeplakaten aussieht, dass jeder seinen Platz findet. Und was am Anfang nur eine lästige Aufgabe war, entwickelt sich zu einer außergewöhnlichen Freundschaft, die versucht, der harten Realität ein Bein zu stellen - eine Begegnung, die das Leben verändert.
Für alle, die sich noch daran erinnern, wie wir selbst einmal die Welt verändern wollten - damals, gestern order erst heute morgen.
"Die Dinge sind, wie sie sind." Wenn uns zum Leben irgendwann nur noch diese Antwort einfällt - sind wir dann erwachsen?

 

  Autor: Delphine de Vigan
Verlag: Droemer
Erschienen: 16.02.2009
ISBN: 978-3-426-19831-5
Seitenzahl: 250 Seiten 


Die Grundidee der Handlung
Die Grundidee der Handlung ist im Klappentext und Buchrücken ausführlich skizziert. Lou wird im Erwachsenwerden mit dem Schicksal von No konfrontiert und macht sich Gedanken um die Welt und um dieses Mädchen, das viel zu früh hat aufhören müssen, Kind zu sein. Dieser Roman handelt vom Erwachsenwerden, vom Begraben von Träumen, von Klarsicht und sozialem Gewissen, Anteilnahme und von der Kraft der Menschen, die ihr Ziel verfolgen und fähig sind, anderen Menschen Zuversicht und Hoffnung zu geben. Es zwingt den Leser unweigerlich zu der Frage: Wann habe ich selbst das letzte Mal versucht, diese Welt ein wenig besser zu machen?


Stil und Sprache
Begeistert hat mich vor allen Dingen Delphine De Vigans anschaulicher Schreibstil. Nie wird irgendetwas einfach nur erzählt. Lou lässt den Leser aus der Ich-Perspektive an ihren Gefühlen und Erlebnissen teilhaben. Das schafft Nähe zum Leser, gleich zu Beginn und bis zum Schluss. Dabei driftet De Vigans Stil nie ins Klischeehafte ab, sie schreibt emotional, ohne zu übertreiben. Ihre poetischen Vergleiche, die bildhafte Sprache sind authentisch, der Sprachrhythmus angenehm zu lesen.
Die Autorin versteht es, scheinbar mühelos alle notwendigen Details und Informationen einzuflechten, die der Leser zum Verstehen der Geschichte braucht.
Das Leben der beiden Hauptfiguren wird so beschrieben wie es nun mal ist - hart, wenig erbauend und oftmals traurig. Die Spannung dieses Romans wird dadurch erzeugt, dass der Leser Anteil an Lous, vor allem aber an Nos Leben nimmt. Wird Lou ihr helfen können?


Figuren
Auch was die Figuren angeht, ist De Vigan eine Meisterleistung gelungen. Die Hauptpersonen könnten - so wie sie beschrieben sind - irgendwo leben. In Paris, Berlin oder London. Das Schicksal hat No und Lou geprägt, dies und all ihre Motive sind überzeugend dargestellt. An der Ausarbeitung der Figuren gibt es absolut keine Kritik. Lou, die hochbegabte kleine quirlige Person, die unter der eigenen familiären Situation leidend, trotzdem oder gerade deswegen, No helfen will. Die in No endlich eine Verbündete für ihre verrückten Experimente findet. Und No, allein gelassen, vom Leben enttäuscht, wie sie versucht gegen ihr eigenes Schicksal anzukämpfen und einen Weg in ein normales Leben zu finden, weg von dem tristen Dasein einer Obdachlosen.


Aufmachung des Buches
Das Buch ist bei Droemer im Hardcover erschienen. Das Buch zeigt eine Heranwachsende an eine Mauer gelehnt und soll wahrscheinlich eine der Hauptprotagonisten symbolisieren. Dieser Mauer dominiert in türkisblau das ganze Buch. Neben der Schrift sieht man herbstfarbene Blätter zu Boden sinken. Das Buch ist sehr ansprechend gestaltet und würde mich in einer Buchhandlung auf jeden Fall interessieren und zu diesem Buch greifen lassen.


Fazit
Diese Geschichte ist so überzeugend geschrieben, so anrührend ohne kitschig zu sein. Traurig und tröstend zugleich. De Vigan behandelt ein Thema, das viel zu oft totgeschwiegen wird, und sie tut dies ohne den erhobenen Zeigefinger zu benutzen. Dieses Buch ist großartig und bewegend.
Es ist lesens- und empfehlenswert, nicht nur - aber vor allem - für junge Leser. Einmal angefangen, kann man es nur schwer aus der Hand legen. Klappt man es zu, scheinen No und Lou immer noch gegenwärtig.


5 Sterne


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