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Kategorie: Krimis

Offiziell ist Maigret im Urlaub am Meer. Doch der Kommissar ist in Paris geblieben, flaniert, geht ins Kino … und sitzt gemütlich neben Madame Maigret bei einem Glas Weißwein im Bistro. In der Zeitung liest er von einer schönen Frau, die tot im Wandschrank der Pariser Arztpraxis ihres Mannes aufgefunden wurde, während alle sie im Urlaub am Meer wähnten. Und da Maigrets Stellvertreter Janvier mit dem Fall nicht recht voranzukommen scheint, muss Madame Maigret an der Seite ihres Mannes statt lauschiger Plätze den Tatort besuchen.

 

  Autor: Georges Simenon
Verlag: Diogenes
Erschienen: 2009
ISBN: 978-3-257-23850-1
Seitenzahl: 185 Seiten 


Die Grundidee der Handlung
Nach einem langen stressigen Winter ist Maigret gesundheitlich schwer angeschlagen. Sein Arzt und Freund Pardon raten zu einem längeren Urlaub außerhalb Paris‘. Da aber so kurzfristig an der Küste nichts mehr frei war, beschloss er, zusammen mit seiner Frau den Urlaub im menschenleeren, sommerlichen Paris zu verbringen. Sozusagen Inkognito, denn offiziell war er unterwegs an die Küste.
Die beiden verbringen die Zeit mit langen Spaziergängen und ausgedehnten Besuchen in den zahlreichen Cafe-Terrassen und nach und nach schafft es Maigret, sich zu entspannen. Sogar als er über die Zeitung von einem spektakulären Mord in einer Arztpraxis erfährt, bleibt er ruhig. Er genießt es sogar, die Ermittlungen über die Presse wie ein gewöhnlicher Bürger zu verfolgen und macht sich seine eigenen Gedanken zu dem Fall. Doch je länger der Fall dauert, desto unruhiger scheint er zu werden. Er fiebert den Erscheinungsterminen der Zeitungen förmlich entgegen. Es fällt ihm sichtlich schwer sich zu beherrschen und sein Versprechen, sich nicht um den Fall zu kümmern, einzuhalten. Er fängt sogar an, anonyme Hinweise an seinen Kollegen zu schicken, um ihn auf die richtige Fährte zu locken. Wird er es schaffen und sich wirklich aus dem Fall heraushalten können?


Stil und Sprache
Band 50 aus der Maigret-Reihe von Georges Simenon ist etwas Besonderes. Meisterlich versteht es Simenon seinen Protagonisten Maigret als Zuschauer dem Fall beiwohnen zu lassen, ohne dass dieser eingreift. Er lässt den Leser an den Gedanken und Schlussfolgerungen Maigrets teilhaben und entwickelt so den Fall aus der Sicht eines normalen Bürgers, der als Informationsquelle nur die diversen Zeitungen zur Verfügung hat. Dies sorgt für eine weitere Spannungssteigerung, da auch Maigret nur mutmaßen kann und sich nicht sicher ist, ob seine Schlussfolgerungen richtig sind. Man fiebert förmlich dem Ende entgegen und ließt so das Buch in neuer Rekordzeit. Mit einfachen Worten beschreibt er seine Orte, Personen und Situationen, was zusätzlich zur Spannung für ein hohes Lesetempo sorgt.
Überzeugt hat mich auch sein Sinn für das Drumherum. Mit viel Liebe zum Detail beschreibt er seine Szenen und sorgt so für leichte Gedankenspiele beim Leser. Beim Lesen dachte ich zeitweise, ich säße in Wirklichkeit in einer Cafe-Terrasse an den Ufern der Seine.


Figuren
Der Erzähler Simenon hat seinen Figuren mit seiner Sprache Leben eingehaucht. Selten erlebt man die Romane so intensiv wie bei Maigrets Fällen. Die Protagonisten sind detailreich und tiefgehend beschrieben. Typische Pariser, typische Franzosen und doch immer auch mit dem besonderen Etwas. Auch in Band 50 kommt dieser Vorzug Simenons zum tragen. Ob es nun die Tote, Evelin Jave, ist, die grazil, fast schon zerbrechlich erscheint, im Laufe der Ermittlungen aber plötzlich ein bisher verstecktes anderes Gesicht zeigt. Nie wird die jeweilige Figur gleich am Anfang komplett enthüllt.

Kommissar Maigret ist ein typischer Opa-Typ. Ein Mann mit Prinzipien, der weiß, was sich gehört, jemand, mit dem man sich gerne identifizieren möchte. Er zeigt nicht nur Stärken sondern eben auch viele Schwächen. Trotzdem wirkt er immer abgeklärt und allen anderen überlegen. Mit viel Scharfsinn geht er den Spuren nach und löst seine Fälle. Wie auch im Band 50, hier in besonders genialer Weise, schafft er es, den Fall sozusagen als Zuschauer zu erfassen und zu lösen. Wer über diesen sympathischen Mann das erste Mal liest, wird ihm verfallen und süchtig nach ihm werden.


Aufmachung des Buches
Die Neuauflage der 75 Maigret-Romane kommt in edlem Pappumschlag mit farbiger Paris- und Frankreichkarte im Deckel und rotem Lesebändchen daher. Trotzdem bleibt der Diogenes-Verlag seiner Optik treu. Eine Schwarz-Weiß-Aufnahme einer Pariser Straßenszene wird von einem dünnen schwarzen Strich umrahmt. Titel, Untertitel und Autor komplettieren das Gesamtbild.


Fazit
Für alle Maigretfans ist die Neuauflage ein wahres Kleinod und Sammlerwürdig. Band 50 ist noch dazu durch seine außergewöhnliche Blickrichtung auf den Fall etwas Besonderes. Ein wahres Meisterwerk der Krimiliteratur und eines der Besten aus der Maigret-Reihe.


5 Sterne


Hinweise
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Backlist
Band 45: Maigret und die junge Tote
Band 46: Maigret und der Minister
Band 47: Maigret und die kopflose Leiche
Band 48: Maigret stellt eine Falle
Band 49: Maigret erlebt eine Niederlage