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Matsuda stand auf und bückte sich, um etwas vom Boden aufzuheben. Er streckte Shigeru die Hand entgegen. Darauf lag eine einzelne Feder, weiß mit roten Rändern, als wäre sie in Blut getaucht worden. „Ein Houou ist hier gewesen“, sagte er leise. „Der Houou bedeutet den Otori viel, aber es ist lange her, seit einer in den Drei Ländern gesehen wurde. Bestimmt nicht seit ich lebe. Es gibt eine Feder im Tempel, aber sie ist im Laufe der Jahre zerfallen. Diese hier werde ich behalten. Sie ist eine Botschaft für Ihre Zukunft: dass Sie es sind, der den Drei Ländern Frieden und Gerechtigkeit bringt.“ Leise fügt er hinzu: „Aber die weiße Feder ist rot befleckt. Sie werden im Namen der Gerechtigkeit den Tod finden.“

 

  Originaltitel: Heaven´s Net is Wide
Autor:
Lian Hearn
Übersetzer: Irmela Brender
Verlag: Carlsen
Erschienen: 01/2009
ISBN: 978-3-551-58171-6
Seitenzahl: 750 Seiten 


Die Grundidee der Handlung
Der junge Shigeru, Erbe des Otoriclans, wird nach den alten Traditionen und Sitten, wie es sich für einen zukünftigen Clanerben eben gehört, erzogen und ausgebildet. Dabei verbringt er auch einige Monate im Tempel von Terayama und lernt dort, sein Temperament zu zügeln und sich in Geduld zu üben. Schon früh erkennt er nur allzu deutlich, das sein Vater, der derzeitige Herrscher über den Otoriclan, zu unentschlossen und zu zögerlich ist und nicht fähig, sich gegen seine beiden Brüder durchzusetzen oder denen gegenüber eine klare Haltung und Stärke zu zeigen. So kommt es, dass Shigeru, als er erwachsen und wieder daheim ist, seinen Platz an der Seite seines Vaters und dessen Erben mit starker Entschlossenheit und Stärke einnimmt, und damit die Macht seiner beiden Onkel langsam aber sicher einschränkt und entschieden unterbindet. Er handelt teilweise sogar eigenmächtig, um die Jahre des Zögerns seines Vaters wieder wett zu machen. Als es zu einer Schlacht kommt, zeigt sich, wer wahre Verbündete und Freunde sind, und Shigeru muss erkennen, dass auch seinen Entscheidungen und Stärken Grenzen gesetzt sind.


Stil und Sprache
Im personalen Erzählstil er, sie, es hat Lian Hearn in einer singenden, fast melodiösen und leichten Sprache die Geschichte um Lord Shigeru, Takeos Ziehvater, zu Papier gebracht. Sie benutzt wunderschöne bildhafte Vergleiche und ihre Fantasie ist wirklich schön. Trotzdem gibt sie dem Leser nicht alles bis ins kleinste Detail vor, sondern lässt genug Spielraum für dessen eigene Vorstellungskraft. Schade nur, das sich die Handlung streckenweise doch sehr in die Länge zieht und es dadurch dem Leser oftmals schwer gemacht wird, bis zum Ende durchzuhalten.
Große Überraschungen bietet „Die Weite des Himmels“ nicht, da von der Vergangenheit Lord Shigerus ja bereits im Band „Das Schwert in der Stille“ erzählt wurde. Nur dass diese Vergangenheit im jetzigen finalen Band ausführlicher und eben teilweise etwas langatmig erzählt wird. Richtige Spannung kommt dadurch nicht auf, auch wenn die Kapitel überwiegend kurz und abwechslungsreich gestaltet sind. Doch der Leser, der die anderen vier Bände (Band 1 „Das Schwert in der Stille“, Band 2 „Der Pfad im Schnee“, Band 3 „Der Glanz des Mondes“, und Band 4 „Der Ruf des Reihers“) schon kennt, der erfährt weder etwas Neues, noch kann er groß mit den Figuren mitleiden oder mitbangen, da er ja bereits aus den anderen Bänden weiß, wie die jeweiligen Ereignisse ausgegangen sind. Das hat meiner Meinung nach dem Band das gewisse Etwas genommen, denn die Handlung ist ohne Zweifel toll geschrieben und steckt voller Fantasie, fremder Sitten und Bräuche und ist für westliche Leser mit Sicherheit eine Entdeckung für sich. Die einzige Überraschung erlebte ich, als ich in einem Kapitel auf eine Passage stieß, die etwas unlogisch war. Das kannte ich bis dahin von der Autorin nicht, und hab das danach auch nicht mehr erlebt.
Die Handlung selbst beginnt mit dem Tod von Isamu, dem leiblichen Vater Takeos etwa sieben Monate vor dessen Geburt. Am Ende von „Die Weite des Himmels“ geht die Handlung fast nahtlos in die Anfangshandlung des ersten Bandes über.


Figuren
Ihre Figuren hat Lian Hearn überzeugend und sehr vielschichtig dargestellt, und deren Handeln liest sich für westliche Augen oftmals sehr ungewöhnlich und seltsam, zum Teil auch befremdlich. Brutale Dinge geschehen und diesmal scheint es völlig normal zu sein, dass Köpfe rollen und es absolut zum guten Ton zu gehören scheint, dass Menschen sich selbst töten, nur um der Ehre ihres Lords bzw. Clans zu genügen. Lian Hearn gibt ihren Figuren kein schlechtes Gewissen deswegen, nur Shigeru bedauert solche Handlungen das eine oder andere mal. Auch wenn es irgendwie zur Handlung gehörte und in deren Verlauf sehr gut passte, so gefiel es mir trotz allem nicht sonderlich.


Aufmachung des Buches
Das schwarz gebundene Buch ist mit einem ebenfalls schwarzen Leseband ausgestattet und hat einen Schutzumschlag, dessen Covergestaltung mich von Anfang an angesprochen hat. Der Kontrast zwischen dem glänzenden Rot, in welchem der Titel und die Borte am Rand zum Teil gehalten sind, und den verschiedenen Graustufen bis hin zu Schwarz, fiel mir sofort ins Auge. Das Schwert Jato geht quer über das Cover und im Hintergrund sieht der Betrachter, halb von einem Fächer verborgen, ein Frauengesicht. Wie bei allen Büchern dieser Reihe ist „Der Clan der Otori“ auf dem Cover und auf dem Buchrücken senkrecht von oben nach unten geschrieben, und der Titel selbst - „Die Weite des Himmels“ - waagerecht rechts davon (auf dem Cover) und waagerecht darunter (auf dem Buchrücken). Auf der Buchrückseite steht, geschmückt von einer rot glänzenden Blumenranke, ein kleiner Textausschnitt. Ein blassgraues verschneites Bild eines japanischen Gartens dient als stimmungsvoller Hintergrund.

Im Inneren gibt es wieder eine schön gezeichnete Karte der Drei Länder ganz zu Beginn des Buches, und auch ein Spruch in japanischen Schriftzeichen ist diesmal wieder ganz vorne zu lesen. Beides hatte ich im vierten Band „Der Ruf des Reihers“ vermisst. Nur die Auflistung aller Clanwappen fehlt auch in diesem Band. Dafür bekommt der Leser am Ende des Buches eine kleine Leseprobe aus Band 1 „Das Schwert in der Stille“. Die einzelnen Kapitel zeigen komplett das Wappen des Otoriclans, und links daneben steht das Wort „Kapitel“ senkrecht von oben nach unten. Diese Art der Kapitelkennzeichnung gibt dem Buch etwas Besonderes.

Eine Aufmachung die sehr kühl aber trotzdem harmonisch wirkt und sehr gut zur Handlung passt. 


Fazit
Auch wenn dieses Buch gleichermaßen Anfang und Ende vom „Clan der Otori“ darstellt, so hätte dieser Band, meiner Meinung nach, als erster Teil veröffentlicht werden sollen. Dann wäre es wirklich spannend gewesen und hätte so manche Überraschung geboten. Schade, ich hatte mir mehr davon erwartet.


3 Sterne


Hinweise
Dieses Buch kaufen bei: amazon.de

Backlist:
Band 1: Das Schwert in der Stille
Band 2. Der Pfad im Schnee
Band 3: Der Glanz des Mondes
Band 4: Der Ruf des Reihers

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