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Scheinheiligkeit, Scheinmoral, Scheinhumanität – das ging im Medienzirkus schon immer zusammen und tut es bis heute noch. Nathanael West zeigt in seiner flammenden Satire, wie dreist im modernen Pressewesen getäuscht und geheuchelt wird. Und präsentiert mit „Miss Lonelyhearts“ eine wunderbar ambivalente Schlüsselfigur des großen Bluffs.

 

Miss Lonely Hearts 

Originaltitel: Miss Lonelyhearts
Autor: Nathanael West
Übersetzer: Dieter E. Zimmer
Verlag: Manesse
Erschienen: 3. September 2012
ISBN: 978-3717522744
Seitenzahl: 176 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Was wollte Nathanel West mit diesem Roman wirklich aufzeigen? Der Autor wollte einen schonungslosen Blick hinter die Kulissen der Zeitungsmaschinerie gewähren, das ist unbestritten. Wer steckt hinter den so kompetent und allwissend wirkenden Beratern diverser Kolumnen und Ratgeberecken der Zeitschriften? Man macht sich doch eine gewisse Vorstellung davon, wer die Leserbriefe zur Hand nimmt und daraufhin gute Ratschläge in schriftlicher Form im jeweiligen Printmedium veröffentlicht. Dass dies aber oft ganz anders aussieht als man sich vielleicht vorstellt, zeigt West hier auf eine sehr differenzierte Art.


Stil und Sprache
Nathanel West erzählt in einfacher, glatter und ruhiger Sprache, die auf die „trockenen Bühne“ seines Schauplatzes hervorragend abgestimmt ist. Diese gekonnt gesetzte Schlichtheit erlaubt es dem Leser, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und sich nicht von einer vielleicht zu verspielten, zu poetischen oder einfach anspruchsvollen Sprache ablenken zu lassen. Dass dieses Buch in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts spielt, ist zwar an so mancher Gegebenheit erkennbar, aber an Aktualität der Thematik hat dieses nichts verloren. Nur das Medium hat sich erweitert, gibt es Menschen à la „Miss Lonelyhearts“ heute nicht nur in den Printmedien, sondern auch im Internet.

In der Geschichte geht es nicht darum, einen spannenden oder flotten Plot aufzubauen, sondern dem Leser einen Einblick in das Alltagsleben eines Kolumnenschreibers und seinen damit resultierenden Problemen zu gewähren. Und West erlaubt es dem Leser sukzessiv, einen weiteren Schritt in einen kleinen Bereich der Welt der Presse und Zeitungsmacher zu setzen.


Figuren
„Miss Lonelshearts“ ist keine „Miss“. Ja, sie ist nicht einmal eine "sie", sondern ein junger Mann von 26 Jahren, der seinem Job als Ratgeberin und Seelentrösterin einer Tageszeitung nachkommt. Schon drei Jahre macht der junge Mann – von dem man auch keinen Namen erfährt – diese Arbeit und fühlt immer mehr, dass er dem ganzen Leid, das die Menschen vor ihm ausschütten, nicht gewachsen ist. Es plagen ihn Selbstzweifel, anstatt mit Sarkasmus und Zynismus auf das Geschriebene der Hilfesuchenden zu reagieren, wie sein Verleger das von ihm fordert. Er jedoch kommt mit den vielen Schicksalsschläge der oft sehr einfachen Menschen, die ihm sein Herz ausschütten, einfach nicht zurecht.

Eine „flammende Satire“ sei dieses Buch, heißt es in der Kurzbeschreibung, aber da hat wohl jemand etwas falsch verstanden, denn nicht Spott und Witz erfährt man in dieser Geschichte, sondern Traurigkeit und Schmerz. Miss Lonelyhearts hat nicht die Härte, sich von dem oft schlimmen Schicksal der Hilfesuchenden zu distanzieren und zerfällt so zusehends selbst immer mehr. Mit zwischendurch eingestreuten Leserbriefen verdeutlicht West die ganze Melancholie, die den jungen Mann, Miss Lonelyhearts, umfasst noch wesentlich mehr.


Aufmachung des Buches
Wie vom Manesse-Verlag gewohnt, ist auch dieses schmale Buch mit viel Liebe zum Detail – und vor allem zum Inhalt – aufgemacht. Die Hardcover-Ausgabe ist mit sienafarbenen Leinen bezogen, auf dem vorne zwei silberne Herzen geprägt sind – passend eben zu „Miss Lonelyhearts“. Auf dem schwarz-weiß gehaltenen Schutzumschlag, sieht man den oberen Bereich einer Tageszeitung, auf der in rotem Spotlack der Buchtitel prangt.

Das Buch ist eigentlich ein Kurzroman, umfasst es gerade mal knapp hundert Seiten. Die restlichen sechzig Seiten enthalten ausführliche Anmerkungen zu im Roman vorkommenden Ausdrücken, Szenen oder Metaphern, und ein umfangreiches Nachwort des Kritikers Dieter E. Zimmer.


Fazit
Alles andere als ein leichtes oder unterhaltsames Werk ist dieses doch dünne Buch, sondern ein wahrer Blick in das Innerste eines jungen Mannes, dem seine Mitmenschen nicht egal sind und daran zu zerbrechen scheint. Ein so leicht wirkendes Buch, das jedoch sehr viel Tiefgang zeigt.


5 Sterne


Hinweise
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