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Eigentlich hat Friederike nur ein paar Wonneröllchen zu viel. Doch dann wird sie bei einem Business-Meeting tatsächlich gefragt, wann es denn so weit wäre! Und weil ihre Antwort etwas missverständlich ausfällt, starren plötzlich alle auf ihren Bauch, der jetzt keine Problemzone mehr ist, sondern heilige Brutstätte. Natürlich will sie das Missverständnis baldmöglichst aufklären. Doch irgendwie ergibt sich kein geeigneter Moment für die Wahrheit. Und schon hat sich Friederike in ein Lügengeflecht verstrickt, aus dem sie einfach nicht mehr herauskommt …

 

Wahrheit wird voellig ueberbewertet 

Autor: Heike Abidi
Verlag: Knaur
Erschienen: Februar 2013
ISBN: 978-3426512098
Seitenzahl: 368 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Friederike ist nicht mehr weit von ihrem vierzigsten Geburtstag entfernt und gleicht äußerlich viel eher einer dicken Kuh als einem schlanken Zicklein, wie ihre Ur-Oma es einst so passend formulierte. Als sie unvorteilhaft angezogen zu einem Meeting erscheint, ist es deswegen kaum verwunderlich, dass sie gefragt wird, wann denn das Baby kommt. Viel erstaunlicher ist ihre spontane Antwort „Im Sommer“, die sich leider nicht auf ein Kind, sondern den Projektstart bezieht. Ein Missverständnis, dass Friederike schnellstmöglich aufklären sollte, aber dann bekommt sie durch die Scheinschwangerschaft einen besseren Job und eh sie sich versieht, ist sie gefangen in einem Netz aus Lügen, aus dem es scheinbar keinen Ausweg mehr gibt.
Heike Abidi verarbeitet in diesem Buch eine sehr interessante Idee, die allerlei Potential für verrückte Verstrickungen bietet. Friederikes wildes Versteckspiel steigert sich in immer neue Höhen und hebt sich allein dadurch schon sehr angenehm von den üblichen Frauenromanen des Genres ab. Auch dass die Autorin mit einigen Klischees des Genres spielt, sie erst andeutet und dann eine völlig neue Wendung dazu einbringt, ist sehr gut gelungen.


Stil und Sprache
„Wahrheit wird völlig überbewertet“ wird durch Friederike als Ich-Erzählerin geschildet. Nur an wenigen Stellen wird dies durch Emails oder SMS-Nachrichten unterbrochen. Ansonsten schildert Friederike ihre Erlebnisse und einiges aus ihrer Vergangenheit und spricht den Leser auch immer wieder direkt an. Der Erzählstil und die Wortwahl sind dabei sehr angenehm zu lesen und Friederike bringt auch jede Menge Selbstironie und Humor in die Situationen, die an sich oftmals schon absurd-komisch sind. Dabei gelingt es der Autorin, die witzigen und die emotionalen Szenen gleich gut zu beschreiben und lässt - was den Schreibstil anbelangt - nichts zu wünschen übrig.

Weniger perfekt ist leider der Spannungsaufbau, denn der lässt in der Mitte des Buches deutlich nach. Während es am Anfang direkt mit der verhängnisvollen Lüge beginnt, flacht die Spannung danach merklich ab und das Buch kann kaum noch fesseln. Echte Bedrohungen für ihr Geheimnis gibt es erstmal nicht und stattdessen steigert Friederike sich immer weiter in ihre Geschichte hinein. Einige Gedankenwiederholungen tragen ihr übriges zum Abflachen der Spannungskurve bei. Zum Glück wird das zum Ende hin wieder deutlich besser, bis es dann schließlich zum spannenden Super-Gau im Lügengeflecht kommt. Nur die letzte Lösung aller offenen Fragen und Handlungsstränge ist etwas enttäuschend, denn sie wirkt zu einfach nach all den Problemen und beinahe so, als würden ein paar Seiten Handlung fehlen.


Figuren
Friederike ist eigentlich eine ganz normale Single-Frau Ende dreizig, bis sie sich in ihren Missverständnissen und Lügen verstrickt. In vielen ihrer Probleme wird sich wahrscheinlich so manche Frau wiederfinden und dadurch auch besonders gut mit ihr mitleiden können. Leider wirkt Friederike jedoch nicht durchgängig sympathisch. Dass sie das anfängliche Missverständnis nicht aufklärt, ist noch verständlich, aber je weiter sie in den Schlamassel hineingezogen wird, umso öfter ertappt man sich bei dem Gedanken „selber schuld“. Zum Glück wird dies zum Ende hin besser, so dass man im Finale wieder auf Friederikes Seite steht. Bis dahin hat sie auch eine deutliche Wandlung durchgemacht und ist erheblich verantwortungsbewusster und liebenswerter geworden.

Die Nebencharaktere sind sehr gut gelungen. Lediglich Friederikes Schwester Johanna ist einseitig dargestellt – man wartet eigentlich die ganze Zeit auf einen Bruch in ihrer perfekten Fassade – aber alle anderen Figuren sind sehr abwechslungsreich, glaubhaft und vor allem sympathisch geschildert. Allen voran Friederikes exzentrischer Friseur Gypsy und ihr Papagei Barnabas. Beide stehen immer mit den passenden Ratschlägen zur Seite und vor allem der Papagei sorgt für so manchen Lacher mit seinen wunderbar passenden Lebensweisheiten und Songzeilen. Aber auch die Belegschaft auf ihrer Arbeit, ihr Chef und die verschiedenen Männer, die sie auf ihrem Weg trifft, sind sehr gut gestaltet und bieten dem Leser einiges an Unterhaltung.


Aufmachung des Buches
„Wahrheit wird völlig überbewertet“ ist als Taschenbuch erschienen. Auf dem Cover sieht man eine Frau, die sich aus einem Buchstabendurcheinander am Coverrand ihren Lebenslauf selbst zusammenstrickt. Das Buchstabendurcheinander ist im Buch auch neben den Kapitelanfängen abgedruckt. Durch die Farbgebung und das leichte Hervorheben der Buchstaben ergeben sich so ein schönes Gesamtbild und eine sehr passende Gestaltung.


Fazit
Heike Abidis Roman „Wahrheit wird völlig überbewertet“ liefert in einer schönen Gestaltung eine sehr gelungene Idee mit einer leider nicht perfekten Umsetzung. Das Potential des Konzepts wird nicht voll ausgeschöpft und durch die fehlende Spannung im Mittelteil und das zu abrupte Ende ist es zwar ein gutes Buch, aber leider nicht mehr.


3 Sterne


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