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Die Serie "Krieg der Sambres" ist eine Dark Romance in opulent gezeichneten Bildern. Yslaire versucht, dem Fluch auf die Spur zu kommen, der seit Generationen auf der Familie Sambre liegt. Inmitten der ausschweifenden Welt des Hofstaates der Kaiserin Marie-Antoinette verliebt sich Charlotte de Sambre in den schüchternen Werner von Gotha mit den roten Augen. Ausgerechnet ihre eigene Mutter versucht, Werner zu verführen ...

 

Der Krieg der Sambres 4 

Originaltitel: La Guerre des Sambres – Werner & Charlotte 1
Autor: Yslaire
Übersetzer: Marcel Le Comte
Illustration: Marc-Antoine Boidin
Verlag: Carlsen Comics
Erschienen: Januar 2013
ISBN: 978-3-551-78274-8
Seitenzahl: 56 Seiten
Altersgruppe: ab 15 Jahren (Empfehlung des Rezensenten)


Die Grundidee der Handlung
Dieser neue Zyklus aus dem Krieg der Sambres führt um zwei Generationen weiter zurück in die Vergangenheit, wo die bildhübsche Charlotte Sambre (Großmutter von Hugo Sambre aus dem Zyklus Hugo & Iris) am Hof der österreichischen Kaiserin Maria Theresia den jungen Waisen mit undursichtiger Herkunft, Werner von Gotha, kennen und lieben lernt. Ihre Mutter Jeanne-Sophie hat indes für Charlotte ganz andere Pläne im Sinn …

Neben der sich zart entspinnenden Romanze zwischen Charlotte und Hugo und einer schwierigen Mutter-Tochter-Beziehung, ist dies vor allem ein historisch authentisches und sprachlich sehr ausgefeiltes, scharfzüngiges Gesellschaftsporträt des Hofadels aus dem Zeitalter der Aufklärung. Der neue revolutionäre Zeitgeist spiegelt sich sehr schön in einigen Nebenfiguren, die sich als Anhänger Rousseaus, Voltaires oder Descartes‘ bezeichnen. Dafür tritt Yslaires Hauptidee um den 'Krieg der Augen' stark in den Hintergrund, und die gesamte Szenerie findet sich nicht wie bisher in Frankreich, sondern weitab der Heimat der Sambres, in Wien, wieder.
Befreit vom komplexen Ballast früherer Bände, wäre dies also der ideale Einstiegs-Zyklus in das sich immer weiter ausdehnende Sambre-Universum. Sowieso rate ich Neulingen, die Zyklen nicht in der Reihenfolge ihres Entstehens, sondern inhaltlich chronologisch zu lesen, d.h. diesen Zyklus zuerst, gefolgt von Hugo & Iris und erst zuletzt den ursprünglichen Sambre-Zyklus (siehe Backlist).


Beurteilung der Zeichnung / Textdarstellung
Wie schon zuvor in Hugo & Iris, gibt Yslaire die graphische Umsetzung seines neuesten Sambre-Zyklus‘ wieder in fremde Hände ab, diesmal in die von Marc-Antoine Boidin (Cheri-Bibi, Splitter Verlag). Und der meistert die schwierige Aufgabe mit Leichtigkeit. Boidin schafft es, seinen eigenen Stil einzubringen, ohne mit dem von Yslaire zu brechen, der monochromen Optik neue Facetten abzugewinnen und das außerordentlich hohe künstlerische Niveau auch mit diesem Zyklus beizubehalten. Mehr kann man eigentlich nicht verlangen.

Dominierender Farbton ist bei Boidin ein sattes, warmes Braun, das entweder über Beige in Weiß übergeht oder über Rost in das zwingende, Sambre-charakteristische Rot wechselt. Andere Farbabstufungen wird man vergeblich suchen. Selbstverständlich findet sich das Rot wieder in den geheimnisvollen Augen Werners von Gotha und weiter in den Kleidern, Haaren und üppig geschminkten Lippen der beiden Sambre-Frauen. Das Rot fügt sich erstaunlicherweise recht harmonisch in die Panels und wirkt lange nicht so verstörend als sonst, denn Blut fließt diesmal keines. Es ist nicht wie in den Vorgängerbänden das Blutrot, das an die  Panels bannt und einem gruselige Schauer bereitet, nein, Weiß ist Boidins neue Zauberformel!

Wenn einem Jeanne-Sophie Sambre mit weißgepuderter Perücke und kalkweiß geschminktem Gesicht, starr wie eine Maske, aus schwarz-glühenden Sambre-Augen entgegenblickt, weiß man, vor dieser Frau muss man sich in Acht nehmen. Unnötig zu sagen, dass sie einen kühl-berechnenden Charakter hat. Eine ebenso schillernde Figur stellt der Kanoniker de Saintage dar. Mit eisblauen Äuglein inmitten eines tief zerfurchten, weiß geschminkten Gesichts gleicht er weniger einem Diener Gottes als Satan höchst selbst. Angeblich ist er unsterblich und hat schon Ramses II. gekannt. Diese Nebenfigur hat übrigens einen realen Bezug zu einem gewissen Graf von Saint Germain, der ab 1715 in der Pariser Gesellschaft für Furore sorgte und ebenso von sich behauptete, unsterblich zu sein. Und noch eine reale Person hat einen Miniauftritt auf Seite 17: am Klavier sitzt ein Wunderkind mit weißer Kringellocken-Perücke, das der schnieken Abendgesellschaft seine erste Oper vorstellt.

Auch eine dichte Atmosphäre versteht Boidin mit seinen Bildern zu erschaffen. Anders als in den übrigen Sambre-Bänden, bedient er sich dazu jedoch nur ganz weniger Außen- und Landschaftsaufnahmen, da sich die Handlung hauptsächlich in geschlossenen Räumlichkeiten abspielt, wo aber nicht minder mit Licht- und Schattenreflexen experimentiert werden darf, bieten die mit Kerzen beleuchteten hohen, großen Räume doch den passenden Rahmen. Wenn in wenigen Panels ein Stück neblig trübe November-Außenwelt offenbar wird, ist diese wunderbar stimmungsvoll anzusehen, aber nicht unbedingt Wien-charakteristisch, denn Schlösser und Parks in dem Stil gibt es zuhauf in ganz Europa.

Der Text bewegt sich auf ebenso hohem Niveau wie der Rest des Comics. Ich behaupte mal, er ist eines Romans würdig. Ein dickes Lob gebührt da natürlich auch der deutschen Übersetzung. Sehr hilfreich fand ich auch die Fußnoten für viele spezielle Ausdrücke. In der Textdarstellung lehnt man sich ganz an den Zyklus Hugo & Iris an, d.h. eckige Sprechblasen mit Großschrift, der Erzähltext dagegen ohne Umrandung mit kursiver, feingeschwungener Groß- und Kleinschrift. Soundwords gibt es hier keine.


Aufmachung des Comics
Das Cover in den typischen Rottönen gehalten, ist für alle Sambre-Fans unverkennbar, zudem lehnt man sich mit den zwei kleinen gerahmten Porträts von Charlotte und  Werner von Gotha eng an die Gestaltung der Hugo & Iris-Alben an.

Wie nicht anders zu erwarten, ist das Hardcover Album in allerbester Papier-, Druck- und Bindungsqualität verlegt, daneben hat es noch einige Extras zu bieten wie eine kurze Einleitung, eine doppelseitige Serien-Chronologie und die neueste Zyklen-Übersicht, das alles noch vor dem Hauptteil sowie eine Alben-Übersicht nebst Familienstammbaum zum Schluss. Interessant für alle Fans dürften bei der Zyklen-Übersicht die Alben in Planung sein. Nur blöd, dass sich in dem ansonsten so schönen und perfekten Album zwei Schludrigkeitsfehler eingeschlichen haben: so heißt es in der Inhaltsangabe Hugo von Gotha statt Werner von Gotha und in der Zyklen- und Alben-Übersicht wird ein bereits veröffentlichtes Album als nichtexistent behandelt.


Fazit
Mit jedem neuen Zyklus begibt sich Autor Yslaire in seiner düsteren Familienchronik der Sambres weiter zurück in die Vergangenheit. Werner & Charlottes Geschichte handelt im Jahr 1768 am Hof der österreichischen Kaiserin Maria Theresia und ihrer Tochter, der zukünftigen Marie Antoinette. Als Zeichner hat sich Yslaire diesmal Marc-Antoine Boidin ins Boot geholt, der seine Aufgabe mit Bravour meistert, weshalb auch dieser Zyklusbeginn wieder Comickunst vom Feinsten bedeutet.

 
4 5 Sterne


Hinweise
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Neueinsteiger können beherzt zu diesem Album greifen, denn sich von hier aus in der Historie vorzukämpfen, ist eine ebenso gute Möglichkeit das französische Adelsgeschlecht der Sambres kennenzulernen, als mit Autor Yslaire rückwärts zu gehen.

Backlist:
Der Krieg der Sambres – Zyklus Hugo & Iris (1830-1847):
- Band 1
- Band 2
- Band 3

Sambre – Erster Zyklus (1847-1848):
Sammelband 1-4: Der Krieg der Augen

Sambre – Zweiter Zyklus (1856-1862):
Band 5: Verflucht sei die Frucht ihres Leibes
Band 6: Das Meer, vom Fegefeuer aus gesehen

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