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tolkiens welt
J.R.R. Tolkien entführt in den Romanen »Der Herr der Ringe« und »Der Hobbit« die Leser nach Mittelerde, eine mit Hobbits, Elben, Zwergen und Orks bevölkerte Fantasiewelt. Tolkien hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass Mittelerde keine imaginäre Welt ist, sondern seine Wurzeln in den mythischen Vorstellungen der Angelsachsen, Kelten, Wikinger und Germanen hat. Schon bei diesen Völkern gab es vor mehr als tausend Jahren Mythen über Zauberringe, geschwätzige Lindwürmer und Orks.
Begleiten Sie den renommierten Sachbuchautor Arnulf Krause in die wirkliche Mittelerde. Spinnen Sie die uralten mythischen Fäden weiter und lernen Sie neue Aspekte der fantastischen Welt Tolkiens kennen – Gandalf wartet schon auf Sie. 

 

Die wirkliche Mittelerde 

Autor: Arnulf Krause
Verlag: Theiss Verlag
Erschienen: 26. September 2012
ISBN: 978-3806224788
Seitenzahl: 232 Seiten

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Umsetzung, Verständnis und Zielgruppe

Da liest ein Professor für Alt- und Mittelenglisch einen Satz aus dem Werk "Crist" des angelsächsischen Dichters Cynewulf : Eala Earendel engla beorhtast ofer middangeard monnum sended („Heil dir Earendel, strahlendster Engel, über Mittelerde den Menschen gesandt“) und ist so vom Klang des Wortes "Earendel" fasziniert, dass er dann in vielen, vielen Jahren eine eigene Mythologie für seine angelsächsische Heimat entwickelt. Was anfangs für den Professor nur eine private Spielerei darstellt, wird schließlich zu einem Bestandteil der Popkultur. Ob sich der "Hobbit" und "Der Herr der Ringe" auch als Literatur behaupten können, muss sich noch zeigen.

Arnulf Krause unternimmt nun den Versuch, Tolkiens "Mittelerde"-Mythos mit der "Wirklichen Mittelerde"-  wie er es nennt - zu vergleichen. Was versteht man nun darunter? "Middangeard" ist die angelsächsische Bezeichnung (auch für andere germanische Bevölkerungsgruppen bezeugt) für die real existierende Welt der Menschen. Ein Begriff, der sich ungefähr für die Zeit der Völkerwanderung, über das frühe Mittelalter bis ca. zum Beginn des späten Mittelalters anwenden lässt. Anhand von verschiedensten Elementen der Tolkienschen Dichtung (denen er jeweils ein Kapitel widmet) - wie Zwergen, Elben oder auch Schwertern und Ringen sowie Sagen und Bestattungsriten - legt der Autor dar, wie die Menschen in der erwähnten Zeit gelebt, gedacht und gedichtet haben."Die Menschen" sind die germanischen Stämme des Nordens, ihre Ableger in Skandinavien und der britischen Insel. Ferner vergleicht er deren Ideen mit denen der Kelten und zum Teil weiter zurückliegenden Epochen wie der Bronzezeit. Nebenbei erfährt man auch noch etwas zur Geschichte der Römer, den Hunnen und der Christianisierung. Das Epos "Beowulf" spielt eine große Rolle und wird wiederholt zitiert oder erwähnt. Sagen aus der "Älteren und Jüngeren Edda" werden erzählt, die Form ihrer Überlieferung und sogar eine Einführung in die Schrift der Kelten, Germanen und schließlich den Veränderungen, die die Lateinische Schrift im Laufe der Jahrhunderte erfahren hat, wird vom Autor gegeben.
Trotz mancher Details bleibt er doch an der Oberfläche, denn anhand der Fülle des Materials bleibt ihm gar nichts anderes übrig. Und ungewollt kommt es auch zu Wiederholungen – um das "Nibelungenlied" und seine Entsprechung in Island kommt er halt nicht drumherum. Dennoch muss ich etwas Kritik üben, denn einige Schlussfolgerungen erscheinen mir spekulativ- und damit meine ich nicht, was Tolkien sich dabei gedacht haben könnte, sondern es geht um Arnulf Krauses eigenes Gebiet, schließlich ist er Germanist und Skandinavist. Bei den Túatha Dé Danann kann er sich nicht entscheiden, ob es sich nun um zauberkundige Menschen, Elfen oder Götter der Kelten handelt. Mal so, mal so, wie es gerade passt. Ebenso gibt es den Fall, dass keltische Gräber in Süddeutschland schon relativ kurze Zeit nach der Bestattung wieder geöffnet und geplündert wurden - auf Seite 132 ist der Grund dafür unsicher, dann auf Seite 165 waren Räuber dafür verantwortlich. Und später behauptet er dann, dass die Ringe von Kettenhemden "verschweißt" wurden. Meine Recherchen konnten das für diese Zeit nicht bestätigen.

Soviel zu den Wurzeln von Tolkiens Werk in der "Wirklichen Mittelerde". Fragt man sich nun noch: hat der Verfasser überhaupt eine Ahnung von dessen Werk? Ja hat er, zumindest inhaltlich macht er keine Fehler, wie so mancher andere, der auf den lukrativen Zug aufspringt und seine eigenen Werke durch den Bezug zu Tolkien besser vermarkten zu können glaubt. Kleine Fehler allerdings gibt es, so wird z.B. Melkor bereits zum Ende des "Ersten Zeitalters" verbannt und kann deshalb im "Dritten Zeitalter" persönlich kein Unheil mehr stiften, wie Krause angibt. Auch ist Elrond kein "Elbenfreund" (Ehrentitel der Elben für Menschen), sondern ein Halbelb. Bei solchen Dingen sollte man sich aber nicht aufhalten, schwerer wiegt da schon, dass er den Sippenmord nicht erwähnt, der zur Verbannung der Noldor nach Mittelerde führt. Dieser ganze Komplex, der schwerwiegende Folgen für die Geschichte des "Herrn der Ringe" hat (und im "Silmarillion" erzählt wird), passt ihm wohl nicht ins Konzept und so bleibt sein Bericht zum Wesen der Elben und ihren Pendants in der "Wirklichen Mittelerde" unvollständig. Als Tolkien-Leser weiß man, dass sich jener bei den Mythen der Altvorderen bedient hat und auch wo. Das "Wie" von einem Kenner der Germanen zu erfahren wäre interessant gewesen. Was hat er verändert, wie genau sehen die Parallelen aus, was hat er übernommen oder gar abgekupfert? Diese Fragen bleiben ungeklärt. Dabei greift Krause nicht nur auf sämtliche zur Zeit (für "Mittelerde" relevanten) erhältlichen Werke (auch die wissenschaftlichen) Tolkiens zurück, sondern auch auf bekannte Sekundärliteratur unter anderem von Tom Shippey, die die eben gestellten Fragen zum Teil beantworten. Weshalb lässt er deren Forschungsergebnisse nicht in sein Buch einfließen oder, noch besser, ergänzt sie?

So bleibt man nach der Lektüre etwas ratlos zurück. Ich weiß auch nicht genau zu sagen, für welche Zielgruppe Krause geschrieben hat. Der Untertitel (Tolkiens Mythologie und ihre Wurzeln im Mittelalter) suggeriert zwar, sich an Tolkien-Fans zu wenden, aber da ist zu wenig Tolkien drin, obwohl es drauf steht. Zugegeben, das Buch lässt sich gut lesen, die Sagen sind spannend erzählt (auch noch in der Wiederholung) und man erfährt einiges über die Zeit der Völkerwanderung und danach; Jahrhunderte, die häufig zu Gunsten des späten Mittelalters vernachlässigt werden, zum Teil auch deshalb, weil man aufgrund der dürftigen Quellenlage nicht viel darüber weiß. Aber die Informationen zu Tolkiens Welt sind mir einfach zu wenig. Wer wissen will worauf Tolkien seine Mythologie in ihrer Gesamtheit aufgebaut hat, der sollte zu den Büchern von Tom Shippey greifen, denn dieser führt auch das finnische Epos "Kalevala" auf, ebenso die biblischen und antiken Quellen, deren sich der Autor des "Herrn der Ringe" ebenfalls bedient hat, wenn auch in geringerem Maße, und die hier bei Krause keine Erwähnung finden, obwohl auch sie im Grunde zur "Wirklichen Mittelerde" gehören. 


Aufmachung des Buches
Das cremefarbene, gebundene Buch verfügt über rote Vorsatzblätter und Fadenheftung, der Schutzumschlag ist ansprechend gestaltet. Das Cover zeigt die Weltkarte von P. Andreas Walsperger (1448), darübergelegt wurde ein rotes Rechteck, das Titel, Untertitel und Name des Autors aufführt. Quellenhinweisen und weiterführende Literatur sowohl zu Tolkien, als auch zur "Wirklichen Mittelerde" schließen das Buch ab. 


Fazit
Nix Neues für Tolkien Fans, die sich mit seinem Werk bereits auseinander gesetzt haben. Für die beiden "Eddas" und „Beowulf“ lassen sich sicher auch genauer ausgeführte Werke finden. Wer aber noch gar nichts über die "Wirkliche Mittelerde" weiß, der findet hier zumindest eine brauchbare Einführung ins Thema.

2 5 Sterne


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