Andrea Gunschera hat bereits einige Bücher veröffentlicht, spätestens mit ihrer "City of Angels"-Serie hat sie sich einen Namen gemacht. Nun ist kürzlich ein neuer Roman aus ihrer Feder erschienen, "Die dunklen Farben des Lichts". Der Leser-Welt hat sie einige Fragen dazu beantwortet.
Liebe Andrea, ich freue mich, dass wir uns nach knapp drei Jahren wieder einmal unterhalten. Kürzlich ist ein neuer Roman von dir erschienen, "Die dunklen Farben des Lichts". Warum bist du bei diesem Buch den Weg der Selbstvermarktung als eBook gegangen?
Liebe Jana, ich freue mich auch sehr! Wir sollten das öfters machen [lacht] Und ja, ‚Die dunklen Farben des Lichts‘ ist seit August als eBook erhältlich. Es gibt natürlich auch eine Hintergrundgeschichte, warum das Buch gerade in dieser Form erscheint und nicht auf konventionellem Weg über einen Verlag, wie bei meinen anderen Titeln.
Wie viele andere Autoren auch, beobachte ich mit großem Interesse den eBook-Markt, der seit ein paar Jahren dynamisch wächst und viel Bewegung in die Bücherwelt bringt. Insbesondere Amazon hat mit ihrem KDP – Kindle Direct Publishing Programm – die Tür aufgestoßen für eine riesige Welle selbst publizierender Independent-Autoren, die mit extrem günstigen Preisen, aber oft auch durchwachsener Qualität in den eBook-Markt drängen. Zugleich tritt Amazon selbst als Verleger auf und hat in dieser Funktion vornehmlich in den USA Bestseller-Autoren wie Barry Eisler oder J. A. Konrath gewinnen können, die dem Programm viel Aufmerksamkeit aus der schreibenden Zunft verschafft haben.
Die Selbstveröffentlichung hat auf diese Weise etwas von ihrem Stigma verloren. Auch in Deutschland versuchen sich etliche namhafte Autoren mit dem Experiment ‚Selbstverlegtes E-Book‘, meist mit Frühwerken, die aus der Schublade gezogen und noch einmal überarbeitet wurden, mit Kurzgeschichten, oder auch mit älteren Titeln, die über den Verlagsweg längst nicht mehr erhältlich und bei denen die Rechte an den Autor zurückgefallen sind.
Auch ich hatte mich schon länger mit der Überlegung getragen, einmal diesen Versuch zu wagen. Den offensichtlichen Nachteilen (Lektorat, Marketing und Vertrieb bleiben beim Autor hängen) steht die Verlockung sehr hoher Tantiemen aus dem Verkauf gegenüber. Und wie kann man sich eine Meinung über einen neuen Vertriebsweg bilden, wenn man es nicht selbst einmal ausprobiert hat? Ich habe – wie auch die anderen – das Risiko gescheut, ein ganz neues Buch für mein Experiment zu schreiben, denn man muss sich nichts vormachen: Bis auf ganz wenige Ausnahmen erreicht man als Selbstveröffentlicher nur einen Bruchteil der potentiellen Leserschaft gegenüber der Reichweite eines Verlags, und das kann die höhere Tantieme nicht ausgleichen. Und da auch ein Schriftsteller nicht nur von Luft und Liebe leben kann, müssen wirtschaftliche Überlegungen bei allem Idealismus eine Rolle spielen.
Ich hatte aber ein fertiges Manuskript in der Schublade liegen, das ich vor ein paar Jahren geschrieben habe, zu einer Zeit, als ich noch unveröffentlicht war. Es ist mir damals nicht gelungen, einen Verlag von dem Projekt zu überzeugen. Und auch heute, um vier veröffentlichte Romane und etliche Erfahrungen reicher, wollte niemand sich diesen Schuh anziehen, obwohl es durchaus positive Rückmeldungen gab. Man hielt das Manuskript für schwer verkäuflich, vor allem weil es nicht klar einem Genre zuzuordnen ist. Ein Teil Kunstfälscherkrimi, eine unkonventionelle Liebesgeschichte, ein Teil Absturz-Drama, das Ganze am ehesten Gegenwartsliteratur. Ich mag das Buch persönlich allerdings sehr. Also entschied ich, die Geschichte noch einmal zu überarbeiten und für mein persönliches eBook-Experiment zu verwenden.
Wird es dieses Buch in absehbarer Zeit auch in gedruckter Form geben?
Man soll ja niemals nie sagen, aber realistisch betrachtet fürchte ich, das wird zumindest in den kommenden ein bis zwei Jahren nicht passieren. Das Buch ist kein eBook-Bestseller mit fünfstelligen Verkaufszahlen, die einen Verlag interessieren könnten, unmittelbar eine Printausgabe aufzulegen. Und selbst eine gedruckte Version herausbringen möchte ich nicht, da stehen Aufwand und erwarteter Erfolg in keinem Verhältnis.
Malerei ist eines der wichtigen Themen in diesem Buch. Was fasziniert dich daran so sehr?
Ich male selbst seit meiner Kindheit. Man könnte sagen, dass Malerei über viele Jahre hinweg mein liebstes Hobby war und zumindest in Teilen auch in meine Berufswahl eingeflossen ist. Ich habe an einer Kunsthochschule studiert, allerdings nicht Malerei, sondern Design, denn natürlich hatte meine Mutter recht, wenn sie sagte: Kind, denke dran, du musst auch von was leben! Ich hatte aber immer viel Kontakt zur freien Künstlerszene.
An der Malerei selbst fasziniert mich zuerst der schöpferische Prozess, nicht sehr viel anders als auch beim Bücherschreiben. Schon dieser Moment, wenn man ein Blatt Papier oder eine Leinwand zum ersten Mal mit Farbe benetzt, das ist wie ein magischer Funke. Und eine Vision zum Leben zu erwecken, das ist einfach ein wunderbarer Prozess. Man hat eine Idee, man zeichnet eine Skizze, man verleiht ihr mit den Farben Tiefe.
Und dann ist Malen ja auch ein sehr sinnlicher Prozess. Die Farben und Texturen der Pigmente und der Maluntergründe schmeicheln dem Auge, man ist umzingelt von vielfältigen Gerüchen, Öle und Terpentin, Harze und Farbmischungen. Die unterschiedlichen Papiersorten. Malen hat viel mit Haptik zu tun, mit der Stimulanz des Tastsinns. Allein wie sich der weiche, elastisch federnde Quast eines Marderhaarpinsels anfühlt, wenn man ihn vor dem Eintauchen in die Farbe trocken über den Handrücken oder die Daumenkuppe streicht. Und das Atelier eines Malers, das ist wie eine Schatzkammer, wenn man die Schubläden aufzieht und sich die Kreiden und Stifte und Pigmente anschaut, die Pinsel und die Malmesser, die Kalligraphiefedern und was sonst noch dort an Schätzen lagert. Ich werde sofort ganz wehmütig, wenn ich nur daran denke, während ich hier vor meinem Computermonitor sitze.
Der Roman lässt intensive Recherche vermuten, insbesondere auf dem Bereich der Kunstfälschung. Woher kennst du dich mit diesem Thema so gut aus?
Wie ich schon sagte, fühle ich mich in der handwerklichen Seite der Malerei recht sattelfest, weil ich selbst viele Jahre gemalt habe. Fälschung ist nun nicht mein unmittelbares Metier, da musste ich in der Tat viel recherchieren. Vor allem in der Fachliteratur über Restauration wird man aber fündig, denn Fälschen und Restaurieren liegen nah beieinander. Ein herausragender Restaurator könnte wahrscheinlich auch gut fälschen, denn er beherrscht die Maltechniken seiner Epoche und kennt sich in der Materialkunde aus. Er weiß, welche Pigmente und Untergründe zum Einsatz kommen, was an Schichten zu erwarten ist, wenn man ein Gemälde aus einer bestimmten Epoche analysiert. Zur rein handwerklichen Seite kommt kunstgeschichtliches Wissen hinzu. Wenn ich eine eigenständige Fälschung anfertigen möchte, keine Kopie, sondern ein neues Bild, muss ich das Werk und die Epoche des Meisters sehr gut kennen. Das Motiv muss sich ja in sein sonstiges Schaffen nahtlos eingliedern. Im Falle Vermeers, um den es in den ‚Dunklen Farben des Lichts‘ geht, wird der Fälscher zum Beispiel eine bürgerliche Alltagsszene wählen, weil ein Großteil der Vermeer-Gemälde diesen Themenkreis abbildet. Würde da plötzlich eine Madonnendarstellung auftauchen, wäre das zumindest ungewöhnlich und würde vielleicht Zweifel bei der Echtheitsprüfung aufwerfen.
Gibt es einen bestimmten Grund, dass du dich für Brüssel als Schauplatz der Handlung entschieden hast?
Ich kenne Brüssel gut, weil ich ein paar Jahre lang immer wieder beruflich dort zu tun hatte. Mir gefällt die Atmosphäre dieser Stadt, die sich halb flämisch, halb französisch anfühlt. Kunst ist allgegenwärtig in Brüssel.
Bei mir sind Schauplätze immer auch eine Frage der Chemie. Ich halte mich an einem Ort auf und dann schiebt sich in meinem Kopf etwas zusammen, dann kommt mir eine Idee, die genau an diesen Ort passt. So war es auch mit Brüssel. Ich glaube, ich hatte damals einen Artikel über ein neu entdecktes Vermeer-Gemälde gelesen, das bei der Auktion für viele Millionen Euro verkauft wurde, und bin ein Weilchen später über einen anderen Artikel zu Han van Meegeren gestoßen, einen berühmten holländischen Vermeer-Fälscher zur Nazi-Zeit, der nur deshalb aufflog, weil er sich selbst als Fälscher anzeigte, um einem Prozess wegen Verkaufs von Kulturschätzen an den Feind (Nazi-Deutschland) zu entgehen.
Dann war ich in Brüssel unterwegs und die Puzzleteile fügten sich zu dieser Geschichte.
Es wird oft gesagt, dass es leichter fällt, aus der Sicht einer gleichgeschlechtlichen Figur zu schreiben. Du lässt jedoch den Künstler Henryk Grigore erzählen. Warum keine Malerin?
Ja, das ist eine gute Frage [lacht] Wenn ich so darüber nachdenke, muss ich zugeben, dass ich sogar lieber männliche als weibliche Protagonisten schreibe. Den Grund kann ich jetzt gar nicht so recht erklären, aber wenn ich mir meine anderen Bücher anschaue, kommt (mit einer einzigen Ausnahme) die tragende Hauptrolle tatsächlich immer einem Mann zu. Ich erzähle auch aus Sicht von Frauen, aber mir macht es immer ein Quäntchen mehr Spaß, die männlichen Rollen zu schreiben.
Bei den ‚Dunklen Farben des Lichts‘ hat die Besetzung der Hauptrolle aber auch dramaturgische Gründe: Die Tragik der Figur schien mir an einem Mann einfach glaubwürdiger, als bei einer Frau. Der verzweifelte Kampf nach öffentlicher Anerkennung, das Drängen danach, in der Gesellschaft etwas darzustellen, das ist etwas, das man – glaube ich – bei Männern in dieser Verbissenheit häufiger findet als bei Frauen. Das mag auch durch das traditionelle Rollenbild geprägt sein. Hunderttausend Jahre Evolution lassen sich nicht einfach einebnen [lacht]
Sind Künstler tatsächlich so exzentrisch, wie du Henryk in diesem Buch darstellst?
Mit Sicherheit nicht alle Künstler, aber es gibt schon Exemplare, die Henryk in diesem Buch nahekommen. In meiner Studienzeit habe ich einige kennengelernt, die mir zumindest in Teilen bei der Charakterentwicklung Modell gestanden haben. Vielleicht ist es so, dass Exzentrik in Kombination mit einer starken künstlerischen Neigung häufiger auftritt als bei anderen Berufsgruppen.
Beispielsweise für den Sieben-Verlag entwirfst du zahlreiche Coverillustrationen. Bei "Die dunklen Farben des Lichts" hast du dich erstmals daran gewagt, für eines deiner Bücher das Cover zu gestalten. Wirst du das von nun an öfter selbst in die Hand nehmen?
Ich habe zu meiner Überraschung festgestellt, dass ich mich unheimlich schwer damit tue, für ein eigenes Buch das Cover zu gestalten. Das war eine interessante Erkenntnis. Vielleicht liegt es daran, dass man das eigene Buch zu gut kennt, dass man zu voreingenommen ist, zu viel auf einmal will – und am Ende kommt etwas heraus, mit dem man nicht hundertprozentig zufrieden ist. Das hätte ich nie gedacht, aber im Ergebnis muss ich nun sagen, dass ich ganz froh bin, dass bei meinen anderen Büchern fremde Grafiker die Covergestaltung übernehmen. Man muss sich da auch zurückhalten, den Künstler gewähren lassen, ihm vertrauen. Das ist gar nicht so einfach, wenn man selbst Grafiker ist, das habe ich bei den Covern meiner ersten Bücher bemerkt, die vom Sieben Verlag beauftragt wurden, bevor ich dort die Coverillustrationen übernommen habe.
Bei meinem neuen Roman, der im Januar erscheint, habe ich das fertige Cover vom Verlag präsentiert bekommen, ohne in den Gestaltungsprozess involviert gewesen zu sein. Das ist natürlich ein sehr aufregender Moment, wenn man als Autor sieht, wie ein anderer Künstler die eigene Geschichte interpretiert. So etwas kann auch schief gehen, aber ich habe da bislang immer viel Glück gehabt.
Wie bist du überhaupt dazu gekommen, Covers zu gestalten?
Ich habe ja einen Background als Industriedesigner und habe die letzten Jahre als Kreativdirektor gearbeitet, da ist Grafik mein täglich Brot. In die Covergestaltung bin ich aber durch einen Zufall geraten. Zum Erscheinen meines Romans ‚Engelsbrut‘ vor drei Jahren hatte ich eine Reihe von Desktop-Motiven für den freien Download gestaltet, auf die auch die Kolleginnen vom Sieben Verlag aufmerksam wurden. Darüber ergab sich die Anfrage, ob ich wohl auch Buchcover-Motive gestalten könnte. Über die Jahre hat sich daraus eine wunderbare Zusammenarbeit ergeben, in deren Folge ich jetzt den Großteil der Coverdesigns für den Verlag betreue.
Wie gehst du bei der Ausarbeitung eines Covers vor?
Ich lese mir zunächst einmal die Inhaltsangabe des jeweiligen Buches durch und lasse mir durch den Verlag einige Zusatzinformationen geben: Dazu gehören insbesondere das Aussehen und besondere Eigenschaften der Protagonisten, die Schauplätze sowie Hinweise auf Elemente, die eine wichtige Rolle in der Handlung spielen. Wenn sich also z.B. alles um Briefe dreht, werde ich die wahrscheinlich als Element in die Cover-Gestaltung einarbeiten.
Dann ist es oft auch so, dass der Verlag Wünsche zur Stilrichtung äußert. Und natürlich schaue ich mich auch sonst um, was auf dem Buchmarkt gerade en vogue ist. Ein Cover soll durch seine Gestaltung ja die Zielgruppe des Buches ansprechen.
Mit all diesen Informationen im Hinterkopf überlege ich mir dann, wie die Illustration aussehen könnte. Ich kaufe passendes Fotomaterial aus Stock-Datenbanken wie Shutterstock zu und erarbeite daraus eine Reihe von Entwürfen, aus denen sich der Verlag seinen Favoriten aussucht. Meine Cover sind überwiegend Fotomontagen mit ein wenig Detailmalerei, damit dann alles zusammenpasst.
Arbeitest du bereits an einem weiteren Buch?
Immer [lacht] In den kommenden vier Monaten erscheinen gleich zwei neue Bücher von mir, auf die ich mich beide sehr freue. Das erste ist ‚Purpurdämmern‘, ein Fantasy-Roman für Jugendliche ab 14 und junge Erwachsene, der bereits in diesem Januar bei Ueberreuter als wunderschönes, in Leinen gebundenes Hardcover erscheint.
Das zweite ist ein historischer Roman, der in Boston und Hawaii des 19. Jahrhunderts spielt und der sich aktuell gerade im Lektorat befindet. Dazu kann ich noch keine Details verraten, aber auch dieses Buch wird noch in der ersten Jahreshälfte 2013 erhältlich sein.
Ich danke dir für das interessante Interview und wünsche dir weiterhin viel Erfolg mit deinen Büchern!
Vielen Dank an Dich für die Gelegenheit zum Plaudern! Es hat mir wie immer viel Spaß gemacht!
Hinweis: Andrea Gunschera hat der Leser-Welt bereits 2008 und 2009 einige Fragen zu Ihrer Arbeit als Schriftstellerin und Ihren Romanen beantwortet; diese findest du hier: