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Jens Schumacher klein


Der Vollblutschriftsteller Jens Schumacher hat nicht nur unzählige, erfolgreiche Bücher in verschiedenen Genres verfasst, er leitet auch kreative Workshops und unternimmt deutschlandweite Lesereisen, wenn er nicht gerade schreibt. In seinem neuesten Werk „Frozen“ geht es in die tiefste Antarktis, wo unter dem Eis Unvorstellbares lauert ...


Dein neues Werk »Frozen« startet nicht nur mit einem Zitat von H. P. Lovecraft, es ist auch im besten Sinne als Hommage an einen Klassiker der Science Fiction-/Horror-Literatur des Autors zu verstehen. Warum wolltest du zurück in die Berge des Wahnsinns?

»Berge des Wahnsinns« zählt neben einigen anderen Lovecraft-Texten zu den Geschichten, die meine Arbeit in der Anfangsphase stark beeinflusst haben. Als ich den Band viele Jahre später wieder aus dem Regal zog, stellte ich mit Schrecken fest, dass er jüngeren Lesern (für die ich mittlerweile vorrangig schreibe) heutzutage schlicht und ergreifend nicht mehr zuzumuten ist. Stilistisch und formal teilen Lovecrafts Geschichten das Schicksal vieler Klassiker der Weltliteratur, die stilistisch als auch formal mit den Lesegewohnheiten heutiger Leser nicht mehr vereinbar sind; zumindest nicht ohne flankierenden Geschichtsunterricht, was in der Praxis leider nicht darstellbar ist. Um einen seiner in meinen Augen faszinierendsten Stoffe für jüngere Rezipienten interessant zu halten, entschied ich mich, einen Roman zu schreiben, der das Setting sowie bestimmte Handlungselemente des Originals aufgreift, sie jedoch deutlich modernisiert und sich ab einem bestimmten Punkt deutlich von den Originalmotiven entfernt. Ähnlich wie bei meiner Ratekrimi-Serie PROFESSOR BERKLEY, die intertextuell mit Sujets aus den Erzählungen Arthur Conan Doyles spielte, ist meine unterschwellige Hoffnung auch hier, dass sich vielleicht der eine oder andere angetane (junge) Leser ein paar Jahre später doch noch mal an die Originale heranwagt.


Wie kam es zum englischen Titel »Frozen?« Hast du ihn selbst ausgesucht oder war ursprünglich etwas anderes angedacht?

Der Titel stammt von mir. Wie alle meine Buchtitel habe ich mich in erster Linie für ihn entschieden, weil ich fand, dass er gut klingt. Positiver Nebeneffekt war, dass englische Titel im Lesealter ab 14 sehr angesagt sind. Ein weiterer Hintergedanke meinerseits war, den Roman durch einen modernen Titel von den ganzen Old School-Pastiches mit ihren klischeehaften »… des Schreckens«-Titeln abzuheben – ein Vorhaben, dass durch den vom Verlag hinzugefügten Untertitel leider wieder ein bisschen ausgehebelt wurde.


Die Expedition in die Antarktis wird sehr detailliert beschrieben, vor allem was die Ausstattung der Teilnehmer und technische Neuerungen betrifft, und zeugt von großem Hintergrundwissen. Wie umfangreich waren deine Recherchearbeiten für das Buch?

Tatsächlich habe ich für »Frozen« mehr recherchiert als für jedes andere belletristische Buch, das ich bisher geschrieben habe – und ich benutze dieses Wort im Gegensatz zu vielen meiner Kollegen nicht inflationär. Rund ein halbes Jahr vor dem Schreiben habe ich begonnen, Sachbücher über die Antarktis zu sammeln, mich anschließend rund vier Wochen lang in das Thema eingelesen. Interessanterweise waren in diesem speziellen Fall die Printmedien erheblich aufschlussreicher als das Internet. Wie bei jeder guten Recherche landeten spätestens beim Überarbeiten des fertigen Manuskripts 90% des ganzen Fachwissens wieder in der Tonne, damit das Buch auch gut lesbar blieb. Als Folge dieser extensiven Lektüre kenne ich mich seitdem so gut mit der südlichen Polarregion aus, dass ich theoretisch flankierend zu meinen Lesungen aus »Frozen« einen abendfüllenden Vortrag anbieten könnte … mit Dias! Aber eine innere Stimme sagt mir, dass der wahrscheinlich nicht halb so häufig gebucht würde wie die stinknormalen Lesungen. [lacht]


Unternimmst du für deine Recherchen auch Reisen oder bist du eher der Schreibtischtäter?

Wo es möglich und ökonomisch sinnvoll ist, besuche ich die Orte, an denen meine Bücher spielen, gerne selbst. Oder ich verlagere Geschichten an Plätze, an denen ich schon mal war und über die ich etwas sagen kann. Im Fall von »Frozen« wäre eine Reise zum Südpol einzig zu Recherchezwecken zeitlich und finanziell unsinnig gewesen … wenngleich man mir, als das Buch bereits fertig war, eröffnete, dass die Verlagsleitung von Loewe bestimmten Autoren durchaus mal die eine oder andere Recherchereise finanziert habe. Leider habe ich mich im Vorfeld des zweiten Bandes nicht weiter darum gekümmert. Aber für Band drei, der im Amazonasdschungel spielen soll, werde ich höflich anfragen, ob man mich nicht mal zwei, drei Wochen nach Südamerika schicken will …


Welche Kriterien muss ein gutes Jugendbuch für dich erfüllen, um über viele Jahre bestehen zu können?

Ich persönlich unterscheide diesbezüglich nicht zwischen Jugendbüchern und solchen für Erwachsene. Wenn mir ein Roman gefällt und ich ihn zehn Jahre später noch lesen kann, ohne dass sich mir die Fußnägel hochrollen, ist das für mich ein gutes Buch.


Wie unterscheidet sich deine Art des Schreibens für ein Jugendbuch von der Erwachsenenliteratur?

In meinen Augen liegen Jugend- und Erwachsenenroman handwerklich recht nah beieinander, anders als z.B. Jugend- und Kinderbuch, wo sprachlich und inhaltlich gänzlich andere Gesetze gelten. Im Jugend- und Erwachsenenbuch kann man heute (je nach Thematik) nahezu dasselbe machen, im Jugendbereich natürlich mit deutlich reduzierten Darstellungen von u.a. Sex und Gewalt. Ich habe eigentlich an beidem meinen Spaß … vielleicht ein klein wenig mehr am Jugendbuch, da man dort heutzutage etwas eher wirklich abgefahrene Ideen platziert bekommt als in der häufig eher drögen, gewinnorientierten Erwachsenenbelletristik.


Welchen Klassiker der Science Fiction- und/oder Horror-Literatur möchtest du unseren Lesern unbedingt ans Herz legen?

Ich weiß nicht, ob man ihn schon als Klassiker bezeichnen kann, aber ich persönlich bin immer wieder entgeistert, wie wenigen Fantasylesern heutzutage die Werke des Amerikaners Fritz Leibers noch ein Begriff sind. Seine Saga um die beiden ungleichen Helden Fafhrd und den Grauen Mausling ist gerade mal 50 Jahre alt und hat so viel vorweggenommen, was Fantasy in heutiger Zeit hip und kommerziell erfolgreich gemacht hat – Action ohne Pathos, moderne Erzählstrukturen und vor allem: Humor. Wenn man sich rückblickend anschaut, wie die Fantasylandschaft vor Leibers Intervention aussah, wird deutlich, dass es einen Großteil dessen, was heute in diesem Genre geschrieben und von den Fans verschlungen wird, ohne Leiber gar nicht gäbe. Ihn als Fantasyfan nicht zu kennen, halte ich für eine massive Bildungslücke.


Du arbeitest derzeit an der Fortsetzung von »Frozen«. Kannst du uns einen kleinen Ausblick darauf geben?

Der Roman wird »Drowned« heißen und im Herbst 2013 erscheinen. Er ist auf Java bzw. im indischen Ozean angesiedelt, wo zu Beginn der Handlung ein U-Boot-Wrack aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs gefunden wird. Irritierenderweise sind hinter den unversehrten Bullaugen der U-196 (die damals übrigens tatsächlich in der betreffenden Region verschollen ist) Bewegungen auszumachen, und schon kurz darauf beginnen sich die Ereignisse zu überschlagen. Mit von der Partie sind einmal mehr Henry und sein Vater Dr. Donald Wilkins (zwei der Protagonisten aus »Frozen«) sowie etwas ziemlich Großes, ziemlich Altes, das tief unter dem Meeresboden ziemlich lange geschlafen hat … ;-)

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