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Seit ihrer Kindheit ist die junge Adlige Gisa die Vertraute von Elisabeth, der Landgräfin von Thüringen. Sie weiß, wie zerrissen Elisabeth ist zwischen ihrer Liebe zum machtbewussten Landgrafen Ludwig und ihrer Suche nach einem gottgefälligen, einfachen Leben. Gisa erlebt, wie Elisabeth gegen den Hof aufbegehrt, welche Unruhe ihre Spenden, ihre Fürsorge für die Armen auslöst. Sie sieht auch, wie der jüngere Bruder des Landgrafen mit unzufriedenen Adligen paktiert und sie gegen den Stauferkaiser Friedrich II. aufbringen will. Gisas drückendstes Geheimnis dreht sich um die verbotenen Treffen einer Ketzersekte, die sie belauscht hat. Als Elisabeth 1226 dem fanatischen Inquisitor Konrad von Marburg begegnet und ihr Leben radikal strengsten Glaubensregeln unterwirft, gerät Gisas Welt völlig aus den Fugen. Wie weit kann sie Elisabeth zur Seite stehen, ohne selbst unterzugehen?

 

Die Tore des Himmmels 

Autor: Sabine Weigand 
Verlag: Krüger
Erschienen: 9. Oktober 2012
ISBN: 978-3810526656
Seitenzahl: 608 Seiten

 


Die Grundidee der Handlung
Elisabeth von Ungarn (1207-1231) wurde schon als Baby mit einem Sohn des einflussreichen Landgrafen Hermann I. von Thüringen verlobt und als Vierjährige an seinen Hof gebracht, um in der Familie ihres zukünftigen Ehemannes aufzuwachsen. Mit 14 Jahren heiratet sie den Landgrafen Ludwig und führt mit ihm eine glückliche Ehe. Ihre hohe Stellung, der Luxus und die Erwartungen ihrer Umgebung, die damit verknüpft sind, stehen jedoch in krassem Gegensatz zu ihrem eigenen, sehnlichen Wunsch nach einem einfachen Leben in Armut, um würdig zu sein, nach ihrem Tod in den Kreis der Heiligen aufgenommen zu werden. 

Sabine Weigand hat sich sehr intensiv mit Elisabeths Leben auseinander gesetzt. Da dieses Buch jedoch ein Roman und keine Biografie ist, hat sie sich einige dramaturgische „Freiheiten“ erlaubt - auf die sie im Nachwort näher eingeht -, die sich aber stimmig in die historischen Fakten einfügen.


Stil und Sprache
Durch die frühe Heiligsprechung bereits vier Jahre nach ihrem Tod ist über Elisabeth von Thüringen sehr viel mehr dokumentiert als über andere Frauen ihrer Zeit. Viele Zeugen, die über ihr „gottgefälliges“ Leben befragt wurden, haben sie persönlich gekannt, sind teilweise sogar mit ihr aufgewachsen und haben sie bis zu ihrem Tod begleitet, konnten also ihre Frömmigkeit und ihre Fürsorge für die Armen aus eigener Anschauung schildern. Bei dieser reichen Quellenlage konnte die Autorin daher – nach eigener Aussage im Nachwort – „aus dem Vollen schöpfen“. Allerdings macht sie dort auch gleich darauf aufmerksam, dass manche Zeugnisse ihrer engsten Vertrauten Elisabeth vielleicht schon zu sehr verklärt haben könnten. Um dem Rechnung zu tragen, beleuchtet Sabine Weigand ihre Geschichte aus mehreren Perspektiven, indem sie wechselweise den Leser als Beobachter von außen die Handlung erleben lässt und des Weiteren zwei – fiktive – Erzähler einsetzt, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. 
Da ist zunächst Gisa – ein Mündel der Landgräfin Sophie am Thüringer Hof –, die als Spielgefährtin der kleinen Prinzessin das Einleben in der Fremde erleichtert, später ihre vertraute Hofdame wird und auch bei ihrem Tode anwesend ist. Sie beschreibt die gemeinsame Kindheit, das höfische Leben und immer wieder den inneren Konflikt, dem Elisabeth sich schon seit frühester Jugend ausgesetzt sieht: Die Anforderungen ihrer Stellung mit ihrer eigenen Sehnsucht nach einem einfachen, gottgefälligen Leben zu vereinbaren. Der zweite Erzähler ist Primus, ein Junge aus ärmsten Verhältnissen, der Gisa und ihre Herrin beim Gabenverteilen kennenlernt, ihnen über Jahre hinweg immer wieder begegnet und die Ereignisse somit aus seiner Sicht berichtet.
In diesen beiden Personen treffen praktisch zwei Welten aufeinander - auf der einen Seite die im größten Luxus lebende herrschende Klasse, auf der anderen das tiefste Elend der unter Krieg, Hunger und Seuchen leidenden Bevölkerung – aber gerade dadurch gelingt es der Autorin, das 13. Jahrhundert wirklich zeitgemäß darzustellen.Die zwischendurch mehrmals eingeschobene „Kreuzzugschronik“ des – ebenfalls fiktiven – Ritters Raimund von Kaulberg hat zwar nicht unmittelbar Einfluss auf Elisabeths Leben, gibt aber einen guten Einblick in die politischen und religiösen Zusammenhänge jener Zeit und kann als Vorspiel zum 5. Kreuzzug, an dem sich ihr Gatte – Landgraf Ludwig – beteiligte, gesehen werden.

Das Buch lässt sich flüssig lesen, aber „leicht“ ist es stellenweise wahrlich nicht. Der Zeit und dem Thema geschuldet, kann die Sprache oft nicht anders, als brutal und grausam sein. Ungeschönt, aber ohne Effekthascherei, führt die Autorin dem Leser die – nach heutigen Maßstäben – oft unfassbaren Lebensverhältnisse des Mittelalters vor Augen. Bei manchen Schilderungen von Krieg, Gewalt und Not oder den Qualen, die Elisabeth an Leib und Seele über sich ergehen lässt – ja, förmlich sucht, um Gott näher zu kommen – möchte man sich am liebsten schaudernd abwenden und schwankt zeitweise zwischen Ekel und Mitleid.


Figuren
Da es sich bei Elisabeth von Thüringen um eine historische Figur handelt, haben auch viele der hier geschilderten Personen wirklich gelebt und tatsächlich so oder ähnlich gehandelt, wie von der Autorin beschrieben. Gravierende Abweichungen hat sie in ihrem ausführlichen Nachwort erklärt und begründet.

Von der engsten Familie war Elisabeths Gatte Ludwig der Einzige, der ein gewisses Verständnis für sie aufbrachte und sie in ihrem Wunsch, den Armen zu helfen, sogar unterstützte. Für ihre Schwiegermutter Sophie und ihren Schwager Heinrich Raspe schadete sie damit dem Ansehen der Familie und stellte die „von Gott gewollte Ordnung“ in Frage. Dass sie in ihren Augen das Familienvermögen vergeudete tat ein Übriges und führte später dazu, dass Heinrich Raspe ihr die Witweneinkünfte entzog – aus heutiger Sicht kann man das Verhalten der beiden sogar in gewisser Weise nachvollziehen. 
Das aber fällt bei Elisabeth selbst wirklich schwer. Sabine Weigand hat sich an die vorhandenen Quellen gehalten – Zitat: „allerdings nur dann, wenn es mir glaubhaft erschien, und manchmal in abgewandelter Form“ – und zeichnet damit glaubwürdig und authentisch das Bild einer Frau, deren Wirken für die Armen und Kranken eigentlich Bewunderung hervorrufen sollte, die aber durch die Art und Weise, wie sie das tat, schon bei ihren Zeitgenossen Befremden und Unverständnis auslöste. Vor allem das Gefühl, dass Elisabeth nicht aus Nächstenliebe, sondern vielmehr aus Egoismus handelt und ihrem Ziel – eine Heilige zu werden – sogar ihre Kinder opfert, macht sie für den Leser nicht gerade sympathisch, ebensowenig ihr Verhalten gegenüber ihrem Beichtvater – und Peiniger – Konrad von Marburg, das an Hörigkeit grenzt und einfach nur abstoßend wirkt. Wirklich wohltuend ist es da, die Liebe und den Zusammenhalt zwischen Primus, seinen Geschwistern und ihrer Mutter Mechtel zu erleben, die sich auch von den schlimmsten Schicksalschlägen nicht entmutigen lässt und die Sorge für ihre Familie über alles stellt.


Aufmachung des Buches
Das dunkelrote Hardcover zeigt auf beiden Innendeckeln eine Darstellung der Stadt Marburg an der Lahn aus dem Jahre 1690. Die Handlung gliedert sich in Prolog, drei Bücher mit vielen Kapiteln von sehr unterschiedlicher Länge, und den Epilog, der im Jahre 1236 die feierliche Überführung der Gebeine – der mittlerweile Heiligen – in einen Reliquienschrein beschreibt. Daran schließen sich ein Nachwort der Autorin, ein Glossar und ein Personenverzeichnis an. 
Den drei Büchern ist jeweils eine Abbildung aus einer Chronik der Heiligen vorangestellt. Die einzelnen Kapitel sind zum größten Teil datiert und tragen als Überschriften entweder Orte, die Namen des jeweiligen Erzählers oder – wenn es sich um Briefe und die Kreuzzugschronik handelt – des Schreibers. Der Schutzumschlag ist mit Rosen verziert, die den Namen der Autorin und den Buchtitel umranken.


Fazit
Elisabeth von Thüringen war mir dem Namen und der Legende nach bekannt, da ich schon mit der Wartburg bei Eisenach und Burg Pottenstein in Franken zwei Stätten besucht habe, wo ihr Andenken noch heute gepflegt wird. Deshalb habe ich „Die Tore des Himmels“ mit großem Interesse gelesen. Auch wenn mich persönlich Elisabeths „Weg zur Heiligkeit“, eher abstößt – während ich ihre Tante, die heilige Hedwig von Schlesien aufrichtig bewundere, weil sie mit Demut und Nächstenliebe für die Armen und Schwachen wirkte, ohne darüber ihre Familie und ihr Volk zu vernachlässigen –, kann ich das Buch selbst uneingeschränkt empfehlen. Sabine Weigand hat damit nicht nur ein glänzend recherchiertes und fesselnd erzähltes Frauenschicksal geschaffen, sondern auch ein authentisches und überaus stimmiges Abbild des Mittelalters.


5 Sterne


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