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Kategorie: 1100 – 1250 Hochmittelalter (Gotik)

Südfrankreich im 12. Jahrhundert:
Sie sprechen vom himmlischen Frieden – und rufen zum Kreuzzug auf. Sie mahnen zu Mäßigung und Keuschheit – und führen ein Leben in Verworfenheit – wie die biblische Hure Babylon.
Der junge Edelmann Arnaut, der sich dem Kreuzzug angeschlossen hat, um Buße zu tun, muss bald erkennen, dass es bei dem bewaffneten Pilgerzug ins Heilige Land weniger um Erlösung als um Macht und Eitelkeit der Herrschenden geht und dass im Namen Gottes Verrat und unvorstellbare Greueltaten begangen werden …

 

Die Hure Babylon 

Autor: Ulf Schiewe 
Verlag: Droemer
Erschienen: 2. November 2012
ISBN: 978-3426199305
Seitenzahl: 576 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Die junge Vizegräfin Ermengarda von Narbonne musste aus politischen Gründen in eine Scheinehe einwilligen, daher ist ihr Verhältnis zu dem jungen Ritter Arnaud de Montalban in den Augen der Kirche ehebrecherisch. Als sie zum zweiten Mal eine Fehlgeburt erleidet, erblickt ihr Geliebter darin ein Zeichen von Gottes Zorn für ihre Sünden und schließt sich daher zur Buße dem Kreuzzug an.

Mit diesem Roman beendet Ulf Schiewe seinen dreiteiligen provenzalischen Zyklus, in dem er mit der Geschichte der Famlie Montalban für sein Publikum die erste Hälfte des 12. Jahrhunderts sehr anschaulich, spannend und authentisch wieder lebendig werden lässt.


Stil und Sprache
Obwohl „Die Hure Babylon“ zwei Vorgänger hat, ist es nicht zwingend notwendig, diese gelesen zu haben. Auf die wichtigsten Begebenheiten aus „Der Bastard von Tolosa“ und „Die Comtessa“ wird im Rahmen der Handlung des Öfteren Bezug genommen, sodass der Leser sich ein Bild davon machen kann.

Ulf Schiewe erzählt seine Geschichte aus unterschiedlichen Perspektiven. Der Roman umfasst fünf Bücher und jedes beginnt mit einem Kapitel, in dem Ermengarda in Ich-Form die Geschehnisse in Narbonne und ihre Sorgen und Gefühle beschreibt. Als Beobachter von außen begleitet der Leser dann Arnaut, aber auch verschiedene andere Personen - wie z.B. das französische Königspaar – auf ihrem beschwerlichen Weg ins Heilige Land, wobei die eindrucksvolle Schilderung der Kreuzfahrer, der Landschaft und der historischen Städte ihn gleichsam in die Zeit und die Örtlichkeit vor fast 900 Jahren zurückversetzt. Das Buch liest sich leicht und flüssig. Die Sprache ist sehr bildhaft und plastisch. Blutige Schlachten, Mord und Vergewaltigung, Hunger und Seuchen beschreibt der Autor sehr detailliert und ungeschönt und zeigt dabei in aller Härte die Grausamkeit des Krieges, sodass der Leser sich mitunter schaudernd abwenden möchte, weil die Darstellung an manchen Stellen kaum erträglich ist, und man sich manchmal fragt, ob das in dieser Ausführlichkeit wirklich sein muss. Besonders beklemmend ist, dass das alles um des Glaubens willen geschieht und dass die Geistlichkeit, – die doch eigentlich Frieden, Versöhnung und das Gebot „Du sollst nicht töten“ predigen sollte – das Elend und den Tod so vieler Menschen in Kauf nimmt, ja sogar einkalkuliert, um die Macht der Kirche zu erhalten und von ihrer inneren Zerrissenheit abzulenken. Diese Komponente stellt Ulf Schiewe sehr eindringlich und glaubwürdig dar und zeigt damit auf, dass das Thema bis heute nichts von seiner Bedeutung verloren hat. Immer noch finden „im Namen Gottes“ unsägliche Greueltaten statt, maßen Menschen sich an, seinen Willen zu kennen und haben somit aus der blutigen Vergangenheit nichts gelernt.


Figuren
Am zweiten Kreuzzug (1147-1149) nahmen viele historische Persönlichkeiten teil, allen voran der französische König Ludwig VII. und seine Gemahlin Eleonore (Alienor) von Aquitanien. Aufgebrochen, um das Heilige Land von den „Ungläubigen“ zu befreien, ahnten sie anfangs nicht, dass diese zwei Jahre ihr persönliches Schicksal grundlegend verändern würden, was sich wenig später sogar auf die Geschicke Europas auswirken sollte. Ludwig – Mitte 20 und als Soldat relativ unerfahren – war zwar guten Willens, aber mit der Leitung eines solchen Unternehmens völlig überfordert. Gutgläubig vertraute er den Versprechungen des griechischen Kaisers und begriff zu spät, dass dieser ihn verraten und sogar an den Feind verkauft hatte. Diese bekannten Daten und Fakten hat der Autor sehr authentisch mit den Erlebnissen der fiktiven Personen zu einem stimmigen und nachvollziehbaren Ganzen verwoben.

Auch Arnaut und seine kleine Truppe, die gläubig dem Aufruf des charismatischen Predigers Abt Bernard von Clairvaux gefolgt sind – der im Auftrag des Papstes zum Kreuzzug aufrief und allen Teilnehmern dafür die Vergebung ihrer Sünden versprach – müssen schmerzhaft erkennen, dass mit dem Ruf „Gott will es“ die einfachen Leute nur auf die Schlachtfelder gelockt wurden, um dort für den Machterhalt von Kirche und Adel zu kämpfen und zu sterben. Angesichts dessen, sowie auch der Verbrechen, die sogar Angehörige des Templerordens – die genau wie Mönche Keuschheit gelobt haben – an wehrlosen Frauen begehen, beginnt Arnauts Glaube zu wanken. Für ihn geht es nur noch darum, mit seinen Freunden zu überleben und heil nach Hause zu kommen. Aber das ist noch ein weiter und gefahrvoller Weg.

Ulf Schiewe hat alle seine Figuren sehr authentisch und glaubwürdig gezeichnet. Es sind keine strahlenden Helden, sondern Menschen mit Stärken und Schwächen, Freuden und Ängsten, die den Leser anrühren und mitfiebern lassen und deren Schicksal ihm letztendlich auch ein paar Tränen entlocken können.


Aufmachung des Buches
Das dunkelblaue Hardcover enthält auf beiden Innenseiten eine Karte mit Arnauts Weg ins Heilige Land. Auf das Inhaltsverzeichnis folgt ein Bibelvers aus der Offenbarung des Johannes, der „die große Hure Babylon“ beschreibt, woraus sich der Titel des Buches ableitet. Die Handlung verteilt sich auf 5 Bücher mit jeweils 4-6 Kapiteln und einen Epilog. Anmerkungen des Autors zur Geschichte, ein Glossar, ein ausführliches Personenverzeichnis und eine Danksagung beschließen das Buch.
Der Schutzumschlag zeigt unter dem Namen des Autors und dem Titel eine Gruppe von Rittern vor einer mittelalterlichen Stadt im Hintergrund. Ein Lesebändchen vervollständigt die schöne Aufmachung.


Fazit
Ich habe schon einiges über die Kreuzzüge gelesen und in diesem Buch manche der historischen Ereignisse wieder erkannt. Ulf Schiewe aber hat den vielen unbekannten Kreuzfahrern mit Arnaut und seinen Freunden Namen und Gesichter verliehen und sie mir dadurch besonders nahe gebracht.

4 5 Sterne


Hinweise
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Ulf Schiewe bezeichnet seine drei Romane um die Angehörigen der Familie Montalban nicht als Fortsetzungen oder Trilogie, sondern als „… eine lose Einheit, die aus provenzalischer Sicht die hoch interessante und auch für uns heute noch bedeutsame Welt des 12. Jahrhunderts behandelt“. Für diese Rezension habe ich mich mit ihm auf den Ausdruck „provenzalischer Zyklus“ geeinigt.

Die beiden ersten Teile sind:
- Der Bastard von Tolosa
- Die Comtessa