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Das Leben ist nicht leicht für Karoline, die jüngste Tochter vom Niedermoosbacher-Hof. Der Vater hatte auf einen Sohn gehofft, die Schwestern machen sie verantwortlich für den Tod der Mutter im Kindbett. Dazu kommt das unselige Versprechen, das die sterbende Mutter ihrem Mann abverlangte: Die sechs Töchter müssen der Reihe nach heiraten – Johanna als Älteste zuerst, Karoline als Jüngste zuletzt. Doch Johanna wird von einem Mann bitter enttäuscht und beschließt, nie zu heiraten. Als Johanna in den Bergen verunglückt und weitere Schwestern unter rätselhaften Umständen sterben, richtet sich der Verdacht auf Karoline. War sie tatsächlich bereit, für den Mann den sie liebt über Leichen zu gehen oder ist sie selbst Opfer eines unheilvollen Spiels?

 

Die Niemalsbraut 

Autor: Angeline Bauer
Verlag: Rosenheimer
Erschienen: 1. Februar 2012
ISBN: 978-3475541247
Seitenzahl: 224 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Angeline Bauer lebt, nach längerem Aufenthalt in den Niederlanden, genau in der Umgebung, in der dieser Roman spielt. Anscheinend war es ihr ein großes Bedürfnis, diese schöne Gegend als Schauplatz für ihre nächste Geschichte zu wählen, denn aus der so gelungenen und authentischen Darstellung liest man aus jeder Zeile die Verbundenheit zur Umgebung des Chiemsees.

Die Geschichte spielt im bäuerlichen Milieu und die Mutter nimmt ein großes Geheimnis mit ins Grab, aufgrund dessen ihr Mann ihr noch am Sterbebett das Versprechen geben muss, ihre sechs Töchter nur der Reihe nach, beginnend mit der Ältesten, zu verheiraten. Karoline, die Jüngste, in dessen Kindbett die Mutter gestorben ist, hat es äußerst schwer. Ihre Geschwister machen sie für den Tod der Mutter verantwortlich, sind boshaft, gemein und intrigant ihr gegenüber und der Vater duldet dies stillschweigend. Nur bei ihrer Amme Thekla findet Karoline Schutz und Geborgenheit. Ungeliebt, geschlagen und gedemütigt versucht Karoline ihr Leben zu meistern, als die älteste Schwester Johanna bei einem Unfall ums Leben kommt. Die übrigen Schwestern wissen sofort: Karoline ist die Mörderin und als weitere Todesfälle passieren, ist auch das ganze Dorf gegen sie …


Stil und Sprache
Was sich in der Kurzbeschreibung so banal und nicht gerade innovativ liest, straft diese Annahme schon nach wenigen gelesenen Seiten Lüge. Sprach- und bildgewaltig und dennoch leise und eindringlich, platziert die Autorin den Leser inmitten der Niedermoosbacher Familie und lässt ihn teilhaben am Geschehen. Die Geschichte ist alles andere als leicht, denn das Leben der Protagonistin kann man nicht gerade als schön bezeichnen, was nicht nur mit der harten Arbeit am Bauernhof zu tun hat. Angeline Bauer reflektiert das Leben der Bauern im späten 19. Jahrhundert sehr einfühlsam und plastisch, was eine sehr authentische und intensive Atmosphäre schafft.
Ob die alltägliche mühsame Arbeit am Hof oder auch im Haus, der regelmäßige Kirchgang am Sonntag, der Leser ist mit dabei, steht neben den Figuren und sieht ihnen über die Schulter. Wie wichtig der Glaube war wird ebenso glaubwürdig veranschaulicht wie die strenge Hierarchie, die nicht nur in Gesellschaft anderer gilt, sondern sogar am Esstisch der bäuerlichen Familie. Szenen wie aus einem Joseph Vilsmaier Film á la „Herbstmilch“ oder „Bleikristall“ erscheinen dem Leser vor dem geistigen Auge, so bildgewaltig malt Angeline Bauer die Begebenheiten. Sie gewährt Einblicke in eine Welt, die sich heute kaum noch jemand vorstellen kann und (vielleicht) nur noch aus Erzählungen von den ganz alten Leuten kennt. Das Getratsche der Leute, die mit gieriger Lust einem Gerücht lauschen und dieses mit noch mehr Freude weiterverbreiten ist aber heute ebenso Realität wie damals  Und so wird Karolines Leben nach dem tödlichen Unfall der ältesten Schwester für sie schnell zum Spießrutenlauf.

Bauer schreibt intensiv und farbenprächtig, verklärt nichts, hat aber auch keinen Hang etwas zu überdramatisieren, sondern lässt Situationen so lebendig werden, wie sie sich vor über hundert Jahren irgendwo auf dem Land hätten abspielen können. Diese realistische Lebendigkeit ist es auch, die einem die Geschichte, die letztendlich wegen der vielen Todesfälle auch noch sehr spannend ist, noch lange nachhaltig in Erinnerung halten wird.


Figuren
Das Versprechen, das die Mutter ihrem Mann abverlangte, wird zwar für die meisten Schwestern zum Problem, aber keine leidet so darunter wie die jüngste Tochter. Der Bauer, der das Versprechen einhalten will, und dies sogar als absolutes Muss sieht, ist nicht nur blind gegenüber den Problemen seiner Töchter, sondern gegenüber allen seelischen Leiden und Qualen, die die eine oder andere junge Frau betrifft. Gefühle werden nicht gezeigt, Zum Arbeiten und um Nachkommen zu zeugen ist man auf der Welt und nach diesem Grundsatz lebt der Niedermoosbacher sein Leben.
Die Autorin versteht es auf wunderbare Weise, das Handeln der Figuren mit viel psychologischem Feingefühl zu zeichnen, so dass man sogar die eine oder andere unfaire oder verletzende Handlung von Karolines Schwestern zwar nicht verstehen, wohl aber bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen kann. Dennoch bekommt man das Bedürfnis, Karoline gegenüber der doch sehr boshaften, verlogenen und auch intriganten Schwestern in Schutz zu nehmen und zu verteidigen – so intensiv lebt und leidet man mit ihr mit.

Bauer stellt Karoline zwar als starkes Mädchen dar, zeigt aber auch mit viel Wärme ihre seelischen Entbehrungen, ihre innere Einsamkeit und ihr stilles Leid. Jedoch niemals übertrieben oder pathetisch, sondern immer nachvollziehbar und glaubhaft. Ob der vielen Ungerechtigkeiten, die der Protagonisten wiederfahren, ertappt man sich als Leser bei Gefühlen, die eigentlich nur realen Personen zustehen. Nichts könnte besser veranschaulichen, wie plastisch und greifbar auch die Figuren ins Leben geholt sind, als das eigene Miterleben und Mitfühlen mit der jungen Protagonistin.

Alle Figuren, die die Szenerie betreten, sind mit filigraner Akribie gezeichnet und jedes Detail scheint gut überlegt. Ein Roman, in dem die Figuren wie in einem guten Theaterstück auf der Bühne agieren.


Aufmachung des Buches
Dieses Buch von Angeline Bauer hat die schöne gebundene Aufmachung auf jeden Fall verdient. Das Umschlagmotiv ist ein Ausschnitt von Franz Defreggers Gemälde „Porträt eines Mädchens“, das sowohl zeitlich als auch stilistisch hervorragend zum Inhalt passt. Leider werden solche Dinge von den Verlagen viel zu selten berücksichtigt, weshalb dies besonders positiv auffällt.
19 Kapitel führen durch die Geschichte, die mit einem Epilog abschließt. Ein Überblick über die Personen, ein Glossar mit den wichtigsten bäuerlichen Idiomen und ein paar wenige Anmerkungen komplettieren die schöne Ausgabe.


Fazit
Ein wirkliches Kleinod in der Fülle an Romanen, die den Markt überschwemmen. In den gerade einmal gut 200 Seiten hat Angeline Bauer eine Geschichte verpackt, die einem nachhaltig in Erinnerung bleiben wird! Ein Roman, den man jedem Leser, der Bücher mit schöner Sprache und gehobenem Erzählniveau liebt, nur von Herzen empfehlen kann.


5 Sterne


Hinweise
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