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Kategorie: Thriller

Fünf Jungen wie sie unterschiedlicher nicht hätten sein können. Ferien. Und eine Entdeckung, welche die Leben der Kinder radikal verändern wird. Was als Spiel, als Abenteuer für einen Tag beginnt, führt zum spurlosen Verschwinden der fünf und zu einem Kampf auf Leben und Tod. Völlig von der Außenwelt abgeschnitten, verwandeln sich Hoffnung in Panik, wird Freundschaft zu Wahnsinn. Und der einzige Mensch, der etwas über den Verbleib der Jungen ahnt, ist ein alter Mann. Ein alter Mann, der nur noch auf seinen Tod wartet ...

 

Apfeldiebe 

Autor: Michael Tietz
Verlag: bookspot
Erschienen: 11/2011
ISBN: 978-3937357522
Seitenzahl: 464 Seiten



Die Grundidee der Handlung
Alex ist zwölf und ein Einzelgänger, seine Ferientage verbringt er am liebsten allein auf einer alten Burgruine. Eines Tages entdeckt er ein altes Kellergewölbe und beschließt, es am nächsten Tag genauer zu erforschen. Gemeinsam mit seinem Freund Max, dessen kleinem Bruder Timi, dem Außenseiter Rufus und dem ewig gehänselten Kasimir zieht er los, ohne sonst jemanden zu informieren. Da die fünf Jungen sich nicht gerade gut verstehen und eher durch Zufall zusammen losziehen, kommt es bald zu Rangeleien, Kasimir muss einiges erdulden und dann passiert die Katastrophe: Der Zugang zum Keller stürzt ein, die Jungen werden verschüttet und niemand weiß, wo sie sind. Als einziger hat der alte Gernot Seiler eine Ahnung, aber bei dem haben die Jungs am Tag zuvor noch Äpfel geklaut und außerdem verspürt er wenig Lust, aus seinem einsiedlerischen Leben herausgerissen zu werden.

Aus einer zwar nicht alltäglichen, aber dennoch vorstellbaren Situation heraus entwickelt Michael Tietz neben einer spannenden Geschichte einen intensiven Blick darauf, wie Menschen in extremen Situationen reagieren. Hier sind es dann auch noch Kinder, deren Beweggründe und Aktionen noch weniger rational geprägt sind als bei Erwachsenen zu erwarten wäre. Spannende Idee!


Stil und Sprache
Michael Tietz nimmt sich viel Zeit, um seine Protagonisten vorzustellen, ihre Hintergründe zu erklären und den Hergang der Ereignisse. Denn die fünf Jungen sind eigentlich keine Freunde, sondern der Zufall will es, dass sie gemeinsam auf Abenteuerjagd gehen. Dementsprechend unterschiedlich benehmen sie sich und das versteht der Autor aufs Feinste an den Leser zu bringen. Detailreich, mit viel Gespür für die Denkweise von Kindern und deren Ängste, beschreibt er die komplizierten Vorgänge zwischen den Jungen, die unterschiedlichen Sozialisationen und Denkmuster. Das Ganze ist eingebettet in eine hochspannende Handlung, die sich überwiegend auf wenigen Quadratmetern und im Dunkeln abspielt, aber trotzdem weder vorhersehbar noch unglaubwürdig wirkt.

Ein zweiter Erzählstrang widmet sich Gernot Seiler. Dieser erzählt in Rückblenden in der dritten Person seine Geschichte und warum er so wurde, wie er nun am Ende seines Lebens ist: menschenfeindlich und eigenbrötlerisch, dabei aber mit einem spröden Humor gesegnet. Seine „Dialoge“ mit seinem Hund Hasso sind dabei ebenso lesenswert wie seine Zwiesprache mit Gott.

Einziges Manko: Manchmal gerät Michael Tietz zu sehr ins Fabulieren, schildert Gedanken und Phantasien etwas zu ausschweifend und nimmt damit viel Tempo aus der Geschichte. Das lässt sich aber angesichts einer tief berührenden Handlung in dichter Atmosphäre und mit viel Stoff zum Nachdenken wohl verschmerzen.


Figuren
Es gibt nicht viele Figuren, die ernsthaft eine Rolle spielen, diese werden dafür mit viel Liebe entwickelt und ausgestaltet. Allein die Überlegungen, welche seiner Figuren in dieser grenzwertigen Situation wohl wie reagiert, müssen den Autor viel Zeit und Mühe gekostet haben. Das hat sich auf jeden Fall gelohnt, denn die fünf Jungen wirken unglaublich echt und agieren vollkommen authentisch aus dem ihnen gegebenen Hintergrund heraus. Alex, der es gewohnt ist, als Ältester immer der Anführer zu sein, will dieser Rolle auch weiter gerecht werden. Er fühlt sich für alle verantwortlich und versucht stets, ausgleichend zu wirken. Max, der seinen kleinen Bruder abgöttisch liebt und dafür einen zu Anfang kaum nachvollziehbaren Hass auf Kasimir hat, dessen Ursache sich erst später erschließt, ist noch mit von der Partie, außerdem Timi, der zwischen Loyalität zu seinem Bruder und seiner eigenen Sichtweise der Dinge schwankt, Kasimir, tief verwurzelt im Glauben und schließlich Rufus, der den Tod seiner Mutter noch nicht überwunden hat. Sie alle leben in dieser Geschichte, entwickeln sich weiter und schon bald hat jeder Leser seinen Liebling gefunden. Aber Vorsicht, mancher entwickelt sich hier anders als gedacht!

Gernot Seiler hingegen lädt nicht dazu ein, ihn zu mögen. Zurückgezogen lebt er seit Jahren allein auf seinem Hof, spricht ausschließlich mit seinem Hund und wartet eigentlich nur noch auf den Tod. Sein Leben ist irgendwie gescheitert, ohne dass er so richtig weiß, warum, und so gönnt er auch anderen keinen wohlwollenden Gedanken. Dass er lange zögert, bevor er bei der Suche nach den vermissten Jungen hilft, macht ihn auch nicht gerade sympathischer und hat mich etwas an seiner Wahrhaftigkeit zweifeln lassen. Aber sein Handeln ist notwendig für den Fortgang der Handlung und so hat auch er seine Berechtigung.


Aufmachung des Buches
Das gebundene Buch zeigt auf dem Cover einen angeschnittenen Apfel in verschiedenen Gelb- und Brauntönen, dessen Schnittfläche mit einem angedeuteten Ziegelsteinmuster verfremdet ist. Der Rest des Buches ist grau und wird in der unteren Hälfte vom Titel dominiert. Innen ist die Handlung nach Tagen aufgeteilt und innerhalb dieser Tage in insgesamt 38 Kapitel sowie einen Epilog.


Fazit
Apfeldiebe ist ein atmosphärisch dichter Thriller der etwas anderen Art um Menschen und wie sie in Grenzsituationen reagieren. Wer detailreiche Schilderungen um Gedanken und Gefühle, die Veränderung von extrem belasteten Menschen zu schätzen weiß, wird hier sicher fündig; alle anderen können die wenigen Längen verschmerzen und sich an der spannenden Geschichte freuen. Auf jeden Fall lesenswert!


4 5 Sterne


Hinweise
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