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 Veronica Roth

Während ihres Creative Writing-Studiums an der Northwestern University in Chicago hat Veronica Roth bereits an ihrem Roman "Die Bestimmung" gearbeitet und stürmte damit direkt die Bestsellerlisten. Als wäre dies nicht schon genug, hat Summit Entertainment, die unter anderem auch "Twilight" auf die Leinwand gebracht haben, bereits vor einigen Monaten die Filmrechte der Divergent-Trilogie erworben. Trotz ihres vollen Terminkalenders, hat die Autorin der Leser-Welt die eine oder andere Frage beantwortet.


„Die Bestimmung“ lässt verschiedene Interpretationsansätze zu - politisch, philosophisch und spirituell. Als Sie mit dem Buch angefangen haben, hatten Sie da eine bestimmte Botschaft oder bestimmte Themen, die sie vermitteln wollten?

Ich finde, man läuft Gefahr, plump oder moralisierend zu schreiben, wenn man partout eine Botschaft vermitteln will, also versuche ich es erst gar nicht. Für mich spiegeln meine Bücher Dinge wider, über die ich nachdenke, und es wäre schön, wenn sie die Leser ebenfalls ins Grübeln brächten. In „Die Bestimmung“ geht es um die menschliche Natur und darum, wie sich die besten Absichten manchmal ins Gegenteil verkehren, aber auch, wie Menschen inmitten von Chaos über sich selbst hinauswachsen und gute Taten vollbringen. Ich habe darüber nachgedacht, was es heißt, tugendhaft zu sein - insbesondere was es heißt, mutig zu sein -, und inwieweit das tatsächlich von Bedeutung ist. Und falls es dies nicht ist, was ist dann von Bedeutung? Das waren die Fragen, die ich mir gestellt habe. Ich hoffe, die Leser haben darüber hinaus ihre eigenen Fragen.


Woher kommt Ihrer Meinung nach die Vorliebe vieler Leser für Romane mit dystopischem Gesellschaftsentwurf?

Das hat vielerlei Gründe. Meines Erachtens sind Dystopien vor allem für Leser reizvoll, die nach dem “Was wäre wenn?” fragen, wobei sich dieses “Was wäre wenn?” in einer Welt abspielt, die nach vergleichbaren Regeln funktioniert wie unsere eigene (im Gegensatz zur Paranormal- und Fantasy-Literatur, wo sich die Regeln der Physik, Biologie oder was auch immer von den unsrigen unterscheiden). Es ist spannend, sich die Welt von heute anzuschauen, über eine mögliche Welt von morgen zu lesen und sich dann auszumalen, was in der Zwischenzeit passiert sein mag.


Die Szene in Ihrem Roman mit dem fahrenden Zug ist ziemlich brutal. „Die Bestimmung“ wie auch die Hunger-Games-Bücher und einige andere Romane dieser Art sind nicht unbedingt etwas für Zartbesaitete. Was kennzeichnet Ihrer Meinung nach ein Jugendbuch und die entsprechenden Filme? Ist es schlicht und einfach das Alter der Protagonisten?

Zum Teil sind es die Themen. Wenn ich eindeutige Erwachsenenthemen in dem Buch verarbeitet hätte und die Protagonisten jünger und die Erzählstimme älter wäre, dann wäre es vielleicht ein Buch für Erwachsene geworden. Tatsächlich jedoch sind es Themen der Adoleszenz. Es geht darum, sich selbst zu erkennen, und um Probleme bei dieser Standortbestimmung, insbesondere in so jungen Jahren. Ich denke, es sind die Belange von Heranwachsenden; mich haben diese Fragen in meiner Jugend jedenfalls sehr beschäftigt.
Wie gesagt, es geht vor allem um die Protagonisten und die Themen, nicht so sehr um die Handlung. Das war früher ganz anders; wenn man für Jugendliche schrieb, musste man sich Restriktionen auferlegen. Heute gilt das meines Erachtens nicht mehr in diesem Maße.


Schreiben Sie nach genauem Plan oder frei nach Gefühl?

Ich denke, es ist eine Art Zwischending. Zu Beginn ist es wichtig für mich, einfach drauflos phantasieren zu können und nicht alles haarklein zu überlegen. Aber nach etwa hundert Seiten verliere ich mich in meinem Geflecht aus Figuren und Handlungssträngen. Spätestens dann muss ich mich hinsetzen und einen Plan für den Fortgang des Romans entwickeln. Aber selbst da bemühe ich mich, kein allzu starres Gerüst zu entwerfen, um mir die ein oder andere Überraschung zu gönnen.


Beschreiben Sie den typischen Tag einer Autorin. Haben Sie irgendwelche besonderen Schreibgewohnheiten?

Der Tag sieht ungefähr so aus: Aufwachen. Ganz viel blinzeln. Frühstücken. Teetrinken. Schreibversuch starten. Abgelenkt werden. Unter die Dusche gehen. Anziehen. Schreibversuch starten. Abgelenkt werden. Mittagessen. Schreibversuch starten. Endlich doch noch mit dem Schreiben anfangen! Schreiben bis um Fünf. Müde werden. Aufhören. Sich mit mit Menschen aus Fleisch und Blut die Zeit vertreiben.


Sie sind 22 Jahre alt und haben einen Buchvertrag! Noch während Ihrer College-Zeit! Wissen Ihre Freunde und Professoren eigentlich, was Sie da machen?

Meine Freunde wussten schon immer, dass ich ein Buch schreibe, aber da ich mich standhaft weigerte, darüber zu sprechen, haben sie irgendwann aufgehört, Fragen zu stellen. Ich bin einfach zu Hause geblieben, statt mit ihnen auszugehen, und immer wieder für längere Zeit in meinem Zimmer abgetaucht. Was das Schreiben angeht, bin ich immer noch sehr zugeknöpft, daher wissen sie nicht allzu viel darüber. Das Gleiche gilt für meine Professoren. Da sie mich in der Regel nicht außerhalb des College erleben, ahnte bis zu meinem Vertragsabschluss keiner, dass ich an einem Buch schreibe.


Sie erwähnen in Ihrem Blog, dass Sie sich in ihre Schreibklause zurückgezogen haben und eifrig an Band 2 arbeiten. Wie muss die ideale Klause aussehen? Sind Sie eine Einsiedlerin oder eine gesellige Kaffeehaus-Autorin?

Beides! Sprich, ich teile meine Zeit gleichmäßig auf und schreibe etwa die Hälfte der Zeit in meinem Apartment und die andere Hälfte außerhalb. Wenn es draußen kalt ist oder ich nicht sehr viel Zeit zur Verfügung habe, schreibe ich meistens zu Hause, ansonsten im Coffee Shop.


Können Sie uns schon Einzelheiten zum Folgeband verraten?

Vorsicht Spoiler, wenn man Folgendes überhaupt so nennen kann: Der zweite Band taucht tiefer in die Welt jener Fraktionen ein, die in „Die Bestimmung“ zu kurz gekommen sind (Candor, Amite, Ken). Und es gibt garantiert keine Dreiecksgeschichte. Was alles weitere angeht, sind meine Lippen versiegelt.


Welche Bücher haben Ihr Leben verändert und inwiefern?

Ich könnte jetzt eine endlos lange Liste aufzählen, vermutlich säßen wir dann in ein paar Tagen noch hier, also beschränke ich mich auf einige Titel: The Giver von Lois Lowry (dt. Hüter der Erinnerung), Ender’s Game von Orson Scott Card (dt. Das Große Spiel), A Wrinkle In Time von Madeleine L’Engle (dt. Die Zeitfalte), die Animorph-Serie von K.A. Applegate, 1984 von George Orwell, die Bibel, Gilead von Marilynne Robinson, Juliet von Andras Visky (das ist zwar ein Theaterstück, gehört aber trotzdem hierher). Von einigen habe ich gelernt, wie man schreibt, vor allem jedoch haben sie mich inspiriert, herausgefordert, ermutigt und in irgendeiner Art und Weise beeinflusst. Ich bin nicht der Ansicht, dass Bücher meine Probleme lösen oder mir Entscheidungen abnehmen, aber sie helfen mir, mich zu entfalten, und bringen mich dazu, Fragen zu stellen - und das allein kann lebensverändernd sein.


Ich danke Ihnen für das Interview und wünsche Ihnen weiterhin viel Spaß und Erfolg!

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