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Vater und Tochter, Ablehnung und Annäherung. Mit großem psychologischem Einfühlungsvermögen schildert Roy Jacobsen, wie zwei Menschen sich allen Widerständen zum Trotz von der Last ihrer Vergangenheit zu befreien versuchen. Schlicht und kunstvoll zugleich beschreibt der Autor die »kleinen Leute«, Menschen wie du und ich, die hart um ein wenig Glück kämpfen müssen. Großes Erzählen – anrührend, einfühlsam, unvergesslich.

 

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Originaltitel: Anger
Autor: Roy Jacobsen
Übersetzer: Gabriele Haefs, Andreas Brunstermann 
Verlag: Osburg Verlag
Erschienen: 2012
ISBN: 978-3-940731-74-6
Seitenzahl: 287 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Hans Larsen wird aus der Haft entlassen und versucht sich in seinem „neuen“ Leben wieder zurechtzufinden. Als er den lange ignorierten Brief seiner Tochter öffnet, erfährt er vom Tod seiner Frau. Da er unter Schuldgefühlen leidet und glaubt, dass seine Tochter mit ihm nichts zu tun haben will, hält er sich von ihr fern. Als er bei einem Krankenhausaufenthalt ein Ehepaar kennenlernt, mit dem er sich gut versteht, bemüht er sich, mit ihrer Unterstützung wieder ins Leben zurückzufinden. Marianne hat mit ihren eigenen Schuld- und Reuegefühlen zu kämpfen. Sie versucht ihrer Tochter eine gute Mutter zu sein und irgendwie über die Runden zu kommen. Sie steht sich oft selber im Weg und kämpft gegen die „Windmühlen“ in sich selbst. Erst als es fast zu spät ist, entschließt sie sich, ihren Vater zu treffen und sich ihrer Vergangenheit zu stellen.

Der Autor hat mit „Die Farbe der Reue“ ein sehr anspruchsvolles Werk geschaffen, dessen Aussage und Schreibstil sich deutlich von der gewohnten Erzählweise abheben und deswegen vermutlich nicht jeden Leser begeistern wird.


Stil und Sprache
Das Buch ist in der dritten Person und überwiegend entweder aus dem Blickwinkel von Hans Larsen oder aus der Sichtweise seiner Tochter Marianne geschrieben. Die Erzählung beginnt mit Larsens Entlassung aus dem Gefängnis und begleitet ihn bei seinem Versuch der Mann zu sein, von dem er denkt, dass er es sein sollte. Jedes der 20 Kapitel zeigt abwechselnd einmal Larsens Sichtweise und einmal die Ansichten seiner Tochter Marianne, die im Lauf der Geschichte ebenfalls versucht, ihr Leben in den Griff zu bekommen.
Die Geschichte besteht aus zwei voneinander abgegrenzten Handlungssträngen, die sich zum Ende des Romans hin immer öfter leicht berühren, sich aber dennoch nicht wirklich verflechten. Die Welt der Protagonisten erscheint dem Leser oft als surreal oder fremdartig und auch viele Überlegungen und die daraus resultierenden Handlungen der Protagonisten sind nicht immer mit den gewöhnlichen Alltagserfahrungen vergleichbar.

Nüchtern erzählt und reichlich gespickt mit Gedanken und Gefühlen der Protagonisten, präsentiert sich das Werk von Roy Jacobson als düstere, immer wieder auf eine eigentümliche Weise distanzierte und manchmal etwas unwirkliche Mischung aus Realität, Gefühlschaos und Traumphasen. Durch diese Mischung ist es schwierig bis fast unmöglich, sich in die Protagonisten hineinzuversetzen und aus diesem Grund entfällt auch der, von anderen Romanen, gewohnte Spannungsbogen. Vielmehr betrachtet man das Geschehen wie mit einer Lupe von außen. Die Geschichte entwickelt sich sehr langsam. Die beiden eigenständigen Handlungsstränge, die sich im Lauf der Erzählung unmerklich einander annähern, berühren sich sogar etwas auf kurzen Strecken, bevor sie langsam wieder ihrer eigenen Linie folgen.

Über dieses Buch werden die Ansichten der Leser bestimmt sehr auseinander gehen und mit Sicherheit alle Beurteilungen von „absolut nicht ansprechend“ bis „genial“ abdecken. Der Roman ist auf jeden Fall ein interessantes Leseerlebnis, besonders wenn man sich von der Intensität und Düsterkeit der Geschichte sowie vom Stil des Autors angesprochen fühlt.


Figuren

Hans Larsen ist ein alter Mann, als er aus der Haft entlassen wird. Das neue, freie Leben überfordert ihn, obwohl er bei einem alten Kumpel einen Job findet und auch eine Wohnung bekommt. Er hängt fest in einem Netz aus Schuldgefühlen und Reue und hadert mit seinem Leben. Erst als er bei einem Krankenhausaufenthalt das Ehepaar Almlie kennenlernt und er nach seiner Gesundung viel Zeit bei ihnen verbringt, wird seine Welt klarer und bekommt einen Sinn.
Marianne, Larsens Tochter, versucht sich und ihre Tochter Greta irgendwie über die Runden zu bringen. Auch sie hadert mit ihren Handlungen in der Vergangenheit, bekämpft ihre eigenen Teufeln und wirkt manchmal leicht abgehoben. Agnes Almlie und Larsen finden nach dem Tod von Agnes‘ Mann für kurze Zeit zusammen und sie versucht aus ihrem Leben und aus ihrer Einsamkeit auszubrechen.

Jeder der Protagonisten kämpft mit seinen eigenen Reue- und Schuldgefühlen und gesteht den Vorkommnissen der Vergangenheit permanente Auswirkungen auf das aktuelle Leben zu. Obwohl die Figuren gut dargestellt wurden und der Autor die Gefühlswelt der Protagonisten sehr detailliert zeigt, bleiben sie durch ihre Ansichten und Handlungen dennoch fremd und in ihrer eigenen kleinen Welt gefangen. Da sich ihre Lebensweise, Wünsche und Fantasien sehr von meinen eigenen unterscheiden, war es mir leider nicht möglich, mich mit den Figuren zu identifizieren.


Aufmachung des Buches
Das Buch ist fest gebunden und mit einem Schutzumschlag versehen. Das Coverbild spiegelt besonders die Düsterkeit, die stellenweise im Text zum Tragen kommt, gut wieder. Der Text auf der Rückseite und die kurze Beschreibung auf der vorderen Innenseite des Schutzumschlages geben zwar einen kurzen Einblick in die Handlung, verraten aber nichts über den eigenwilligen Schreibstil des Autors. Auf der rückseitigen Innenklappe finden sich ein Bild und eine Kurzvita von Roy Jacobsen. Der Roman gliedert sich in 20 größere Kapitel, die abwechselnd einmal von Hans Larsens und einmal von Mariannes Leben berichten. Die Formatierung ist übersichtlich und leicht lesbar.


Fazit
Selten  war ein Buch für mich so schwer zu bewerten wie dieses. „Die Farbe der Reue“ ist ein sehr anspruchsvolles Werk, bei dem die Ansichten der Leser bestimmt sehr auseinander gehen werden. Jenen Lesern, die einen flotten, leichten Roman erwarten, mit dessen Figuren sie sich mühelos identifizieren können, wird dieses Buch weniger zusagen. Leser, die sich gerne mit Menschen in schwierigen Situationen und (oft schweren) Schicksalen auseinandersetzen und deshalb eine herausfordernde Lektüre bevorzugen, wird dieses Buch bestimmt ansprechen können. Mir persönlich hat "Der Sommer, in dem Linda schwimmen lernte", der vorhergehende Roman des Autors,  besser gefallen.


3 Sterne


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