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>> Hör auf, dich wie ein Kind zu benehmen <<

Die 50er Jahre: Zeit des Wirtschaftswunders und des Neuanfangs. Man schaute nach vorn. Doch in den Familien der Nachkriegskinder ging es engherzig zu. Die Unbeschwertheit von Kindern passte nicht in eine Gesellschaft, auf der Kriegserlebnisse und Erfahrungen von Gefangenschaft, Vertreibung und Schuld lasteten. Das Schweigen der Soldatenväter erwies sich als ein Erbe, das die Nachkriegskinder zutiefst irritierte, häufig ein Leben lang. Nun aber lichtet sich der Nebel...

Das Buch hilft den Angehörigen dieser Generation, die Ungereimtheiten in der eigenen Biographie zu verstehen und für sich neue Ressourcen zu entdecken.

 

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Autor: Sabine Bode
Verlag: Klett-Cotta Verlag
Erschienen: Januar 2012
ISBN: 978-3-608-94678-9
Seitenzahl: 302 Seiten

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Umsetzung, Verständnis und Zielgruppe

Die Journalistin Sabine Bode hat mit "Kriegskinder" seinerzeit ein Buch vorgelegt, dessen Thema - Kindheit im und nach dem 2. Weltkrieg - sie nicht mehr losgelassen hat. Ein Buch zog das andere nach sich, weil bei Lesungen und auch in Briefen an die Autorin die Leser darum baten, dass sie sich doch auch um ihre Generation kümmern möge. So erschien zunächst "Kriegsenkel" und jetzt "Nachkriegskinder", das die Generationen-Lücke schließt. Zugleich ist es ihr persönlichstes Buch, da auch sie den 1950er Jahrgängen angehört.

Anhand ihrer eigenen Biographie und mehrerer weiterer ausgewählter Biografien von Männern und Frauen beschreibt sie deren Suche nach den Lebens-Bedingungen unter denen sie "groß wurden".  Im Unterschied zu ihren anderen Büchern legt sie das Hauptaugenmerk auf die Soldatenväter, weniger auf die jeweiligen Mütter, und nur wer einen solchen hatte, darf sich zu dieser Generation zählen. Alle berichten von abwesenden Vätern, selbst wenn sie körperlich anwesend waren, von der Rückkehr der "Schwarzen Pädagogik", von brutalen Vätern, die ihre Kinder beschämten, abwerteten, demütigten und häufig zuschlugen bis hin zu schweren Prügeln. Von Müttern, die das traditionelle Rollenbild nicht in Frage stellten und spurten. Nur manchmal beschützten sie ihre Kinder. Der Umgang mit den oft, aber  nicht immer, traumatisierten Soldatenvätern war schwierig und die Interviewten fanden viele individuelle Lösungen für das Dilemma, einen Vater zu lieben, der nicht fähig ist, selbst zu lieben.

Schweigen war das Gebot der Stunde, Schweigen über den Nationalsozialismus und die Verstrickung der Eltern und Großeltern darin. Dies galt sowohl in den Familien als auch in der breiten Gesellschaft, und wurde lange von den Nachkriegskindern nur diffus wahrgenommen. Spät, meist in der Lebensmitte, begannen die Portraitierten eine Therapie, um die Nebel zu lichten, die auf ihrer Kindheit lagen. Nebel, deren Ursachen die 1968er zwar anprangerten, die sie aber nicht gänzlich aufheben konnten.

Die Autorin beschreibt anschaulich und gut lesbar die Lebenswirklichkeiten ihrer Generation, die sich, so befürchte ich, heutige Jugendliche überhaupt nicht mehr vorstellen können, und das ist nicht zuletzt ein Verdienst dieser Generation, der es gelungen ist, die Ächtung der Gewalt in der Erziehung durchzusetzen. Viele Leser, deren Vater im 2. Weltkrieg Soldat war, werden sich und ihre Erfahrungen in diesem Buch wiederfinden. Sie werden erkennen, dass sie nicht so alleine waren mit ihren Wahrnehmungen und Empfindungen, wie sie damals glaubten. Um das zu erreichen, hat die Autorin sich nicht nur auf die Biographien verlassen, sondern auch andere in ausführlichen Interviews zu Wort kommen lassen: unter anderem zwei ehemalige Soldaten und den Historiker Sönke Neitzel. Diese Interviews werden noch durch einige Zitate aus bekannten Romanen untermauert. So entsteht, ergänzt durch weitere Erläuterungen der Autorin, ein authentisches Bild dieser Zeit und ihrer Folgen, die bis heute andauern. In einem abschließenden Kapitel fragt sie, welche Auswirkungen es auf eine Gesellschaft hat, wenn die Väter, die Orientierung geben sollten, dazu nicht fähig waren, und welche Wege gegangen werden können, um genau diese im eigenen Leben dennoch zu finden.

Trotz der journalistischen Distanz der Autorin handelt es sich um ein sehr emotionales Buch, das ganz und gar auf die Zielgruppe zugeschnitten ist, und von Nichtbetroffenen möglicherweise nicht wirklich verstanden werden kann, aber hoffentlich auch bei diesen zu neuen Einsichten führt.


Aufmachung des Buches
Das Buch hat vom Verlag einen stabilen, champagnerfarbenen Einband erhalten. Das Cover verweist bereits auf die Fünfziger Jahre, ohne dass man den Titel gelesen haben muss. Als Hintergrund wählte man die charakteristische Schraffierung vieler Resopal-Tischplatten, hier in beige-weiß. Allerdings – wer von der jüngeren Generation kennt sie noch? Das angesprochene Publikum weiß aber sofort, um was es geht. Die Kapitelnummern mit ihren Überschriften werden ganzseitig angezeigt. Der Hintergrund dieser Seiten ist ebenfalls in dem bereits beschrieben Muster gehalten, nur in grau-weiß. Das Inhaltsverzeichnis ist sehr ausführlich. Abgeschlossen wird das Buch mit den Anmerkungen und ein paar Seiten Literaturempfehlungen. Abschließend noch eine Anmerkung: ab und an ist der Autorin im Text ein Wort (z.B. aber, als) abhanden gekommen. Dies stört zwar manchmal den Lesefluss, aber nicht das Verständnis des Gesagten.


Fazit

Für alle Nachkriegskinder, die mit sich selbst noch im Unreinen sind, oder auf der Suche nach ihren Wurzeln, ein Muss. Auch Lesern außerhalb dieser Zielgruppe möchte ich es empfehlen, denn das Thema Nationalsozialismus ist noch lange nicht abgeschlossen.


4 5 Sterne


Hinweise
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