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In diesem Roman, der in Fécamp, Paris und Bremen spielt, soll Maigret eigentlich nur einen Mann am Bahnhof abholen, der ihm aber schon bei der Ankunft entwischt. Minuten später wird im selben Zug die Leiche eines anderen Reisenden gefunden..., und der sieht dem ersten Reisenden zum Verwechseln ähnlich.

 

Maigret und Pietr der Lette 

Originaltitel: Pietr-le-Letton
Autor: Georges Simenon
Übersetzer: Wolfram Schäfer
Verlag: Diogenes
Erschienen: 2008
ISBN: 978-3-257-23801-3
Seitenzahl: 192 Seiten



Die Grundidee der Handlung
Maigret, Kriminalkommissar der ersten mobilen Eingreiftruppe der Polizei, bekommt eine chiffrierte Meldung von Interpol. Pietr der Lette befindet sich in einem Zug Richtung Paris. Doch am Bahnhof kommt er zu spät. Im Zug liegt eine Leiche, die dem Gesuchten zum Verwechseln ähnlich sieht. Maigret, der perfekte Beobachter, erkannte unter den Reisenden des Zuges einen Mann, der von Personal des Nobelhotels Majestic abgeholt wurde. Intuitiv macht er sich auf die Suche nach dem Unbekannten und sieht sich kurz darauf Pietr gegenüber. Der Mann mit den vielen Namen, Olaf Oppenheim, Fedor Jurowitsch oder auch Olaf Swaan scheint sich dort mit einem Geschäftspartner und seiner Frau, den Mortimer-Livingstons, zu treffen. Doch der Gauner ist bereits auf der Hut und nach einem Attentat auf Maigret, bei dem einer seiner Mitarbeiter, Torrence, getötet und er selbst schwer verletzt wird, beginnt eine schlaflose Jagd nach dem Unbekannten. Die unruhige Hatz zwischen dem Fischerort Fécamp und diversen Orten innerhalb von Paris wird zum nervenaufreibenden Showdown zweier Männer, die wissen, dass es um alles oder nichts geht.
Der Autor vermittelt diese unruhige Hatz, das Warten auf Fehler, das Beobachten quasi in Perfektion an den Leser. Die Luft ist zum Zerreißen gespannt, was man auf jeder Seite spürt und was zum besonderen Lesegenuss beiträgt.


Stil und Sprache
Georges Simenon ist kein Autor vieler Worte. Was er in seine Geschichte packt, hat Hand und Fuß und übermittelt auf einfachste aber sehr eindringliche Weise eine atemberaubende Atmosphäre an den Leser. In seinem ersten Fall für Kommissar Maigret geht es dann auch mit Volldampf zur Sache. Von der ersten Sekunde an gerät der Leser in den Sog dieser Hetzjagd nach einem großen Unbekannten. Doch auch wenn Maigret im Vergleich zu späteren Romanen noch jung und wenig erfahren ist, merkt man sofort das Potential, das in ihm und der Serie steckt. Bis ins kleinste Detail wird die Beschattung des vermeintlichen Verbrechers dargestellt.

Die einzelnen Orte und Szenen werden sehr realistisch und mit viel Liebe zum Genauen beschrieben. Man fühlt sich, als wäre man live dabei. Die Unruhe Maigrets, aber auch seines Gegenübers ist förmlich zu spüren. Die Geräusche auf den Straßen von Paris oder das noble Treiben im Grandhotel wirken sehr authentisch und tragen natürlich zu der besonderen Atmosphäre bei. Besonders beeindrucken finde ich die extreme Stimmung in dem verregneten Fischerdorf Fécamp, in dem Maigret stundenlang zusammengekauert auf sein Opfer wartet. Der Fischgestank der durch die dunklen, nassen mit trostloser Einsamkeit gefüllten Gassen zieht, das monotone Trommeln der Regentropfen, die steigende Ungeduld aller Beteiligten. Eine Zermürbungstaktik, die auch beim Leser gute Nerven fordert.

Sehr schön ist auch, dass beide Seiten, die Guten wie die Bösen, Schwächen zeigen. Das Ergebnis der Jagd bleibt lange offen und endet plötzlich und gnadenlos. Die wenigen und leichten französischen Begriffe und Orte oder auch Namen sind leicht zu lesen und selbst erklärend. 192 Seiten Kurzweil und der Wunsch, schnell den nächsten Band zu kaufen, sind garantiert.


Figuren
Maigret, der Lichtgestalt der Kriminalliteratur und Kind von Autor Georges Simenon wird Leben eingehaucht. Simenon hat seinen Charakter über 75 Bände lang bis zur Perfektion weiterentwickelt und zeigt uns in seinem ersten Band den Maigret in noch jungen Jahren. Im Vergleich zu späteren Fällen wirkt er noch sehr stürmisch und ehrgeizig. Er verbeißt sich regelrecht in sein Ziel und geht, ohne viel über Regeln oder Hindernisse nachzudenken, gegen die Verbrecher vor. Allerdings zeigt uns Simenon auch, das Maigret noch viel lernen muss. Durch seine ungestüme Art gerät er das ein ums andere Mal in brenzlige Situationen. Vor allem der Anschlag auf ihn und seinen Partner, bei dem er schwer verletzt und sein Partner getötet wird, hinterlässt bei ihm Spuren.

Sein Gegner steht ihm in nicht viel nach. Gerissen und sehr abgeklärt geht er vor und wähnt sich lange auf der sicheren Seite. Allerdings gerät er durch die ständige Anwesenheit Maigrets immer mehr unter Druck und macht schließlich entscheidende Fehler. Auch in seinem ersten Werk zeigt Simenon seinen berühmten Blick auf die Pariser Gesellschaft. Ob nun ‚Upper Class’ oder ‚Bodensatz’, er nimmt den Leser mit auf eine Reise durch das Paris der Zwischenkriegsjahre und zeichnet ein oft erschreckend armes Bild und gleichzeitig die Dekadenz der Reichen. Also viel Atmosphäre, allein schon wegen der Figuren.


Aufmachung des Buches
Band  eins der insgesamt 75 Bände umfassenden Neuauflage als kleines gebundenes Buch zeigt sich im gewohnten Diogenes-Style. Auf komplett weißem Hintergrund ist innerhalb eines dünnen schwarzen Rahmens eine Schwarz-Weiß-Szene aus dem Pariser Straßenleben der Zwischenkriegsjahre zu sehen und der Titel des Buches sowie der Autor werden genannt. In den Einbandseiten befinden sich farbige Stadtpläne von Paris sowie am Ende des Buches eine kurze Erklärung, wie die Figur Maigrets entstanden ist. Das rote Stofflesebändchen wertet das ohnehin schon qualitativ hochwertige Buch weiter auf.


Fazit
Ein gelungener Einstand mit viel Spannung und einem überragenden Ermittler. Für Krimifans ein Muss und für Sammler eine Augenweide.


5 Sterne


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