„Können Sie beweisen, dass Sie tot sind?“
Peter Grant ist frischgebackener Police Constable, als man ihm einen unerwarteten Karrierevorschlag macht: Er soll Zauberlehrling werden, der erste in England seit fünfzig Jahren. Jetzt muss er sich mit einem Nest von Vampiren in Purpley herumschlagen, einen Waffenstillstand zwischen Themsegott und Themsegöttin aushandeln, Leichen in Covent Garden ausgraben … Alles ziemlich anstrengend. Und der Papierkram!
Originaltitel: Rivers of London |
Die Grundidee der Handlung
Peter Grant wird, kaum dass er zum Constable befördert wurde, Thomas Nightingale zugewiesen, einem Polizist und Zauberer. Grant lernt nicht nur die kuriosesten Wesen kennen, sondern muss sich auch einem brisanten Fall stellen: Jemand – oder besser etwas – dringt in die Köpfe Londoner Bürger ein und löst durch sie extreme Gewalttaten aus. Während Nightingale und Grant noch auf der Suche sind, was – oder wer – dazu fähig ist, eskalieren die brutalen Übergriffe …
Gleichzeitig muss Grant als Zauberlehrling eine Fehde zwischen den Flussgöttern Londons, Mutter Themse und Vater Themse, schlichten, bevor sich der Streit auf deren Söhne und Töchter, die übrigen Londoner Flüsse, ausdehnt.
Die Flüsse von London ist ein Fantasy-Krimi, der mit einem neuen Ansatz – ein Polizist, der zudem Magierlehrling wird – das moderne London mit fantastischen Elementen verwebt. Ein zauberhaftes Spektakel!
Stil und Sprache
Direkt ab den ersten Zeilen schlägt Ben Aaronovitch einen herrlich-ironischen Tonfall an, wodurch er den Leser sofort für sich einnimmt. Diesen Stil hält er konsequent über den ganzen Roman bei, wodurch „Die Flüsse von London“ für mächtig viel Unterhaltung sorgt. Während der Autor die ersten drei Seiten aus Sicht eines unbeteiligten, über den Dingen schwebenden Erzählers schildert, geht er danach in die Ich-Perspektive über und erzählt die Geschichte aus der Sicht von Police Constable Peter Grant. Dadurch ist man nicht nur sehr nah beim Protagonisten und verfolgt seine Gedanken und Erlebnisse hautnah, sondern wird von ihm gelegentlich sogar direkt angesprochen. Grant sorgt indes durch seine offene und bestechend ehrliche Art regelmäßig für Lacher und breites Grinsen beim Leser. Durch ihn bringt Aaronovitch immer wieder den vor Spitzfindigkeit nur so triefenden und frechen, typisch britischen Humor knochentrocken rüber, wie auf S. 428: „Außerdem trank ich einen Liter kalten Wassers, denn Flüssigkeitsmangel war eine normale Begleiterscheinung beim Verzehr eines Gerichts, das meine Mutter gekocht hatte“. Wie nebenbei stolpert man über Anspielungen oder kleine Seitenhiebe auf andere Romanfiguren wie z.B. Harry Potter, Voldemort, Charaktere aus Star Wars oder Tolkiens Hobbits. Selbstironisch bleibt auch die englische Lebensweise nicht verschont: Als die Ermittler auf Mrs. Coopertown – eine Dänin – treffen, bekommt so manche britische Mentalität ihr Fett weg.
Die Dialoge sind dabei oft schlagfertig und sehr amüsant, z.B. als sich Inspektor Nightingale und Grant über den Hund Toby unterhalten: „Ich würde ihn nicht zu Fäustlingen verarbeiten.“ bemerkte Nightinggale. – „Nein?“ – „Er ist ein Kurzhaarterrier“, erklärte er. „Als Fäustlinge sehen die scheußlich aus. Würde aber vielleicht eine akzeptable Fellmütze abgeben.“ (S. 71).
In einer anderen Szene kommentiert DCI Seawoll eine Zeugenaussage mit „Das ist reiner Bockmist, aber wenigstens überzeugend vorgetragen.“ (S. 83).
Aaronovitch lässt in seiner Geschichte, die durch diverse technische Aspekte verdeutlicht, dass sie in der modernen Gegenwart spielt, die unterschiedlichsten Wesen aufmarschieren: So gibt es unter anderem Trolle, Flussgötter und –göttinnen, Zauberer, Vampire und natürlich Geister. Gleichzeitig baut er nicht nur erstaunliche geographische, sondern auch historische Kenntnisse zu London in die Geschichte mit ein und versteht es, Szenen und Orten unglaublich bildhaft und gut getroffen zu beschreiben, so dass der Leser sie sich sehr gut vorstellen kann.
Zumeist bedient sich der Autor einer klaren Sprache und vermeidet Fremd- oder Fachwörter – falls doch, werden sie fast immer im Text erläutert. Anders jedoch, als Nightingale und Grant einer Autopsie beiwohnen, hier greift der Kryptopathologe Dr. Walid auf reichlich medizinische Fachbegriffe zurück und verleiht der Szene damit ein realistisches Bild.
Ruhige und bedächtige Szenen, die oft sehr humorvoll verpackt werden, wechseln sich geschickt mit Action ab, so dass der Autor der Geschichte Raum zur Entfaltung und dem Leser immer wieder Zeit zum Atemholen gibt, bevor er ihn das nächste Mal packt. So hält Aaronovitch mit einem gekonnt inszenierten Spannungsbogen bei der Sache. Die teilweise verwirrenden Einzelhandlungen, besonders sofern sie Nightingale oder möglicherweise magisch motivierte Handlungen betreffen, machen die Mystik der Geschichte aus und lüften erst langsam ihre Geheimnisse – wie es sich für einen guten Krimi gehört, fügt sich erst zum Ende des Romans das letzte Puzzle-Teil in das Gesamtkonzept ein.
Voraussichtlich im Juli 2012 gibt es dann ein Wiedersehen mit Peter Grant, wenn Aaronovitchs nächstes Buch, Schwarzer Mond über Soho, erscheint.
Figuren
Peter Grant ist ein liebenswerter, aber auch ganz eigener Polizist aus der „ethnischen Minderheit“, der sich schnell ablenken lässt, so findet er z.B. „die Aufschrift auf dem Arsch des Löwen am Brunnen“ (S. 24) so interessant, dass er es versäumt, seiner Kollegin beim Kampf gegen besoffene Rowdies zu helfen. Dies sorgt bei seinen ehemaligen Ausbildern nicht gerade für Freude. Seine große Chance erhält er, als er dem Polizisten Nightingale zugewiesen und zum Zauberlehrling ausgebildet wird. Und schon wird er mitgerissen von den magischen und mystischen Ereignissen, die sich in London abspielen.
Aber nicht nur der Protagonist, auch alle anderen Figuren sind Ben Aaronovitch gelungen und verstehen es, die Geschichte glaubwürdig zu beleben. Sie alle haben Ecken und Kanten, sind keine strahlenden Helden, sondern alltägliche Charaktere – und dies macht sie glaubhaft.
Aufmachung des Buches
Der als Taschenbuch aufgelegte Roman hat ein so treffendes wie schön gestaltetes Cover, das sofort meine Aufmerksamkeit erregt hat. Auf dem unteren Teil ist auf pergamentfarbenem Hintergrund ein Kartenausschnitt Londons zu sehen, der Covent Garden Market wird durch eine Lupe hervorgehoben. Die südlich davon gelegene Themse ist blutrot eingefärbt, während einzelne Blutstropfen nach unten aus dem Fluss herauslaufen. An der oberen Seite wird die Silhouette von Big Ben von zwei Totenköpfen flankiert. Die Schriftzüge mit Titel und Autor, der Fluss, das Lupenglas und einige andere Elemente des Bildes wurden mit Spotlack versiegelt.
Fazit
Der Polizist Peter Grant sorgt mit seinem ersten Abenteuer als Zauberlehrling für reichlich Unterhaltung, gespickt mit herbem britischen Humor. Die Flüsse von London sind eine herrliche Mischung aus Krimi und Fantasy, aus Action, Magie und Mystik.
Hinweise
Rezension von Sven Trautmann
Herzlichen Dank an den dtv-Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.
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