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Jeder Ort besitzt seine Geheimnisse …
wenn man bereit ist, sie zu hören.

Im Jahre 1949, irgendwo in Mitteleuropa steht ein geheimnisvolles Herrenhaus, ein Waisenhaus für Kinder. Sie werden einem Virus ausgesetzt, durch den sie grausame Verwandlungen durchmachen ...

 

Das Schloss_der_stummen_Schreie 

Originaltitel: Le manoir des murmures, tome 1-3
Autor: David Munoz
Übersetzer: Marcel Le Comte
Illustration: Tirso
Verlag: Ehapa Comic Collection
Erschienen: 12/2011
ISBN: 978-3-7704-3323-0
Seitenzahl: 176 Seiten
Altersgruppe: ab 12 Jahren (Verlagsempfehlung)

Hier geht’s zur Leseprobe


Grundidee der Handlung
Tschechoslowakei, 1949. In einem alten Schloss, das auf den ersten Blick ein Waisenhaus zu sein scheint, werden Kinder behandelt. Ihnen wird erzählt, dass ihre Eltern durch einen Virus, den die Nazis auf ihrem Rückzug hinterlassen haben, getötet und sie selbst infiziert wurden. Nur wenn sie an der Behandlung teilnehmen, können die Folgen des Virus unterdrückt werden.

So kommt auch die kleine Sarah in das Schloss und findet – neben neuen Freunden – auch den Mut dazu, die Geheimnisse des Schlosses nach und nach zu erkunden. Begleitet und angeleitet wird sie von einer mysteriösen Stimme, die nur sie hören kann. Doch nichts ist, wie es zu sein scheint, und schon bald finden sich Sarah, Milos, Jan und Marketa in einem seit Jahrhunderten dauernden Krieg an …

Von der ersten Ankündigung bis zum letztendlichen, immer wieder verschobenen Veröffentlichungstermin der deutschsprachigen Ausgabe hat es Jahre gedauert und interessierte Leser auf eine Geduldsprobe gestellt – doch das Warten hat sich gelohnt. „Das Schloss der stummen Schreie“ ist packend, mitreißend, dynamisch – und dabei ein herrliches Verwirrspiel, bei dem der Leser erst fast am Ende erfährt, wer gut und wer böse, wer Freund und wer Feind ist.


Beurteilung der Zeichnung / Textdarstellung
Mit einem aussichtslosen Kampf von Kindern gegen Ritter nimmt die Geschichte gleich von Beginn an unheilvoll und dynamisch an Fahrt auf. Dabei beweisen der Szenerist und der Zeichner ab den ersten Seiten viel Geschick bei dem Aufbau der Handlungen.

Tirso versteht sich darauf, in seinen Bildern eine dichte Atmosphäre zu erzeugen. Ob es nun die faszinierenden Lichtstimmungen sind, noch betont von einer Panelumrandung, die – abhängig von den Tageszeiten – weiß oder schwarz ist, oder die Nebelschwaden vor den Mauern des alten Schlosses und die Äste der knorrigen Bäume, die nach einem zu greifen scheinen und ihre bedrohliche Wirkung nicht verfehlen. Bei Außenszenen ist es die leicht dunstige Wirkung in der Ferne, die den Bildern zudem Tiefe verleiht, während auf dem Dachboden die Spinnweben für eine schaurige Umgebung sorgen. Mit leuchtenden Farben ist der Sonnenuntergang sehr wirklichkeitsnah eingefangen, während die Farben der Vollmondnacht angenehm kühl sind. So heben sich die Gebäude des nächtlichen, in warmes Kunstlicht gehüllten Prags beeindruckend gegenüber den sie umgebenden, kalten Tönen ab. Und nicht zuletzt die Darstellung des Sturzregens ab den Seiten 106 ist dem Zeichner unglaublich realistisch gelungen.

Etwas gruselig, aber sehr exakt ist das Schloss gezeichnet – von außen wie von innen. Ob es nun die Tore, die Wehrgänge oder die Architektur der schwerbewachten Anlage sind - die Bilder vermitteln den Eindruck von Alter und teilweisem Verfall. Besonders schaurig sind die Verliese und alten Abwassergewölbe der Festung illustriert. Auch die Innenansichten bestechen durch viele Details, ob es nun das Labor, der museumsartige Wohnraum oder das Zimmer von Sarah ist. Schön und edel ist auch der große Saal (Seite 24), dessen lange Tafel und die hohen, verziert gerahmten Fenster die Macht und den Einfluss ihres einstigen Erbauers darstellen. Doch hat das Schloss noch viel mehr zu bieten und gibt seine Geheimnisse erst nach und nach preis.
Aber auch andere Orte wurden gekonnt erstellt, so sind z.B. Demians Gemächer elegant und geschmackvoll eingerichtet.

Etwas gewöhnungsbedürftig ist am Anfang der Stil, mit dem Tirso seine Figuren auf das Papier bringt. So wirken einige von ihnen recht gedrungen, andere hingegen eher langgestreckt. Besonders die Ärztin Dagmar, die an ihrer rechten Halsseite die verästelten Narben einer alten Verletzung trägt, scheint in manchen Bildern eine asymmetrische, verschobene Gesichtsform zu haben. Hierdurch sind ihr Charakter und ihre Stimmung noch schwieriger einzuschätzen. Ähnlich entrückt wirkt gelegentlich Milos Gesichtsausdruck. Doch recht schnell hat man sich an diese Form der Darstellung gewöhnt, zumal die Charaktere zumeist sehr gut getroffen sind. Tough und mutig ist die kleine Sarah mit den großen, aber mandelförmigen Augen und den roten Korkenzieherlocken. In ihrem Gesicht spiegelt sich die ganze Palette ihrer Emotionen glaubhaft wider, die sie bei ihren Abenteuern durchlebt. Auf ihre Weise undurchschaubar und herrisch ist Marketa, eines der Kinder, die im Schloss festgehalten werden.

Als Sarah sich daran erinnert, was mit ihren Eltern passiert ist, wechselt die Farbgestaltung ihrer Umgebung in einen grünmonochromen Ton, von denen sich nur die Hauptpersonen dieser Szene sowie das Rot des Blutes in natürlichen Farben abheben, was den Schrecken noch unterstreicht.

Intensiv und recht blutig sind die Auseinandersetzungen im Schloss ab Seite 121 – mehr soll hier nicht verraten werden. Insgesamt empfehle ich den Comic aber nicht für Jugendliche unter 14 Jahren.

Wunderschön gezeichnet sind die Trennblätter zwischen den einzelnen Abschnitten, wobei die Art der Darstellung eine andere ist als die des Comics.

Die Bilder, in denen die Geschichte erzählt wird, sind zumeist klassisch durch Stege getrennt, wenn sich die Größe der Panels auch den Begebenheiten anpasst. Tirso hat jedoch auch modern-dynamische Elemente mit einfließen lassen, so überlagern sich die Bilder teilweise oder sind mit kreis- oder in einem Fall sogar einem pfeilförmigen Rahmen versehen.


Aufmachung des Comic
Das etwas kleiner als Din A4 gestaltete All-in-One ist mit einem festen Buchumschlag und Fadenbindung versehen. Die Verarbeitung und die Materialwahl sind hochwertig, genauso überzeugend ist die Druckqualität. Bei dem Cover hätte mir das Motiv auf Seite 1, welches bei der ursprünglichen Ankündigung als Aufmachung vorgesehen war und eine mysteriöse Atmosphäre vermittelt, besser gefallen als das nun gewählte, welches eher von bedrohlich-düsterer Stimmung ist. Dennoch macht die Gestaltung der Buchfront neugierig auf den Inhalt.

Den Abschluss bildet ein Portfolio mit sechs Zeichnungen in unterschiedlichem Stil, die überwiegend der kleinen Heldin Sarah gewidmet sind.


Fazit
Der Verlag lässt das Jahr mit einem Paukenschlag ausklingen: Das Schloss der stummen Schreie ist düster, fesselnd und voller Atmosphäre, gleichzeitig lässt der klug inszenierte Plot den Leser fast bis zuletzt miträtseln, wem mal wohl vertrauen kann und wem nicht. Begleitet von beeindruckenden Bildern, ist dieser Comic ein absoluter Lesegenuss.


5 Sterne


Hinweise
Rezension von Sven Trautmann
Herzlichen Dank an Ehapa Comic Collection für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.


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