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Renée ist vierundfünfzig Jahre alt und lebt seit siebenundzwanzig Jahren als Concierge in der Rue de Grenelle 7 in Paris. Sie ist klein, hässlich, hat Hühneraugen und ist seit längerem Witwe. Paloma ist zwölf, hat reiche Eltern und wohnt in demselben Stadtpalais.
Renée führt eine Art Doppelleben: Sie spielt die einfältige Concierge, in Wirklichkeit aber ist sie ungemein gebildet. Während der ruhigen Stunden im Haus hat sie die großen Werke der Literatur und Philosophie gelesen und blickt höchst wachsam auf die Welt und das oft eigenartige Treiben ihrer reichen Nachbarn. Und Paloma? Altklug wie sie ist, hat sie beschlossen, erst gar nicht in die verlogene Welt der Erwachsenen einzutauchen. Sie will sich noch ein paar grundlegende Gedanken über die Welt machen - sich dann aber an ihrem dreizehnten Geburtstag umbringen. Als jedoch Monsieur Ozu, ein japanischer Geschäftsmann, einzieht, verändert sich das Leben in dem Stadtpalais ganz überraschend. Hinreißend komisch, bitterböse und sehr berührend erzählen Paloma und Renéevon ihrem Leben, den Bewohnern des Stadtpalais, von Büchern, Filmen, Mangas und von ihrer Suche nach der Schönheit der Welt.

 

  Autor: Muriel Barbery
Verlag: dtv premium
Erschienen: 05/2008
ISBN: 978-3-423-24658-3
Seitenzahl: 364 Seiten 


Die Grundidee der Handlung
Dem Klappentext des Buches ist nicht viel hinzuzufügen. Es geht um die Darstellung eines Zusammenlebens in einer Hausgemeinschaft, wie es sie in den reichen Stadtteilen von Paris zu Hunderten gibt. Und dennoch ist die Ansammlung von Charakteren in der Rue de Grenelle Nr. 7 keine alltägliche. Es geht um den Konflikt zwischen arm und reich, es geht um Sein und Schein, um Werte und Oberflächlichkeit. Um die Auflehnung eines reichen Mädchens gegen die snobistische Lebensauffassung ihrer Familie und die Persönlichkeitsentwicklung einer einsamen Concierge angesichts von Freundschaft und Verständnis.


Stil und Sprache
Der Roman besteht nicht aus einem linearen Erzählstrang, sondern aus kurzen Kapiteln, in denen mal Renée als Erzählerin auftritt, die sich mit den Tagebuch-Aufzeichnungen des Mädchens abwechseln. Die frühreife und intelligente Paloma gibt ihre Sicht der Dinge nur durch diese 16 "Tiefgründigen Gedanken" - jeweils eingeleitet mit einer kurzen Zusammenfassung - und die 7 Auszüge aus dem "Tagebuch der Bewegung der Welt" preis. Der Leser wird sich wundern, zu welch teils verrückten, teils philosophischen Betrachtungen ein pubertierendes Mädchen imstande ist.

Dieses Springen zwischen der Erzählung der Concierge und den Gedanken des Mädchens lässt absolut keine Langeweile aufkommen. Der Text wird dadurch in appetitliche, leicht verdauliche Häppchen unterteilt, ein äußerst gelungenes Erzählkonzept.

Barbery`s Stil ist unverkennbar philosophisch, ebenso die Thematik. Gewürzt wird dies mit japanischen Einflüssen, z.B. der japanischen Küche, Mangas oder japanischen Denkweisen, die dem Text eine gewisse Leichtigkeit verleihen.
Auffallend sind der erstklassige Humor, das witzige Temperament und die feinen Zwischentöne. Barbery versteht es, alles genau auf den Punkt zu bringen. Ihre Sprache ist prätentiös, ohne "gestelzt" zu wirken. Ihre Formulierungen treffen stets ins Schwarze. Ein wenig erinnert der Stil von Muriel Barbery an Anna Gavalda, nur noch besser.


Figuren
Die Autorin versteht es, ihre Figuren sehr lebendig darzustellen, was den Leser von der ersten bis zur letzten Seite mitfühlen lässt. Das Schicksal der knuffigen Concierge und der aufmüpfigen Göre geht einem richtig ans Herz. Man fürchtet ständig, die Reichen würden die Tarnung der Concierge aufdecken und bei den Schilderungen der kleinen Paloma ist man dankbar, nicht so eine Schwester oder Mutter zu haben, und nicht im gleichen "Goldfischglas" enden zu müssen.
Diese Wirkung wird vor allem dadurch erzeugt, dass beide Hauptfiguren sehr authentisch dargestellt sind. Man verzeiht der bücherverschlingenden Concierge jede Schrulligkeit, ihre Angewohnheit, alle Bewohner des Palais mit Argusaugen zu beobachten, und vertraut ihrem Urteil.

Renée repräsentiert das Gute, ebenso Paloma, auch wenn diese Figuren nicht ohne Schwächen sind. Bei der Concierge ist vor allen Dingen ihr angeknackstes Selbstbewusstsein zu nennen und die Unfähigkeit, sich von dem selbstauferlegten Kastendenken und der Unterscheidung zwischen arm und reich zu trennen. Gerade dieses Spannungsverhältnis spiegelt sich auch in dem Verhältnis zwischen Concierge und ihrem japanischen Nachbarn wieder und durchzieht den ganzen Roman.

Auch Paloma ist eine sehr vielschichtige Figur. Natürlich zählt man sie zu den "Guten", dennoch, was soll man von einem Mädchen halten, das einen Selbstmord plant und darüber hinaus die Wohnung anzünden möchte? Besonders die große Verachtung, die Paloma gegenüber ihrer Familie und insbesondere ihrer Schwester empfindet, lässt hier die Grenze zwischen Gut und Böse durchlässig erscheinen. Ihre Verachtung für Erwachsene ist maßlos, ebenso wie ihre Zuneigung für gute Menschen grenzenlos ist.


Aufmachung des Buches
Bei dem Buch handelt es sich um eine Taschenbuchausgabe, die Dank der sehr guten Verarbeitung so stabil wie ein gebundenes Buch ist.
Die Aufmachung des Covers ist edel, abgebildet ist eine schwarze Katze, die elegant auf einem alten Gussgeländer balanciert, wahrscheinlich das Treppengeländer des Stadtpalais der Rue de Grenelle 7. Die Gestaltung unterstreicht die "Eleganz" des Titels, der in dunkelrotem Schriftzug ein Drittel des Covers einnimmt.
Auf der Rückseite sind die beiden Textpassagen abgedruckt, in denen sich die beiden Hauptprotagonisten dem Leser vorstellen.


Fazit
Wen die Rückseite des Buches und der Klappentext neugierig gemacht haben, der wird von diesem hinreißenden Roman nicht enttäuscht sein.
Voraussetzung ist, dass man für philosophische Nuancen zugänglich ist. Der Humor ist köstlich und nicht nur aus diesem Grund ist man traurig, wenn man das letzte Wort gelesen hat.
Dieser Roman ist ein absolut großartiges Lesevergnügen und verdient die volle Punktzahl.


5 Sterne


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