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Die junge Lene Nimptsch, Pflegetochter einer Wäscherin, begegnet Ende des 19. Jahrhunderts dem Baron Botho von Rienäcker. Bald schon entdecken beide ihre aufrichtige Liebe zueinander. Aber ihr Glück ist von kurzer Dauer, denn die Standesgrenzen sind unüberwindlich. Botho fügt sich in die Heirat mit seiner Cousine Käthe von Sellenthin und Lene wird einige Zeit später die Frau des Laienpredigers Gideon Franke. Die getrennten Liebenden führen äußerlich ein geregeltes Leben ohne jede Aufregung – doch die Gewissheit des vergangenen Glücks bleibt in ihnen schmerzhaft lebendig.

 

  Autor: Theodor Fontane
Verlag: Anaconda
Erschienen: 2007
ISBN: 978-3866471115
Seitenzahl: 204 Seiten 


Die Grundidee der Handlung
Wie in der Zusammenfassung zum Buch schon festgehalten, erzählt Fontane von zwei unglücklich Liebenden, denen die Standesdünkel der damaligen Zeit ein gemeinsames Leben unmöglich machen.
Fontane jedoch beschreibt nicht nur eine eher traurige Liebesgeschichte, sondern gewährt mit sanfter Ironie Einblick in die vorherrschenden, gesellschaftlichen Verhältnisse, mit all ihrer Überheblichkeit und auch Borniertheit.


Stil und Sprache
Unvergleichlich und unverwechselbar ist Fontanes feine und ausdrucksvolle Sprache. Bildhaft, greifbar und mit einer detaillierten Genauigkeit schafft er es, in wenigen - wenn auch langen - Sätzen, die ganze Szenerie vor dem geistigen Auge des Lesers entstehen zu lassen.
Irrungen - Wirrungen, dies ist nicht nur der Titel des Buches, sondern auch der Leser wird – zumindest auf den ersten 10 bis 20 Seiten - etwas durcheinander sein, durch nicht ganz klar geführte Konversationen von Lenes Mutter und ihrer Nachbarin, Frau Dörr. Liest der Leser wenig aus der Zeit des 19. Jahrhunderts oder befasst er sich überhaupt nie um deren Geschehnisse, so wird er es schwer haben, den Einstieg in diese außergewöhnliche Erzählung zu finden.
Das armselige Häuschen mit den zwei Fenstern, in dem Lene mit ihrer Ziehmutter lebt oder auch die Gärtnerei ihrer Nachbarn, meint man selbst schon gesehen zu haben, so real erscheinen einem diese Gebäude und deren Umgebung. Der kleine Obstgarten hinter dem Haus, der so manchem Schauspiel als Kulisse dient, wird mit ebensolcher Hingabe und Akribie beschrieben wie das Ausflugsgasthaus, in dem Lene mit Botho die glücklichsten Stunden ihres Lebens verbringt. Man steht als Leser direkt bei den Figuren und erlebt alles aktiv mit.
Fontanes Begabung, Menschen durch die Geschichte zu führen und einen wichtigen Schauplatz, der viele versteckte Botschaften erhält, zum Leben zu erwecken, erlaubt es dem Leser, auch nach mehrmaligem Lesen des Buches, immer noch scheinbar Verborgenes zu entdecken.


Figuren
Lene und Botho. Zwei Menschen wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, verlieben sich ineinander. Lene weiß von Beginn an, dass ihr Glück mit Botho nicht von Dauer ist und fürchtet den Tag ihrer Trennung. Botho macht sich um diese Zeit noch keine Gedanken, da er Lene aufrichtig liebt und auf sie nicht verzichten möchte. Als seine Mutter ihm jedoch unterschwellig droht und ihn an seinen Stand und seine Verpflichtung erinnert, ist Botho hin- und hergerissen zwischen Liebe und Pflichtbewusstsein.
Aber Fontane erzählt keine fantastische Liebesgeschichte, in der sich die beiden am Ende doch noch in die Arme fallen, sondern spiegelt die Zeit und auch die damalige Starrheit des Systems in den Handlungen seiner Protagonisten wider.
Man begleitet zwei Menschen, die wie für einander geschaffen scheinen und denen lediglich ein Hauch von einem „Nichts“ entgegentritt – die gesellschaftliche Rangordnung. Der Autor gibt in selten empathischer Weise Einblick in die Seelenwelt von Lene und Botho und zeigt, wie jeder für sich mit diesem Leid umgeht.


Aufmachung des Buches
Der Anaconda Verlag hat mit dieser Ausgabe ein sehr ansprechendes Buch herausgegeben. Gebunden zwar, aber ohne Schutzumschlag. Das Hardcover selbst ist mit Glanzpapier überzogen und auf der Vorderseite sieht man einen Ausschnitt vom Gemälde „View of Blaise Castle Woods“ von Francis Danby aus der Zeit – wie passend – der Romantik.
Ein sehr ansprechendes Buch, wenngleich ein Nachwort oder eine ausführliche Erklärung das Buch schon wesentlich bereichert hätte.


Fazit
Mehr eine Erzählung als ein Roman.
Leicht zu lesen in der Sprache und doch anspruchsvoll durch die laufend und leicht versteckten Andeutungen die in die Richtung der damaligen Politik gehen. Traurig, da zwei Menschen nicht glücklich sein dürfen, aber auch positiv, da das Leben weitergeht und neue Wege ebnet.
Liebhaber des poetischen Realismus werden mit diesem Buch auf ihre Kosten kommen! Ein Buch, welches man wie viele andere Werke von Fontane auch gelesen haben sollte. Uneingeschränkt zu empfehlen!


5 Sterne


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