Smaller Default Larger

„Weißt du, was ich gesehen habe, als du gesagt hast, es sei nichts, obwohl ich gesehen habe, du hast was? Ich habe die Gesichter von einer ganzen Reihe Frauen gesehen, die alle etwas gehabt haben, und alle sagten, es sei nichts, wenn ich sie fragte, was ist. Sie sagten alle: Nichts, nichts, nichts. Und ich wusste: Du lügst, du lügst, du lügst.“

Was ist

... mit der jungen Frau und dem jungen Mann?
... mit den beiden Städten?
... mit ihrer Vergangenheit?
... mit seinen Schulden?
... mit der Liebe?

Xóchil A. Schütz gelingt mit der ihr eigenen Leichtigkeit und rhythmischen Sprache ein berührender Einblick in das Leben einer jungen Frau, die – trotz innerer Zerissenheit und Verletzlichkeit – die Last der Vergangenheit abzuwerfen und sich fest an jemanden zu binden versucht. Aber was ist, wenn die Vergangenheit zu mächtig ist und die Beziehung den eigenen Vorstellungen von Leben und Liebe, dem Träumen im Wege steht?

 

Was_ist 

Originaltitel: Was ist
Autor: Xóchil A. Schütz
Verlag: asphalt & anders Verlag
Erschienen: 2011
ISBN: 978-3-941639-06-5
Seitenzahl: 158 Seiten

Hier geht's zur Leseprobe


Die Grundidee der Handlung
Der Roman „Was ist“ handelt von einer jungen Frau, die auf ein schwieriges Leben zurückblickt. Vom Vater, einem Tyrannen, von der schwachen Mutter und der angepasst lebenden Schwester versucht sich die junge Frau abzunabeln, ihren eigenen Weg zu finden und sich eine eigene Identität zu schaffen. Dieses Ringen um die Behauptung des eigenen Ichs machen es der jungen Frau schwer, Liebe zuzulassen. Der Freund, den sie später kennenlernt, der zudem in einer anderen Stadt lebt und daher schon räumlich auf Distanz bleibt, sieht sich dieser Verletzlichkeit ausgesetzt. Zudem verstrickt er sich in Schulden, was die Beziehung zusätzlich belastet.

„Was ist“ könnte man als Bestandsaufnahme einer jungen Frau bezeichnen, die versucht, sich gegen die Vergangenheit zu stemmen und die Erinnerungen abzuschütteln, um mit einem anderern Menschen in eine gemeinsame hoffnungsvolle Zukunft zu starten. Mit der Thematik des Romans betritt die Autorin zwar kein schriftstellerisches Neuland, man hat allerdings durchweg das Gefühl, es handele sich bei dem gewählten Stoff um eine Herzensangelegenheit, ein inneres Bedürfnis. Auch die zuweilen einseitigen und pauschalen Betrachtungen verzeiht man. Die emotionale Darstellung der Figur trägt dazu bei, dass der Text sehr authentisch wirkt und auch den Leser unmittelbar zu berühren weiß.


Stil und Sprache

Das, was schon in den ersten Zeilen auffällt, ist der Rhytmus des Textes, der sehr eigen, aber durchaus gelungen ist. Beim Lesen stellt man sich vor, die Hauptfigur säße gerade auf dem Sofa und dächte über das Leben nach. Die Sätze sind entweder sehr kurz und prägnant, oder lang und verschachtelt mit häufig nachgestellten Teilsätzen. Ein Stilmittel, dass ich in dieser häufigen Ausprägung so noch nicht gesehen habe.

Ganz deutlich zu spüren, obwohl es sich hier um einen Prosatext handelt, sind die Erfahrungen, die die Autorin in anderen Genres – vor allem in Lyrik und sogenanntem Poetry Slam – gesammelt hat. Für Xóchil A. Schütz müssen Texte klingen, sich zum Vortragen eignen und ein sprachliches Eigenleben führen (s. auch das soeben in der Leser-Welt veröffentlichte Interview mit der Autorin). Das tut dieser Text durch unterschiedliche Stilmittel, z.B. durch das Stilmittel der Inversion, in dem Satzglieder im Vergleich zum üblichen Gebrauch umgestellt werden, als auch durch Wiederholungen von Teilsätzen in aufeinander folgenden Sätzen. Das klingt dann etwa so: „... ich lasse mich gerne berühren von Kunst, es ist oft besser, sich von Kunst berühren zu lassen als von einem Menschen, weil man die Kunst dann verlassen kann, wenn sie einen berührt hat, und man kann wiederkommen, irgendwann, ganz ohne dass die Kunst einem böse ist. Es ist nicht so mit den Menschen, man kann sie nicht einfach verlassen, wenn sie einen berührt haben, und irgendwann wiederkommen, wenn man gerade mag." Die Sprache selbst ist einfach, wie aber 3Sat in einer früheren Rezension schon bemerkte, „nicht banal“.

Bemerkenswert ist vor allen Dingen, dass es der Autorin gelungen ist, mit ihrem Debüt einen Roman vorzulegen, dessen Handlung sich zwischen den Zeilen bewegt. Langatmige Beschreibungen werden ebenso vermieden wie eine Geschichte, die bis ins letzte Detail erzählt und ausformuliert ist. Die Geschichte dieser jungen Frau ist austauschbar, sie ist nicht an einen Ort, nicht an einen Namen noch an eine Zeit gebunden. Sie fand statt, wird wieder stattfinden. „Was ist“, wird wieder sein und es wird wieder ein zerissener, verletzter Mensch zurückbleiben, der sich auf der Suche nach seinem Platz im Leben zu verlieren droht. Hauptaugenmerk liegt in diesem Roman somit nicht auf einer ausformulierten Story oder einem überraschendem Plot, sondern komplett auf der Innenansicht dieser jungen Frau.


Figuren

Die Hauptfigur des Romans ist eine junge Frau, die sowohl namenslos, als auch von ihrer äußeren Erscheinung seltsam unbeschrieben bleibt. Dies liegt vor allem daran, dass die Charakterisierung der Ich-Erzählerin und Protagonistin nur durch von ihr erzählte Erinnerungen und Erzählungen erfolgt. Auch die anderen Figuren werden ausschließlich aus der Sicht der Ich-Erzählerin geschildert: die Familie, der Exfreund Krimm - und Hannes, Hannes aus der anderen Stadt. Diese Figuren werden in der Beziehung zur Ich-Erzählerin thematisiert und ihr Verhalten spiegelt sich in den Gefühlen der Ich-Erzählerin. So entsteht ein komplexes Geflecht aus Gefühlen, Enttäuschungen und auch Momenten des Glücks, die durch die sehr unmittelbare Erzählweise durch die Brille der Hauptfigur den Leser emotional erreichen.


Aufmachung des Buches

Die Aufmachung des Buches sticht aus der oft langweiligen Gestaltung vieler Neuerscheinungen deutlich heraus, wozu noch zu beachten ist, dass es sich bei dem Verlag asphalt & anders um einen eher kleinen Verlag handelt, der auch erst seit Beginn des Jahres 2009 besteht. Der Verlag hält was er verspricht, er wagt sich „anders“ zu sein. Das Cover wurde von Monika Bendel unter Verwendung eines Bildes von view7/photocase.com gestaltet (bemerkenswert ist auch, dass sowohl Lektorat, Satz, Titelgestaltung, Autorinnenfoto als auch die Gesamtherstellung namentlich im inneren Buchdeckel aufgeführt sind). Das Bild zeigt eine Collage einer jungen nackten Frau auf einer Wand, die aus halb abgerissenen Tapeten, Farbe, Zeichnungen und modellierten Tapetenresten besteht. Mit den verwendeten unterschiedlichen Schriftarten ergibt sich ein poppiges und doch harmonisches Gesamtbild. Die Gestaltung macht auf jeden Fall Lust zum Kaufen.


Fazit

„Was ist“ ist ein ganz bemerkenswertes Romandebüt, dem ich größtmögliche Aufmerksamkeit wünsche! Ein stilles, leises Buch, dass zu berühren weiß. Ein weises noch dazu. Ein Buch, das einem sagt, „was ist“ und was sein könnte. Ein Buch, das einem zeigt, dass man nie aufhören soll, man selbst zu sein.


alt


Hinweise
Dieses Buch kaufen bei: amazon.dealt

Facebook-Seite

FB

Partnerprogramm

amazon

Mit einem Einkauf bei amazon über diesen Banner und die Links in unseren Rezensionen unterstützt du unsere Arbeit an der Leser-Welt. Vielen Dank dafür!

Für deinen Blog:

BlogLogo