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Evelyn_Barenbruegge_klein


Frau Barenbrügge, Sie haben mit “Leeres Versprechen” Ihren ersten Roman geschrieben. Wie sind Sie überhaupt zum Schreiben gekommen?

Im Laufe meiner Schulzeit erarbeitete und hielt ich leidenschaftlich gern Referate, verfasste lange Aufsätze zu sachlichen Themen. Im Studium schrieb ich themenbezogene wissenschaftliche Facharbeiten, später Berichte und Erklärungen bis ins Detail, basierend auf technischen Vorgängen oder Produkten. Von 1998 bis 2006 arbeitete ich als Quereinsteigerin und freie Mitarbeiterin für verschiedene Redaktionen im Münsterland. Diese Jahre waren, aus heutiger Sicht betrachtet, eine gute Vorbereitung, die zahlreichen positiven Rückmeldungen auf meine Artikel eine gute Motivation, die den Wunsch in mir weckten, mehr aus meinem Können zu machen. Der enorme Unterschied zwischen dem journalistischen und dem belletristischen Schreiben wurde mir während meines zweieinhalbjährigen Schreibstudiums an der Akademie für Fernstudien in Hamburg deutlich. Je tiefer ich in die Prosa eintauchte, desto weiter entfernte ich mich vom Journalismus, überwand die Hemmschwelle der knappen Texte, verfasste Kurzgeschichten, und wagte mich 2007 an meinen ersten Roman.


Ihr erstes Buch ist ein historischer Roman, aus welchem Grund haben Sie gerade die Schwabenzüge als Thema gewählt? Was hat Sie überhaupt an der Zeit Maria Theresias gereizt?

Die Eltern meiner Großmutter kamen aus Ungarn ins Ruhrgebiet, damit liegt ein Teil meiner Wurzeln in Südosteuropa. Warum sie dem Land den Rücken kehrten, bzw. warum deren Vorfahren möglicherweise auswanderten, lässt sich zu meinem Bedauern nicht mehr ermitteln. Meine Großmutter schenkte mir einen Theresien-Thaler, der in mir das Interesse an Maria Theresias Siedlungspolitik geweckt hat. So fand ich ein spannendes Thema für meinen Debütroman. Die Tatsache, dass Menschen aus dem benachbarten Sauerland ihr Land verließen und einem Aufruf der österreichischen Kaiserin, wie sie sich selbst gern nannte, nachkamen überraschte und faszinierte mich. Die Bauern, Mägde, Knechte und Handwerker lebten in Armut, der Siebenjährige Krieg war vorbei, die Französische Revolution hatte noch nicht begonnen und in Europa fanden tief greifende Veränderungen statt.


Im Buch spielt auch die medizinische Behandlung mit Kräutern eine große Rolle. Auffällig ist (dies wurde mir sogar von einer Fachfrau bestätigt), dass im Buch all Ihre Anführungen, also das Anwendungsgebiet der Kräuter und auch deren Kombination medizinisch vollkommen korrekt sind. Sogar Kombinationen, die wirklich schwierig und bisweilen nicht immer bekannt sind, haben Sie völlig richtig dargestellt. Woher haben Sie dieses Wissen?

Ich habe in zahlreichen Fachbüchern und dem Internet recherchiert. Entscheidend war, Möglichkeiten und Wissen der damaligen Zeit miteinander zu verknüpfen. Viele Begriffe und Krankheiten waren noch unbekannt, Behandlungen und deren Auswirkungen nicht erforscht. Oft spielte der Glaube eine größere Rolle, als das Vertrauen in die Kräuter und die Heilmethoden, die eine wichtige Voraussetzung für unsere heutige Medizin wurden.


Mit Kaspar haben Sie sich ja keinen „alltäglichen“ Protagonisten gewählt, keinen heldenhaften Ritter, keine betörend schöne Frau. Wie kamen Sie dazu einen 14-jährigen als tragende Figur zu nehmen?

Im ausgehenden 18. Jahrhundert gab es im ländlichen Bereich die Familie, so wie wir sie heute verstehen, nicht. Bis zu drei Generationen, Knechte, Mägde und Vieh, lebten unter einem Dach und wurden als Familie bezeichnet. Kinder wurden geboren und starben oft in den ersten Lebensjahren, das Zusammenleben war schwierig wie die Umstände, eine Bindung zwischen Eltern und Geschwistern gab es nicht. Der älteste Sohn übernahm den Hof, die anderen Geschwister versuchten als Knechte und Mägde auf anderen Höfen ihr Auskommen zu finden oder erlernten mit viel Glück ein Handwerk. Als ich über diese Geschichte nachdachte, war mir klar, diese aus der Sicht des ältesten Sohnes zu schreiben. Ihm konnte ich jeden erdenklichen Raum geben sich zu entwickeln, zu verändern, seinen eigenen Weg zu finden. An ihm konnte ich meine ganze Fantasie auslassen. Ich konnte ihn wachsen sehen, konnte ihm Gerechtigkeit zukommen lassen, konnte ihn formen nach meinem Empfinden. Das hat viel Spaß gemacht, war aber auch ein langwieriger Prozess und immer wieder ist Kasper mir entwischt und lebte sein eigenes Leben.


Ungewöhnlich ist auch, dass Ihr Roman sehr stark von der wörtlichen Rede getragen wird. Ein Stil, der sich zufällig ergeben hat oder bewusst gewählt wurde?

Ein gut geschriebener Dialog macht eine Geschichte lesenswert und spannend. Er treibt das Geschehen voran und unterhält den Leser auf eine besondere Art. Ich lese selbst sehr viel und ärgere mich jedes Mal über seitenlange Erklärungen, in denen Dinge lang und breit beschrieben werden. Rückblenden, erschöpfende geschichtliche Erklärungen und das „Schweben über dem Geschehen“ nehmen mir als Leser den Raum für meine eigene Fantasie und Vorstellungskraft, sie sind meiner Meinung nach der Tod für einen guten Roman. Wenn mir ein Autor erzählt, was eine Person zu einer anderen sagt, ist das für mich Grund genug, das Buch an die Seite zu legen. Wo immer ich einen Dialog anbringen kann, tue ich es. Es gibt nichts Schöneres – neben langen Sätzen.


Wie sind Sie generell bei der Recherche vorgegangen? Ihre Beschreibungen, was die ländertypischen Landschaften betrifft oder den (damaligen!) Verlauf der Donau, klingen, als hätten Sie dies alles mit eigenen Augen gesehen. Haben Sie sich selbst auf Reisen gemacht, um dies alles so authentisch erzählen zu können?

Zum Teil kenne ich Landschaft, Städte und die Donau (leider nur bis Bratislava) tatsächlich, aber natürlich aus heutiger Sicht. Wenn ich mich für ein Bauwerk, eine Stadt oder eine Landschaft interessiere, dann möchte ich hinter die Kulissen blicken, die Geschichte erfahren. Wenn ich ein Buch lese, dann möchte ich die dort genannten Orte finden können, ihnen nachspüren. Genauso habe ich versucht, Informationen über die beschriebenen Örtlichkeiten in meinem Buch herauszufinden. Das Internet und öffentliche Bibliotheken sind eine unerschöpfliche Quelle. Geschichtswerke, Lexika, Bildbände und Museen bieten ebenfalls wichtige Informationsquellen.


Wie lange haben Sie an Ihrem Debütroman geschrieben und wie schwierig war es, einen Verlag zu finden?

Die erste Fassung meines Romans entstand 2007 in 30 Tagen, durch die Teilnahme am „National Novel Writing Month“, der jährlich vom 1. bis 30. November weltweit durchgeführt wird. 2008 erfuhr ich dann in meinem Studium, was ich alles falsch, bzw. was ich besser machen kann. Mein Roman erfuhr mehrfaches Überarbeiten, Umschreiben, Verändern.
Durch meine Mitgliedschaft in einem Autorenforum, dessen Leiter 2010 einen Verlag gründete, ergab sich die Möglichkeit, mein Manuskript mit Exposé zur Prüfung einzureichen. Ich erhielt einen Autorenvertrag. Das anschließende ausgezeichnete Lektorat durch Christine Hochberger brachte die Seele meines Romans zutage.


Ihr Buch ist ja alles andere als konventionell und mit den für so viele Bücher dieses Genres typischen „Die …in“ Titel versehen. Auch das Cover ist ansprechend und geschmackvoll gestaltet. Hatten Sie da ein Mitspracherecht oder wurde schon beim Verlag darauf geachtet, dass Ihr Buch sich von den so vielen anderen auch äußerlich abhebt?

Der Titel meines Romans hat sich nicht mehr geändert. Schon während des Schreibens hieß das Manuskript „Leeres Versprechen“, denn das ist die Kernaussage der Geschichte. Für das Cover hatte ich zunächst an ein reifes Kornfeld vor blauem Himmel gedacht, denn das spielt ebenfalls eine wesentliche Rolle. Ein Mitarbeiter des Verlags gestaltete das jetzige Cover; es gefällt mir sehr.


„Leeres Versprechen“ gilt bei den Liebhabern des historischen Genres als ganz besonderer Tipp. Wie ist es, das erste Mal das eigene Werk in den Händen zu halten, das noch dazu beim Leser so gut angekommen ist?

Natürlich freue ich mich riesig, dass alle, die mein Buch gelesen haben, begeistert sind, und ich wünsche mir für die Geschichte, dass der „ganz besondere Tipp“ endlich auch vom Verleger erkannt wird. Leider ist das Buch mehr als ein halbes Jahr nach Erscheinen nicht bei den Barsortimentern gelistet, weshalb es auch im Buchhandel nicht bekannt wird, oder bei gezielter Nachfrage nicht ohne langwierigen Bestellvorgang erhältlich ist. Ein Grund, weshalb ich für das nächste Buch einen anderen Verlag suche.


Wie gehen Sie eigentlich beim Schreiben vor? Haben Sie so etwas wie ein „Schreibritual“?

Nein, ich habe kein Schreibritual. Manchmal passiert tagelang nichts und dann sprudelt die Geschichte nur so aus mir heraus. Meistens schreibe ich am Schreibtisch zu Hause. Im Sommer suche ich mir gerne stille Orte in der Umgebung, an die ich mich zum Schreiben zurückziehe, Quellen, Bäche, Wälder, kleine Teiche und verschwiegene Plätze; ab und zu brauche ich das pulsierende Leben auf einem Bahnhof, im Zug oder in einem Café.


Werden Sie in Zukunft dem historischen Genre treu bleiben oder auch in andere Bereiche wechseln?

Ich fühle mich im historischen Genre recht wohl, vor allem im späten 18. Jahrhundert. Diese Zeit hält noch viele Geschichten für mich bereit.


Viele Leser hoffen ja auf weitere Werke von Ihnen, aber auch auf eine Fortsetzung mit Kasper. Können Sie uns dazu schon etwas verraten?

Zurzeit schreibe ich an einem Roman, der etwa in der gleichen Zeit spielt, aber einen längeren Zeitraum umfasst. Maria Theresias Entscheidungen beeinflussen das Leben der Charaktere sehr stark. Sie selber tritt aber nur in Form der ausführenden Organe, Verwaltung, Militär, Polizei in Erscheinung.
Der Verleger von „Leeres Versprechen“ lehnte zwar von vornherein einen Fortsetzungsroman kategorisch ab, dennoch plane ich eine Fortsetzung mit Kasper, die losgelöst vom ersten Roman gelesen werden kann.


Man wartet gespannt auf Ihr nächstes Werk. Wissen Sie schon, wann man damit rechnen darf?

Die Recherche für den neuen Roman ist weitestgehend abgeschlossen und die ersten Kapitel sind geschrieben. Eine Veröffentlichung ist von vielen Faktoren abhängig. Wie ich schon erwähnte, suche ich für das zweite Buch einen anderen Verlag. Der wird den Erscheinungstermin festlegen.


Frau Barenbrügge, mir persönlich hat Ihr Roman ausnehmend gut gefallen und ich bin schon sehr gespannt auf Ihr nächstes Buch. Ich wünsche Ihnen noch weiter viel Schaffenskraft und Kreativität!

Ich bedanke mich herzlich für Ihre guten Wünsche und das Interview. Die Erwartung Ihrer Rezension war für mich eine Zitterpartie, umso glücklicher bin ich über Ihre Einschätzung. Seitdem hat das Buch viele Leser gefunden und weitere gute Rezensionen erhalten. Dieser Zuspruch gibt mir Motivation und Kraft für mein neues Werk.

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