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Kategorie: Historische Krimis

Hamburg, 1701: Am Schweinemarkt findet man eine Frauenleiche ohne Kopf. Mangels Zeugen will das Gericht den Fall schon zu den Akten legen. Doch dann taucht unvermittelt eine Verdächtige auf: eine Frau, die sich seit Jahren als Mann ausgibt. Der junge Prokurator Wrangel vom Hamburger Niedergericht bekommt es mit einer düsteren Geschichte zu tun, die Kreise bis in die hohe Politik zieht.

 

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Autor: Claudia Weiss
Verlag: Hoffmann und Campe
Erschienen: 29. Aug. 2011
ISBN: 978-3455400977
Seitenzahl: 512 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
In dieser Geschichte geht es um einen wahren Fall. Ilsabe Bunk (auch Bunck geschrieben) war eine Frau, die mit ihrem Leben als Frau nicht zurecht kam. Ständig unterdrückt, immer anderen gehorchend, Männern ausgeliefert und von niemandem geliebt, entschied sie, sich ein anderes Leben zuzulegen – als Mann. Sie besorgte sich Männerkleidung, bewegte sich wie ein Mann und sprach auch so. Endlich konnte sie so über ihr Leben selbst bestimmen, fühlte sich frei. Und war auch erfolgreich.
Viele Jahre ging dies auch gut, bis es eines Tages zu einer Messerstecherei kommt, in die sie - oder besser gesagt nun Hinrich Bunk - verwickelt ist. Durch ihre Verhaftung kommt ans Licht, dass sie eine Frau ist und die Bevölkerung ist nicht nur empört über so viel Unverfrorenheit, sondern will die Hexe auch bestraft wissen. Als dann auch noch eine Frauenleiche ohne Kopf auftaucht, meint man schnell die Täterin gefunden zu haben. Zur Seite steht ihr der junge Anwalt Hinrich Wrangel, der mit diesem Fall bis an seine Grenzen gefordert wird

Claudia Weiss ist Historikerin und hat versucht, möglichst nahe am Original zu bleiben, wenngleich vieles - verständlicherweise - ihrer Phantasie entsprungen ist. Die Autorin erzählt diesen Kriminalfall authentisch brutal und zieht alle Register, die damals bei solchen Fällen eben gezogen wurden. Leser mit schwachen Nerven und sensiblem Empfinden seien gewarnt!


Stil und Sprache

Weiss schreibt mit leichter Sprache, erzählt plastisch eindringlich und führt den Leser als stillen Beobachter durch die Szenerien. Von Beginn an liegt eine bedrückend melancholische Atmosphäre über der Erzählung, die der Leser schier körperlich spürt. Je weiter sich die Geschichte fortentwickelt, desto tiefer taucht man in das Milieu ein und umso finsterer wird das Umfeld für die Protagonistin. Die extreme Borniertheit der abergläubischen Bevölkerung erweckt beim Leser Zorn und Unglaube. Man möchte am liebsten selbst vor Ort sein, um die Menschen wachzurütteln, ihnen ins Gesicht schlagen, um sie munter zu bekommen, ihnen einen Spiegel vorhalten und ihnen ihr grausames Tun an ihnen selbst vorzeigen, damit sie begreifen was sie anrichten.

Die Autorin schreibt die Lebensgeschichte Ilsabe Bunks sehr packend und mitreißend, rutscht aber nie ab ins Reißerische oder Exhibitionistische. Allerdings beschreibt sie auch schonungslos und brutal, was sich damals – und das ist durchaus realistisch – bei einer peinlichen Befragung abgespielt hat. Zwar weiß man um die grausamen Folterwerkzeuge, die in vielen Museen zu besichtigen sind, diese aber quasi in „Aktion“ zu erleben, und dies auch noch auf sehr reale Weise, macht einen fassungslos. Obwohl man natürlich schon oft gehört und gelesen hat, wie so etwas von statten ging, erlebt man durch Weiss` bildhafte Beschreibungen alles so, als würde man selbst neben den armen und geschundenen Menschen stehen und zusehen, was ihnen angetan wird. Auch die Hinrichtungen, die zur damaligen Zeiten ein richtiges Volksfest waren, bleiben dem Leser noch lange in Erinnerung und man braucht schon ein starkes Gemüt, um diese Szenen wieder aus dem Kopf zu verbannen.

Eine Frau in Männerkleidung war zu dieser Zeit ein unglaublicher Frevel! Sehr eindrucksvoll zeigt die Autorin, dass man sich an feste Regel halten musste, denn die Kleidung war es auch, die nach außen hin zeigte, welcher Gesellschaftsschicht man angehörte. So empfand man das „Verkleiden“ einer Frau als Mann als Betrug und Schande.

Nimmt zwar das Leben der Protagonistin den Großteil des Buches ein, so erlaubt einem die Autorin auch noch interessante Einblicke in das politische und auch juristische Geschehen der damaligen Zeit.


Figuren
Schon im Prolog wird deutlich, dass Anna Ilsabe Bunk ein zutiefst verletztes Wesen war. Nach dem Verlust ihrer Mutter kämpft sie verzweifelt um die Gunst ihres Vaters, wird aber immer wieder brutal zurückgestoßen. Entwickelt sich Ilsabe dennoch zu einer starken, aber auch sehr harten Frau, so gewinnt sie trotzdem das Verständnis und das Mitgefühl des Lesers. Weiss zeichnet speziell Ilsabes Charakter mit immenser Empathie, was all ihre Taten nachvollziehbar und glaubhaft macht. Ihre Flucht nach vorne, sich als Mann auszugeben, als Rechtsanwalt Hinrich Bunk für Gerechtigkeit zu kämpfen, erfordert auch Mut und dies hat Weiss auf passionierte und intensive Art dargestellt.

Aber auch die anderen Figuren, wie die des jungen Advokaten Hinrich Wrangel, hat die Autorin mit ebenso viel Liebe zum Detail ins Leben gerufen. Wrangels Zweifel, sein „Nicht-weiter-wissen“, aber auch seinen Kampf um Gerechtigkeit werden ebenso eindringlich wie glaubwürdig geschildert.Mit dem Prätor Wilken wurde auch ein ebenso gefährlicher wie abscheulicher Gegner geschaffen, der mit allen Wassern gewaschen ist, um an sein Ziel zu kommen. Notfalls kostet es eben ein Menschenleben.


Aufmachung des Buches
Ein augenfällig dickes, gebundenes Buch, mit sandfarbenem Schutzumschlag, auf dem das Profil einer Frau zu sehen ist. Ursprünglich wäre vom Verlag ein anderes Cover angedacht gewesen, das die Stimmung des Buches vielleicht besser zur Geltung gebracht hätte. Auf den inneren Umschlagseiten ist vorne eine alte Karte von Hamburg, im Original ein Kupferstich, und hinten eine Karte Norddeutschlands aus früheren Jahrhunderten zu sehen.

Insgesamt 69 Kapitel führen durch das Buch und die Aufzählungen und Kurzbeschreibungen historischer Personen, so wie eine Aufgliederung und Erklärung historischer Begriffe, runden das liebevoll aufgemachte Buch ab. Vermissen lässt sich allerdings ein ausführliches Nachwort der Autorin.


Fazit
Man könnte sagen, das ist ein wunderbares Buch, hätte dies nicht aufgrund der Thematik einen schalen Beigeschmack. Für Leser, die authentische Geschichten auf wahrem Hintergrund basierend lieben, absolut empfehlenswert! Für Leute, die lieber Leichtes und Unterhaltsames lesen, ohne mit grausigen Schicksalen und Taten konfrontiert zu werden, ist dieser besondere Roman weniger geeignet.
Auf jeden Fall ein äußerst lesenswertes Buch, dass Liebhabern dieses Genres noch lange im Gedächtnis bleiben wird.


5 Sterne


Hinweise
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