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Jahrelang hat Jeremy Canty für seine Romane sehr wohlwollende Kritiken bekommen. Aber von wohlwollenden Kritiken kann man nicht seine Gasrechnung bezahlen. Da muss man schon froh sein, wenn man sich genügend Gin Tonic leisten kann, um den eigenen Misserfolg unter den Tisch zu trinken. Doch als dann der Roman eines so verhassten wie untalentierten Rivalen eine Empfehlung in der populärsten Nachmittagssendung von Channel 4 bekommt, reicht es Jeremy. Von nun an kennt er nur noch ein Ziel: Erfolg um jeden Preis. Gemeinsam mit einem schwulen Bauarbeiter, einer depressiven Marketingexpertin und einer Domina im Dress einer blauen Plüschgiraffe zieht er in den Kampf für die wahre und gute Literatur: seine eigene. Kurzentschlossen heuert er als Senioren-Nanny bei der zuständigen Literaturredakteurin an. Doch in ihrem Haushalt wartet nicht nur ein greiser Schwerenöter, sondern noch der ein oder andere Fettnapf ...

Bestseller ist eine herrliche, britische Roman-Komödie: Rotzig, frech, unverschämt und mit liebevoll verschrobenen Charakteren.

 

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Originaltitel: Stalking Richard & Judy
Autor: Valentine Honeyman
Übersetzer: Miriam Neidhardt
Verlag: Satyr
Erschienen: 1. Juni 2011
ISBN: 978-3938625651
Seitenzahl: 304 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Die Kurzbeschreibung beinhaltet die wesentliche Geschichte von diesem Buch. Bis auf einen - sehr wichtigen - Punkt, der für viele Leser, die sich aufgrund des Klappentextes entscheiden ein Buch zu kaufen, doch ziemlich ins Gewicht fallen könnte. Weder dort noch in der Kurzbeschreibung auf der Verlagsseite wird erwähnt, dass auch der Protagonist selbst homosexuell ist. Ein Problem? Nein, in der Regel nicht, wenn man vorher weiß auf was man sich einlässt. So aber wird man in eine - für den Heterosexuellen - völlig unbekannte, fremde Welt geworfen, und es besteht keine Möglichkeit, sich auch nur mit einer einzigen Person zu identifizieren.


Stil und Sprache
Von Beginn an liest sich das Buch lässig locker und vermittelt dem Leser ein Gefühl, in etwas Unbeschwertes, Heiteres abtauchen zu können. Dieses Gefühl bleibt im Hintergrund auch stets erhalten, wenngleich Honeyman seinem Protagonisten Figuren zur Seite stellt, die Schritt für Schritt den feinen Humor mit vulgären und schon ordinär anmutenden Bemerkungen überlagern.
Der Autor lässt Jeremy, einen erfolglosen Schriftsteller, erzählen und Sätze wie „Sie lachte so heftig, dass ich fast einen Beckenbodenunfall erwartete […}“, lassen den Leser auch immer wieder einmal schmunzeln. Hat man gerade so eine fein pointierte Szene gelesen, dauert es aber nicht lange, bis Honeyman wieder mit voller Wucht seine Keule niedersausen lässt und man mit ziemlich derben Aussagen wie "Zum zweiten Mal an diesem Tag versteckte ich mich hinter dem Pferdehintern. [...] Zwischen Arschloch und Schwanz des Pferdes war eine Kuhle, die einen perfekten Aschenbecher abgab ..." oder auch „Die Schlampe hätt ich schon längst rausgeworfen. Ey, komm her und blas mir mal einen.“ knallhart in die Realität zurückgeholt wird. (Die angeführten Zitate mögen ja harmlos erscheinen, aber Beispiele, die Fäkalausdrücke oder Ähnliches beinhalten, sind hier vielleicht nicht wirklich angebracht.) Es ist ein Wechsel zwischen  Hoch und Tief, denn einerseits beherrscht der Autor eine unwahrscheinliche Leichtigkeit des Erzählens, die dem Leser unterhaltsame und amüsante Abwechslung beschert, aber die immer wieder ziemlich anstößig primitiven Einschübe zerstören das leichte Flair.


Figuren
Wie schon erwähnt, sind die Figuren alles andere als alltäglich. Im Grunde ist es auch völlig in Ordnung und zu der verrückten Geschichte passend, dass auch der Hauptdarsteller schwul ist. Nicht in Ordnung ist, dass der Leser dies nicht weiß und somit keine Ahnung hat, auf was er sich einlässt. Jeremy, Erzähler und Protagonist, ist eine sympathische Figur, wenngleich man sich vielleicht nicht mit ihm identifizieren kann. Dies ist aber auch nicht unbedingt nötig, da im Grunde alle Figuren dieses Romans etwas verrückt und natürlich auch überzeichnet sind. Eine empathische und tiefgängige Darstellung der Charaktere stünde auch im Widerspruch zu der verschroben skurrilen Geschichte.

Es sind nicht sehr viele Figuren, denen man begegnet, aber diese sind dafür akribisch mit allen Über- und Abgedrehtheiten des menschlichen Seelenlebens gezeichnet. So ist man nicht selten gewillt, Jeremys Freund Paul, der ein fauler und bequemer Egoist ist, in den Allerwertesten zu treten, aber für Jeremy hat er eben auch seine Qualitäten (in welchem Bereich, kann man sich wohl ausmalen). Robyn, seine platonische Freundin, ist eine ziemlich abgefahrene SM-Lady, die ihm aber stets zur Seite steht. Man begleitet einfach eine völlig abgedrehte kleine Sippschaft auf ihrem Weg, Jeremy zu seinem schriftstellerischen Erfolg zu verhelfen.


Aufmachung des Buches
Die interessante und ungewöhnliche Aufmachung dieser broschierten Ausgabe sticht einem sofort ins Auge. Sie scheint einfach mit Packpapier eingewickelt zu sein, das nur durch einen Riss auf der Vorderseite im Papier den Titel des Buches durchblitzen lässt. Einfach, puristisch, aber auch gefällig.
Eingeteilt ist das Buch in 27 Kapitel, die auch alle betitelt sind. Leider findet man dieses Inhaltsverzeichnis nicht wie üblich vorne im Buch, sondern auf der letzten Seite. So nüchtern die Aufmachung außen ist, so karg ist sie auch im Inneren. Kein Nachwort, keine Kurzbiografie des Autors und auch keine Danksagung.


Fazit
Mit Sicherheit ein ungewöhnliches Buch. Wer dazu greift, sollte aber nicht nur den lockeren Sprachstil mögen, sondern sich auch an teilweise obszönen Ausdrücken nicht stoßen. Wird dies berücksichtigt, kann man sich von der verrückt dreisten Geschichte kurzweilige Stunden erwarten.


3 5 Sterne


Hinweise
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