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Kategorie: Western

Lance erschien als Fortsetzungscomic zwischen 1955 und 1960 in verschiedenen amerikanischen Zeitungen. Er gilt als einer der letzten bedeutenden Abenteuer-Strips im Stil der 30er und 40er Jahre. Herausragende Illustrationen und komplexe, gut erzählte Geschichten zeichnen Lance aus. Die historisch und geographisch gleichermaßen überzeugende Geschichte erzählt die Abenteuer des Dragoner-Offiziers Lance St. Lorne, eines "ritterlichen", vorurteilslosen und klugen Draufgängers. Seine Abenteuer mit Trappern, Soldaten, Indianern und Mexikanern sind zwischen 1834 und 1848 angesiedelt, der Zeit der Eroberung des amerikanischen Westens.

Lance wird nunmehr erstmals komplett in deutscher Sprache veröffentlicht. Ursprünglich erschien dieser großartige Western-Comic als farbige Sonntagsseiten (5. Juni 1955 bis 29. März 1960, insgesamt 261) und 13 Monate lang (14. Januar 1957 bis 15. Februar 1958) zusätzlich mit schwarz-weißen Tagesstrips. Bocola bringt die gesamte Serie (digital restauriert) in fünf Hardcover-Alben mit jeweils 80 Seiten heraus. Freuen Sie sich auf einen - Prinz Eisenherz nahezu ebenbürtigen - Comic-Klassiker.

 

Lance_Gesamtausgabe_1 

Originaltitel: Lance; Sundays 1-71
Autor: Warren Tufts
Übersetzer: Jonas und Uwe Baumann
Illustration: Warren Tufts
Verlag: Bocola
Erschienen: Juni 2011
ISBN: 978-3-939625-35-3
Seitenzahl: 80 Seiten
Altersgruppe: ab 12 Jahren (Empfehlung des Verlags)

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Die Grundidee der Handlung
Lance St. Lorne, Sprössling einer reichen Familie, will im Westen Abenteuer erleben und schließt sich daher der Armee an. Er tritt den 1. U.S.-Dragonern in Fort Leavenworth in Kansas bei. Dort hat er bald die Gelegenheit, seinen Mut und seine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen, da einige Indianer eine kleine Gruppe von Soldaten angreifen. Kaum sind diese Probleme abgewendet, bietet der Westen bereits die nächsten Chancen für Lance. Seien es Aufträge, um die Stärke und Pläne der Indianerstämme zu erfahren, Reisen zu Stützpunkten, Scharmützel oder galante Begegnungen mit englischen Damen oder wunderschönen Squaws - all das erlebt Lance und mit ihm der Leser in diesem grandiosen Band, der mit einem gemeinen Cliffhanger endet und damit Lust auf mehr macht.


Beurteilung der Zeichnung / Textdarstellung
Der in den hiesigen Breitengraden bisher noch ziemlich unbekannte Lance sollte mit dieser Ausgabe definitiv in das Regal jedes Western-begeisterten Comiclesers Einzug halten! Zu Beginn ähneln die komplett farbigen Zeichnungen stark denen von Hal Foster's Prinz Eisenherz, an dem sich Warren Tufts orientiert hat. Auch Lance ist schwarzhaarig und besitzt ein ausdrucksstarkes Gesicht. Ähnlichkeiten mit Eisenherz sind beispielsweise auf Seite 9 auf dem rechten Panel in der mittleren Spalte zu sehen. Eine ähnliche Haltung und ähnliche Gesichtszüge zeigen Eisenherz in einem seiner Abenteuer. Aber schon bald entwickelt Tufts seinen eigenen Stil. Lance entwickelt sich zu einem zwar gut aussehenden, aber auch charismatischen und bisweilen raubeinigen Soldaten, der auf sein Herz hört, wenn es um Entscheidungen geht. Sein bester Freund ist der rothaarige und -bärtige Sergeant Blaze, der ein wenig an Boltar aus Prinz Eisenherz erinnert. Dabei gibt es besonders ein Bild, das auf Seite 27 in der Mitte zu sehen ist, das an eine ähnlich wilde Umarmung von Boltar und Eisenherz erinnert. Da diese Panels jedoch noch ziemlich am Anfang sind, fallen sie nicht so ins Gewicht. Die restlichen Bilder sind eindeutig komplett Tufts eigene Idee. Zudem entwickelt Tufts die Geschichte auf eine so einzigartige Weise, dass selbst sehr belesene Western-Fans hier neue Handlungsbögen entdecken und überrascht sein werden von den Wendungen, die Lances Abenteuer nehmen.

Der mit vielen Einzelheiten versehene Stil Tufts zeigt die Gegend des Westens auf hervorragende Art und Weise. Bilder mit Dampfschiffen, die nach St. Louis fahren, oder die weite Landschaft des Westens mit ihren Bergen, Ebenen und Wäldern fangen die Atmosphäre großartig ein. Der Herbstwald auf Seite 15 im untersten Panel bildet die Flora in Kansas wunderbar ab und lädt den Leser dazu ein, sich vollkommen in die Geschichte fallen zu lassen. Stehen die (meist durch historische Vorbilder sehr präzise nachgebildeten) Figuren im Vordergrund, wird der Hintergrund manchmal auch weiß gelassen oder mit einer bestimmten Farbe gefüllt. Bei einzelnen Episoden scheint das Überhand zu nehmen, dann wieder gibt es schwelgerische Untermalungen der Charaktere, wenn sie durch wahre Naturwunder reisen. Dadurch erhält die Geschichte eine abwechslungsreiche Darstellung, die nicht langweilt. Ab Seite 59 und dann richtig ab Seite 60 befindet sich bis Seite 62 ein radikaler Bruch in der Farbgestaltung, da komplett auf Tuschelinien verzichtet wurde und es reine Wasserfarbenbilder sind. Dieser Stil ist fast noch schöner als der gewohnte.

Die Aufteilung der Seiten ist sehr geradlinig und dürfte Prinz Eisenherz-Lesern bekannt vorkommen: Drei Reihen mit jeweils höchstens drei Panels werden durch weiße Stege klar voneinander getrennt. Die Handlung und die Dialoge sind unter den Zeichnungen in Flusstext eingebaut. Oben links befindet sich immer das Logo der Reihe, das sich auf der ersten Seite noch mit einem Ausrufezeichen schreibt, bis Tufts das Oval mit den gekreuzten Regimentssäbeln auf blauem Untergrund in jedes erste Panel der Seite einbaut. Die Farben rot (Titel), weiß (die Säbel) und blau (der Hintergrund) erinnern an die amerikanische Flagge. Später bildet Tufts im ersten Panel nur den Titel ab, dann wird ab Seite 43 der Platz darunter genutzt, um wichtige Personen oder einheimische Tiere vorzustellen.

Die Farben unterstreichen immer die Handlung und sind aus den Bildern nicht wegzudenken, wie ein Beispiel im ausführlichen Vorwort zeigt, das ein Panel ohne Farbe und mit Farbe abbildet (Seite 7).

Der Text der Handlung weist, wie bei Prinz Eisenherz, herrliche Beschreibungen auf, die mit den Bildern zum Schmunzeln einladen. Beispielsweise wird eine Gruppe von verängstigten und wütenden Frauen gezeigt, unter denen sich folgende Beschreibung befindet: "Später am Tag bemerken einige Händler und Ehemänner, dass sich die Trapper mit einigen 'Sachen' davon gemacht haben, die ihnen nicht gehören. So organisieren sie einen Trupp, die Beute zurückzuholen." Das nächste Bild zeigt die in knöcheltiefem Wasser stehenden Frauen, die ihren herbeieilenden Männern winken: "Es steigert das Ansehen des Mountain Man als fairer Richter über das, was ehrenhaft ist, dass er vieles der Beute nach nochmaligem Nachdenken freiwillig zurücklässt." (Seite 30)

Einzig schwierig zu lesen sind die Dialekte, die auch in die wörtliche Rede übernommen wurden. Da die Sprechenden, sofern sie eher unteren Bevölkerungsschichten angehören, einzelne Vokale und Konsonanten verschlucken, sieht eine Aussage von Sergeant Blaze zum Beispiel folgendermaßen aus: "D'rüber hinaus", fährt Blaze fort, "ich kan' ier auch nicht länger bleiben!" Lance dreht sich zu ihm: "Warum das?" "'s gibt 'ne neue Vorschrift, keine Bärte mehr in d' Armee. Ich quittier' d'n Dienst und geh' ins Hochland!" (Seite 24). Das hindert am Lesefluss und mindert das Lesevergnügen um einiges. Vielleicht gibt es in späteren Bänden eine etwas weniger schwerfällige Art, die Dialekte anzudeuten.


Aufmachung des Comics
Der Hardcoverband beeindruckt mit zwei großen Ausschnitten aus dem Comic, die auf einen Hintergrund gedruckt wurden, der aussieht, als ob eine mit Holz verkleidete Wand gezeichnet wurde. Der Titel der Reihe ist sehr gut lesbar. Auf der mit einem grünen Untergrund versehenen Rückseite reitet Lance auf einem Pferd und darunter ist ein weiteres Bild aus dem Comic zu sehen, in dem zwei Gruppen Indianer aufeinandertreffen. Mehr soll darüber nicht verraten werden, da dieses Panel das Ende eines Handlungsstranges vorweg nimmt. Klappt man das Comic auf, sind vorne und hinten auf dem Vorsatzpapier weitere Originalpanels abgebildet mit den dazugehörenden englischen Texten darunter. Interessanterweise ist es bei weitem nicht so schwer, den englischen gekürzten Text zu lesen wie den deutschen: "What're y'tryin' t'do, start a frontier war?!" (s. deutsche Übersetzung auf Seite 67: "Was versucht Ihr d'mit, nen Krieg an d'r Grenze zu beginnen?").

Neben dem ausführlichen Vorwort des Übersetzers Uwe Baumann, das auf die Entstehungsgeschichte des Comics und dessen Zeichner eingeht, befindet sich am Ende eine Vorschau auf den nächsten Teil des Epos.


Fazit
Western-Fans kommen hier voll auf ihre Kosten. Eine so wunderschöne Aufmachung und eine so grandiose Erzählung findet sich nicht alle Tage. Trotz des Alters des Comics kommt keine Sekunde Langeweile oder das Gefühl auf, so etwas schon einmal gelesen zu haben - und das ist es, was Klassiker ausmacht. Das Album ist eine einzigartige Möglichkeit, diese wunderbare Serie kennen zu lernen. Prinz Eisenherz-Fans machen hier ebenfalls nichts falsch und sollten unbedingt zugreifen.


4 5 Sterne


Hinweise
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