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Kategorie: 1800 – 1900 Romantik, Biedermeier, Gründerzeit usw

„Immer eine gute Sache, einen Earl zu heiraten. Dann wird man Gräfin.“ „Bist du so freundlich, mir einen Heiratsantrag zu machen, Dolph?“, erkundigte sich Miss Charing, in keiner Weise aus der Fassung gebracht.
Ein Ehemann ist die einzige Lösung für Kitty Charing. Und an Verehrern mangelt es ihr nicht! Doch sie will nur den verwegenen Jack, in den sie seit Jahren verliebt ist. Der jedoch ist leider nicht zu dem Treffen erschienen, bei dem sie einen zukünftigen Gatten erwählen muss. Wen also soll sie erhören, um ihr Vermögen zu retten? Da betritt Frederick Standen den Raum. Zwar nicht mit Jacks herzensbrecherischen Talenten gesegnet, strahlt er dennoch eine charmante Verlässlichkeit aus, die Kittys Damenwahl beflügelt.

 

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Originaltitel: Cotillion
Autor: Georgette Heyer
Übersetzer: Emi Ehm
Verlag: Cora
Erschienen: 26. April 2011
ISBN: keine*
Seitenzahl: 381 Seiten

 


Die Grundidee der Handlung
Kitty Charing, die hübsche Adoptivtochter eines reichen, jedoch geizigen und tyrannischen Landedelmannes, soll auf dessen Befehl unter seinen Großneffen einen Gatten wählen. Eingeschüchtert von der Drohung, sie anderenfalls völlig mittellos zurückzulassen, und in der Hoffnung auf einen ganz bestimmten der in Frage kommenden jungen Herren, erklärt sie sich einverstanden. Zum Ärger Mr. Penicuiks und zu Kittys Bedauern erscheint beider heimlicher Favorit aber nicht zur Bräutigamschau.
Um ihrem tristen Heim wenigstens für eine Weile zu entfliehen, überredet sie einen der übrigen Kandidaten, den gutmütigen Freddy, mit ihr eine Scheinverlobung einzugehen und sie mit nach London zu nehmen. Als Gast seiner Schwester wird Kitty von der eleganten Gesellschaft mit offenen Armen aufgenommen und in einen wahren Strudel von Bällen, Kutschfahrten, Theaterbesuchen und anderen Vergnügungen der mondänen Welt Anfang des 19ten Jahrhunderts hineingezogen. Wie es ihr trotzdem gelingt, einen klaren Kopf zu bewahren und am Ende den Mann ihres Herzens zu finden, schildert Georgette Heyer einfühlsam, spannend und mit feinem Humor. 


Stil und Sprache
Wer einen Liebesroman mit viel „Herz und Schmerz“ oder gar ein paar erotischen Szenen erwartet, wird von diesem Buch enttäuscht sein - tatsächlich kommt darin nur ein einziger Kuss vor. Georgette Heyer (1902-1974) schrieb „Damenwahl“ bereits 1953, also zu einer Zeit, als solche Dinge nur leise angedeutet wurden, sodass dem Leser genügend Raum für seine eigene Phantasie blieb. Von ihren über 50 Romanen spielen fast alle im englischen „Regency“, von 1811-1820, als der Kronprinz und spätere König Georg IV. für seinen erkrankten Vater die Regentschaft führte. Dabei hat die Autorin sich so intensiv mit der Geschichte und Kultur dieser Zeit auseinander gesetzt, dass sie nicht nur vom Britischen Museum als Expertin dafür herangezogen wurde, sondern dem Leser tatsächlich einen sehr interessanten Einblick in das Leben und Treiben von damals bietet.
Heyer ist eine glänzende Erzählerin. Sie versetzt ihr Publikum in die Rolle des Beobachters von Außen, sodass man die Handlung wie auf einer Theaterbühne verfolgen kann. Authentisch, detailliert und sehr kurzweilig beschreibt sie den Zeitgeschmack - sei es in Punkto Kleidung, Frisuren, Einrichtung, Speisen und Getränken – ebenso, wie die Manieren, die von einer wohlerzogenen Dame erwartet wurden, oder die Ausdrucksweise, die ein vornehmer Herr sich nie in Gegenwart einer solchen, sondern nur unter seinen Freunden erlauben durfte, denn – um mit Freddy zu reden – wäre das „durchaus nicht das Richtige,“ sondern ein „verteufelt schlechter Ton“. Darüber hinaus lebt der Roman von den vielen Dialogen, die mit soviel Schlagfertigkeit, Ironie und witzigen Pointen geführt werden, dass der Leser sich oftmals eines Schmunzelns nicht erwehren kann, mitunter sogar laut herauslacht und das Buch nach dem Finale, in das die Autorin noch einmal alles an Humor und Spannung einbringt, mit leisem Bedauern zur Seite legt.


Figuren
Georgette Heyer war eine Meisterin der Charakterzeichnung. Ihre Figuren sind, bis in die Nebenrollen, sehr vielschichtig und glaubwürdig, mit allen menschlichen Stärken und Schwächen gestaltet. Durch die sehr pointierten Beschreibungen hat der Leser die Akteure beinahe bildhaft vor Augen, kann die Angst des - nicht sehr scharfsinnigen - Lord Dolphinton vor seiner herrschsüchtigen Mutter sehr gut nachvollziehen und empfindet die Gicht, die dem geizigen und übellaunigen Mr. Penicuik zu schaffen macht, als gerechte Strafe für diesen wenig sympatischen Herrn. Schließlich ist er für Kittys missliche Lage verantwortlich, aber zum Glück gelingt es ihr mit Freddys Hilfe, sich ein Stückchen Freiheit zu erschwindeln.
Freddy, der nach seiner eigenen Auffassung „nicht viel Hirn“ hat, besitzt dafür ein gutes Herz und ein Gespür für die Sorgen und Nöte seiner Mitmenschen. Er steht Kitty nach anfänglichem Zögern mit Rat und Tat zur Seite und bekommt bald alle Hände voll zu tun, sie vor einem Ausrutscher auf dem glatten Parkett der großen Welt zu bewahren. Aber was Kitty an „gesellschaftlichem Schliff“ fehlt, macht sie durch ihre Liebenswürdigkeit, Herzenswärme und Hilfsbereitschaft wett, sodass sie über ihrem selbstlosen Einsatz für das Glück ihrer Freunde beinahe ihr eigenes vergisst.

Mit viel Einfühlungsvermögen, Stilsicherheit und Esprit lässt die Autorin ihre Figuren tanzen – der Originaltitel „Cotillion“ bedeutet übersetzt: „Figurentanz“ – und breitet so vor dem faszinierten Leser ein buntes, lebendiges Bild der galanten Zeit aus.


Aufmachung des Buches
Das Taschenbuch zeigt beidseitig - passend zum Inhalt -  die Abbildung eines vornehmen Hauses im Stil englischer Landsitze. Auf der Vorderseite ist zudem das Portrait einer jungen, hübschen Frau zu sehen, darüber - als Hinweis auf das Genre - der Schriftzug „Historical präsentiert“, darunter Autorin und Titel. Die Coverinnenseiten und die letzten drei Blätter des Buches machen auf weitere Veröffentlichungen des Verlages aufmerksam. Die 381 Seiten sind in 20 Kapitel eingeteilt, die Schriftgröße ist angenehm zu lesen.

Für Kenner der deutschen Erstauflage von 1970 - deren Übersetzung laut Verlag dem Roman zu Grunde liegt - muss angemerkt werden, dass diese nicht 1:1 übernommen, sondern sehr wohl überarbeitet und gerade bei den Dialogen Einiges „geglättet“ und angepasst wurde. Dadurch geht ein wenig vom Charme der ursprünglichen Ausgabe verloren, was Wiederlesern auffallen dürfte. Neuleser werden aber nichts vermissen und an diesem Buch ihren Spass haben.
Der Name der Übersetzerin – Emi Ehm – enthält im Impressum einen Druckfehler, ist aber unter der Leseprobe auf der Verlagsseite richtig geschrieben.


Fazit
Dieses Buch hat alles, was ein guter Liebesroman braucht – eine schöne Geschichte, ausdrucksstarke Sprache, Spannung, Humor und  Romantik – Kitsch und Sex wird man darin allerdings vergeblich suchen, aber gerade das macht für mich seinen Reiz aus.


4 5 Sterne


Hinweise

*Das Buch ist in dieser Aufmachung nicht bei amazon.de erhältlich.
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