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Ottilie von Faber ist sechzehn Jahre alt, als sie 1893 zur Alleinerbin der Bleistiftfabrik A.W. Faber wird. Sie ist jung, sehr schön, sehr reich. Unter den Bewerbern um ihre Hand ist Graf Alexander zu Castell-Rüdenhausen, ebenso liebenswürdig wie ehrgeizig. Das attraktive Paar steht bald im Mittelpunkt glanzvoller Gesellschaften, die von der Lebensgier und der Weltuntergangsstimmung des Fin de siècle geprägt sind.

 

  Autor: Asta Scheib
Verlag: Rowohlt
Erschienen: 1998
ISBN: 978-3-499-22744-8
Seitenzahl: 494 Seiten 


Die Grundidee der Handlung
Asta Scheibs Romanbiographie erzählt die Geschichte einer berühmten Dynastie und einer ungewöhnlichen Frau, die gegen alle gesellschaftlichen Zwänge schließlich die Freiheit gewinnt, ihr eigenes Leben zu leben. Die Autorin gibt auch Einblick in die oberflächliche und immer korrekt wirkende Welt der Reichen und Adeligen, die mit ihren scheinheiligen und überheblichen Grundsätzen so manches Glück zerstörten.


Stil und Sprache
Eine selten feinfühlige und empathische Erzählung des Lebens von Ottilie Faber-Castell. Die Autorin muss sich nicht nur in das Leben ihrer Protagonistin hineinversetzt, sondern auch ihr gesamtes Umfeld mit den ziemlich komplizierten Familienverhältnissen der Fabers studiert haben. Anders ist das so exakt und authentisch erzählte Leben Ottilies nicht zu erklären.
Die Süddeutsche Zeitung schrieb zu diesem Buch: „Diese Geschichte hätte Fontane inspirieren können.“ Diesem Satz stimme ich vollends zu. Allerdings sei ehrlich erwähnt, dass zwischen Asta Scheib und Fontane sprachlich ein nicht unerheblicher Unterschied besteht. Aber trotzdem hebt sich die Autorin mit ihrer feinen und immer treffenden Sprache vom Großteil anderer unzähligen Autoren äußerst positiv und nennenswert ab. Keine ständigen Wortwiederholungen und banalen Sätze, sondern eine fließende und mitreißende Erzählweise ziehen den Leser von Beginn an in die Geschichte und lassen ihn bis zum Schluss nicht mehr los. Asta Scheib gelingt es, mit ihrem Schreibstil so zu erzählen, dass der Leser die gelesenen Worte nicht bewusst aufnimmt, sondern diese wie in einem Film vor ihm ablaufen. Dies spricht für eine einfache und dennoch exzellent verbildlichte Sprache.


Figuren
Unzweifelhaft lebt dieses Buch von den sehr realistisch und empathisch dargestellten Figuren. Mit Ottilie bekommt man einen Einblick in die Wertigkeit der Frau des 19. Jahrhunderts, denn sie hat sich dem Mann unterzuordnen, Kinder zu gebären und den Haushalt am Laufen zu halten. Für alles andere ist der Mann zuständig.
Parallel zu Ottilies Leben wird auch das von Anna, einem Dienstmädchen, erzählt. Dadurch veranschaulicht die Autorin auf sehr einfache, aber dafür umso wirksamere Weise die Kluft zwischen arm und reich zur wilhelminischen Zeit. Man lernt die komplette - sehr große - Familie Faber, deren Verwandtschaftsverhältnisse und unterschiedlichsten Charaktere ebenso kennen, wie die beiden um Ottilie konkurrierenden Männer Alexander und Philipp und ebenso die untere Gesellschaftsschicht - die Bediensteten.
Asta Scheib erlaubt es dem Leser, Ottilies Leben mitzuleben, mitzufühlen und auch mitzuleiden. Sie beugt sich dem Willen der Familie und heiratet ihrem Großvater zuliebe den Grafen Alexander zu Castell-Rüdenhausen, obwohl sie sich in Philipp von Brand, einen jungen Offizier und Freund Alexanders, verliebt hat. Die große Fabrik und das Vermögen, das sie von ihrem Großvater geerbt hat, will sie auch in dessen Sinne weiter verwalten. Erst nach der Hochzeit zeigt sich, dass Alexander einen unstillbaren Ehrgeiz und Geltungsdrang hat und sie sukzessive von den Geschäften und der Bleistiftfabrik fernhält.
Einfühlsam erzählt Asta Scheib, wie die ohnehin zur Melancholie neigende Ottilie nur für die Augenblicke lebt, in denen sie Philipp begegnet, auch wenn sie kaum mit ihm sprechen und ihn schon gar nicht berühren kann. Die Autorin hat es auf hervorragende Weise verstanden, den Leser die Entwicklung Ottilies so miterleben zu lassen, dass, als sie ihren entscheidenden Schritt setzt, dieser als logische Konsequenz angesehen wird und dem Leser direkt einen Seufzer der Erleichterung abringt.
Das Bemerkenswerteste aber ist, dass dies keine Phantasiegeschichte, sondern das in wunderbarer Weise nacherzählte Leben einer ungewöhnlichen Frau ist.


Aufmachung des Buches
Wie so oft bemängle ich auch bei diesem Buch, dass es nicht mehr als Hardcover erhältlich ist. Die Taschenbuchausgabe ist jedoch sehr liebevoll gestaltet und auf der Vorderseite ist die Protagonistin, Ottilie Faber-Castell, abgebildet. Sehr aufschluss- und hilfreich sind das ausführliche Nachwort mit Fotografien von Ottilie, anderer Faber-Vorfahren und das Schloss Stein und das abgebildete Familienwappen mit Stammbaum.


Fazit
Dieses Buch ist ein echtes Kleinod. Präzise recherchiert und feinfühlig erzählt, wird das Lesen dieses Buches ein Abtauchen in die Welt des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Wer sich für das Leben einer ungewöhnlichen und auch starken Frau interessiert, wird von dieser hervorragend wiedergegebenen Lebensgeschichte begeistert sein.


4 5 Sterne


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