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Der berühmte Kinderbuchautor Ignatz B. Griesgram mietet für den Sommer ein Haus in der Friedhofstraße 43, um dort in Ruhe den 13. Band seiner Geisterbezwinger-Serie zu schreiben. Aber in dem Haus wohnt bereits jemand: ein elfjähriger Junge mit seiner Katze und ein Gespenst! Es heißt Olivia, ist 190 Jahre alt und quicklebendig. Seine Spezialität sind lautes Türenknallen, mitternächtliches Klavierspiel und Paprikahuhn. Als der Kronleuchter von der Decke fällt und ihn nur knapp verfehlt, muss auch Bestsellerautor Griesgram so allmählich einsehen: Gespenster gibt es doch!

Ein absolutes Muss für alle Gespensterliebhaber und Bücherfreunde!

 

Gespenster gibt es doch 

Originaltitel: 43 Old Cemetery Road. Book one: Dying to meet you
Autor: Kate Klise
Übersetzer: Nina Schindler
Verlag: Gerstenberg Verlag
Erschienen: 2011
ISBN: 978-3836953214
Seitenzahl: 160 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Wer glaubt, dass es sich hier um einen normalen Roman über Gespenster handelt, der irrt gewaltig. Dieses Buch ist etwas besonderes, denn es ist ausschließlich in Briefform geschrieben, d.h. die Geschichte wird dadurch erzählt, dass tatsächlich nur Briefwechsel abgedruckt werden. Aber von vorne ...

Ignatz Griesgram ist ein einsamer und verbitterter Schriftsteller mit einer Schreibblockade. Um sein – von seiner Verlegerin dringend angefordertes Buch – zu schreiben, mietet er eine alte halbverfallene Villa in Schauderburg an. Da er sich wie immer nicht mit Einzelheiten aufhält, mietet er dieses Haus ungesehen und gegen alle Warnungen der Maklerin und erlebt so seine Überraschungen. Denn dieses Haus ist nicht nur eine puppenstubenartige Bruchbude, es hat auch noch unliebsame Bewohner, wie den elfjährigen Jungen Severin und seine Katze Mohrle – und Griesgram hasst Kinder und Katzen und ... eigentlich alles und jeden! Das geht natürlich nicht gut und die beiden menschlichen Bewohner geraten ständig aneinander, denn beide wollen ihre Ruhe haben und beanspruchen das Haus für sich allein. Als Griesgram dann noch mit der Tatsache konfrontiert wird, dass dort ein Gespenst wohnt, dreht er völlig durch und will den Jungen vor die Tür setzen. Das ruft Olivia (das Gespenst) auf den Plan, denn sie beschützt nicht nur das Haus, sondern auch Severin. Sie wirft mit Kronleuchtern und versucht auch sonst alles, um den Eindringling los zu werden. Doch irgendwie tut er ihr auch Leid und so kommen die beiden sich auf eine seltsame Art näher. Olivia schafft es sogar, dass der fiese Mann über seine Boshaftigkeiten nachdenkt und tatsächlich ins Grübeln kommt. Ob und wie es dann doch noch zu einem (etwas schrägen) Happy-End kommt, das erfährt man alles aus den Briefen, die sich die Protagonisten ständig schreiben. 


Stil und Sprache
Der Stil dieses Buchs ist, wie soll ich es beschreiben ... - sagen wir mal: ungewöhnlich und gewöhnungsbedürftig. Es findet kein einziger romanüblicher Wortwechsel statt. Es fängt damit an, dass der Leser, neben dem Grundriss der Villa in der Friedhofstraße 43, eine Ahnengalerie zu sehen bekommt. Diese enthält alle acht Personen, die in diesem Buch vorkommen. Darauf folgt eine Seite, auf der sich der Herausgeber des Buchs von der Verantwortung entbindet, dass dieses Buch gelesen wird. Die Schrift wird immer kleiner bis dann noch nur noch in winzig kleiner Schrift ein Satz dort steht: „Wir haben euch gewarnt.“ Also wenn das kein Anreiz ist weiter zu lesen ... Dann geht er los, der ewige Briefwechsel.

Der Schriftsteller Ignatz Griesgram schreibt an die Maklerin von „Imposante Immobilien“, diese antwortet, so geht es hin und her bis die Villa gemietet ist. Dann schaltet der Autor seinen Anwalt Gadds ein. Jetzt geht der Briefwechsel zwischen Maklerin und Anwalt weiter. Plötzlich bekommt man einen Brief in einer völlig anderen Schrift zu sehen, geschrieben von einer Olivia an einen Severin. Dieser antwortet in einer leicht krakeligen Kinderschrift. Danach taucht ein Zeitungsausschnitt aus dem „Schauderburger Anzeiger“ auf, indem der verwunderte Leser über diverse Einzelheiten informiert wird. Man erfährt dort so einiges über Ignatz Griesgram, die Villa, in der er jetzt wohnt, die Erbauerin dieses Hauses und den Jungen. Dann geht, als wäre nichts geschehen, der Briefwechsel zwischen Autor, Maklerin und Anwalt weiter, denn Griesgram will aus dem Mietvertrag raus. Als klar ist, dass dies nicht geht, setzt sich Ignatz mit dem Jungen auseinander – natürlich wieder mittels der Briefe. Als es Severin an den Kragen gehen soll, schaltet sich das Gespenst ein – man ahnt es schon – in Briefform. Soviel zu dem Aufbau des Buchs.
Das klingt jetzt alles ziemlich durcheinander, ist es aber gar nicht. Jeder Protagonist hat seinen ganz eigenen Stil zu schreiben und zu erzählen. Das Gespenst schreibt in einer Outline-Schrift, Severin in Krakelschrift und die anderen in normaler Schreibmaschinen-Schrift mit Briefkopf und Anschrift. So wird auf den ersten Blick klar, wer da gerade „spricht“. Aufgelockert wird das Ganze noch durch diverse Strichzeichnungen von Severin und ein paar Zeitungsauszügen aus dem „Schauderburger Anzeiger“. Man fühlt sich beim Lesen in etwa so, als würde man einen Karton voller gesammelter Erinnerungen finden und darin herumstöbern. Es ist eine ziemlich schräge Geschichte mit einer Ansammlung skurriler Wesen und trotzdem findet jeder zum Schluss einen Platz, an den er gehört.

Um diese doch ziemlich auseinander gezogene Handlung zu verstehen, braucht es allerdings schon eine gewisse Reife und wirklich gute Lesefähigkeiten, denn die Briefe (z.B. vom Anwalt) sind teilweise in ziemlichem „Amtsdeutsch“ geschrieben. Auch sind einige Themen dieses Buchs, wie Erfolglosigkeit im Beruf, Geldnot und unerfüllte Liebe, für kleinere Kinder nicht nachvollziehbar. Das empfohlene Alter von 10 Jahren ist, denke ich, auch absolut notwendig. Es ist ein leises Buch, ohne Gruseleffekte und reißerische Szenen, manchmal ein bisschen traurig und manchmal zum Schmunzeln (z.B. kocht das Gespenst gern Paprikahuhn und trägt Lockenwickler) und trotzdem lässt es sich, vor allem durch die Briefform, locker und leicht lesen.


Figuren
Der Leser hat es hier im Ganzen mit acht Personen zu tun, die mehr oder weniger in Erscheinung treten. Die Hauptpersonen sind sicherlich Ignatz Griesgram, Severin und Olivia. Ignatz Griesgram ist ein trauriger, einsamer und verbitterter Mann, der mal sehr erfolgreich und berühmt war, aber irgendwie den Anschluss verloren hat. Er wurde von seiner großen Liebe ausgenutzt und hasst deshalb fortan die Menschen. Blockiert durch diesen Hass kann er nicht mehr schreiben. Tief im Innern sehnt er sich nach Liebe und Anerkennung – so wie wahrscheinlich jeder.
Severin hat im Prinzip ein ähnliches Problem. Er wurde von seinen eigenen Eltern verstoßen und allein gelassen. Sie haben ihn in einer Nacht- und Nebelaktion verlassen, haben sich davon gestohlen und ihm lediglich einen Brief hinterlassen, indem sie sich als unfähige Eltern outen, die sich lieber ihrer Karriere widmen als ihrem Kind. Das tut weh – auch das denke ich, kann jeder nachvollziehen. Severin sehnt sich nach einer Schulter zum Anlehnen, immerhin ist er noch ein Kind. Hier tritt das Gespenst Olivia auf den Plan. Eine alte Dame, die sich wie eine Oma um Severin und das Haus kümmert, manchmal etwas sehr temperamentvoll ist, gut zuhören kann und fantastisch kocht. Sie ist – im Gegenteil zu den beiden anderen Protagonisten – emotional gefestigt und fähig ganz viel Liebe zu geben. Olivia hat ein gänzlich anderes Problem, sie war im Leben beruflich so erfolglos, dass sie im Tod deshalb keine Ruhe findet.

Und hier ergänzen die drei Hauptpersonen sich nahezu perfekt – jeder hat etwas, das dem anderen fehlt. Wenn sie sich zusammen tun, sind sie perfekt. Olivia heimst etwas von Ignaz Schriftsteller-Ruhm ein, der wiederum wird endlich wieder geliebt und Severin bekommt so ein neues zu Hause. Wie das sein kann? Das kann ich nicht erklären ohne zuviel vorweg zu nehmen. Ich empfehle, ganz schnell selber lesen – es lohnt sich.

Die Nebenfiguren sind nicht besonders ausgefeilt und wichtig. Der Anwalt Gadds und die Verlegerin wenden sich genau im falschen Moment von Griesgram ab und haben (quasi als Strafe) dadurch nichts von seinem neuen Erfolg. Die Maklerin und der Privatdetektiv bleiben sehr oberflächlich und blass. Sie sind vom Charakter her auch so angelegt. Sie kratzen bei allem was sie tun nur an der Oberfläche und sind mit ihren Urteilen schnell fertig. Ebenso die Eltern von Severin, die ihre „Strafe“ dadurch erhalten, dass er sie nicht mehr will und braucht und sie in „die Wüste schickt“, als sie von seinem neu erworbenen Ruhm etwas abhaben wollen. In dieser Geschichte kriegt jeder das, was er verdient! Man schließt das Buch mit einem guten Gefühl, das alles gut und richtig ist. Von welchem Buch kann man das schon behaupten?


Aufmachung des Buches
Das Buch ist im A5-Format als Hardcover gebunden. Der Titel ist ein bisschen auf alt getrimmt und zeigt die verfallene Villa mit Fledermäusen, Spinne, einem verhuschten Kindergesicht am Fenster und Griesgram. So gruselig, wie der Titel anmutet, ist das Buch aber bei weitem nicht.

Die Skizzen von Severin sind ganz schlichte Kinderzeichnungen und beschreiben immer aktuelle Begebenheiten, so hat er z.B. Olivia mit Lockenwicklern im Haar gezeichnet oder Griesgram wie er am Tisch sitzt und grübelt. Die Zeitungsausschnitte sind ebenfalls schwarz-weiß und fassen immer noch mal die Geschehnisse zusammen oder geben kleine Zusatzinformationen. Wie schon erwähnt, wird ganz zu Anfang des Buches der Grundriss des Hauses sehr ausführlich gezeigt, sowie ein gezeichneter Querschnitt der Villa, der ziemlich stark an ein Puppenhaus erinnert. Auf den letzten Seiten bekommt der Leser „die Besonderheiten von Viktorianischen Häusern“ erklärt (mit Skizzen) – was ist ein Speiseaufzug, was ein Witwengang, was ein Oberlicht usw.

Auf der Rückseite ist eine ausführliche Inhaltsangabe des Buchs zu finden. Leider wird nirgendwo die außergewöhnliche Erzählweise erwähnt, die ich für wichtig halte, da sie bestimmt nicht jedermanns Sache ist.


Fazit
Ein wundervolles Buch zum „etwas anderen“ Schmökern, absolut empfehlenswert auch für Lesemuffel. Wem eine ungewöhnliche, aber bezaubernde Geschichte reicht, wer keine Knall- und Gruseleffekte braucht, der sollte dieses Buch unbedingt lesen – es lohnt sich!


alt


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