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Ein hoffnungsvoller Aufbruch wird zur fatalen Odyssee und besiegelt ihr Schicksal. Attendorn 1764 - Missernten und willkürliche Steuererhöhungen treiben die Menschen im Herzogtum Westfalen in bittere Armut. Der vierzehnjährige Bauernjunge Kasper Baumann kann nach einem Unfall in seiner Kindheit keine schweren Arbeiten verrichten. Bei den Mönchen im Kloster Ewig stillt er seinen unwiderstehlichen Drang nach Bildung. Als sein Vater dem Versprechen auf fruchtbaren Boden und der Aussicht auf Steuerfreiheit in Österreich folgt, muss Kasper die Obhut der Mönche verlassen und die Familie ins Ungewisse begleiten. Nach Monaten voller Leid und Entbehrungen, dem endlosen Kampf gegen Naturgewalten und lebensbedrohlichen Verhältnis erwartet die Familie an den Ufern des Mures eine Tragödie, die Kasper zu vernichten droht.

  

Leeres_Versprechen 

Autor:  Evelyn Barenbrügge
Verlag: Pressel
Erschienen: 1. Februar 2011
ISBN: 978-3937950778
Seitenzahl: 600 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Schon die Kurzbeschreibung umfasst das Wesentliche dieses Romans. Die Autorin hat sich eines sehr interessanten und einschneidenden, aber gerade in historischen Romanen leider auch viel zu wenig beachteten Themas angenommen: der Schwabenzüge.
Kasper, ein Junge von gut 14 Jahren steht im Mittelpunkt des Geschehens. Er lebt mit seinen Eltern und den drei Geschwistern in Attendorn im Sauerland. Es sind harte Zeiten für die Familie und Kasper, der seit einem Unfall eine Behinderung hat, kann keine schwere körperliche Arbeit verrichten und sucht im nahe gelegenen Kloster Ewig Trost bei den Mönchen, die ihm vieles beibringen und ihm auch Wissen über die Kräuterheilkunde lehren. Unterdessen unterbreitet Graf von Kaunitz, Staatssekretär Maria Theresias, der Kaiserin ein Konzept, wie man die durch die Türkenkriege nur mehr sehr dünn besiedelten Gebiete Österreichs/Ungarns wieder bevölkern könnte. Auf Kaunitz' Vorschlag werden nun Boten ins Heilige römische Reich deutscher Nation geschickt, um die Bauern und Handwerker - die in der Heimat durch hohe Steuern und rücksichtslosen Verhalten der Adeligen in extrem ärmlichen Verhältnissen leben müssen - mit Reisegeld und in Aussichtstellen von Vieh und Saatgut zu überreden, Maria Theresias Ruf zu folgen und mit den Familien nach Österreich über zu siedeln. In großen Scharen machen sich die Leute auf den Weg und auch Kaspers Vater sieht seine einzige Chance seine Familie ernähren zu können darin, das Risiko zu wagen, den Versprechungen zu glauben und sich mit seinen Lieben auf die lange Reise zu begeben.


Stil und Sprache
Ein Debutroman. Eine unbekannte Autorin. Ein Schmöker von sogleich 600 Seiten über ein Thema, das in historischen Romanen nie bzw. nur sehr selten aufgenommen wird. Ein Wagnis? Nein, eine wunderbare Entscheidung von Evelyn Barenbrügge!
Ein kurzer aber intensiver Prolog führt in die Geschichte ein. Schnell formt sich das klare Bild eines kleinen Bauernhofs, der von der Familie Baumann bewohnt wird, die sich nur durch harte Arbeit ihr Überleben sichern kann. Wort- und bildgewaltig baut die Autorin ihr Gerüst um die Geschehnisse und liefert dem Leser einen cineastisch authentischen Einblick in die Welt der einfachen Leute in der Mitte des 18. Jahrhunderts.

Die Reise, auf die sich die Familie begibt, wird sie weit über tausend Kilometer von zu Hause wegführen und was diese anstrengende Reise für eine sechsköpfige Familie an Problemen alles mit sich bringt, schildert die Autorin auf eindringliche und sehr glaubhafte Weise. Hat man bei den ersten Kapiteln noch das Gefühl, sprachlich über den einen oder anderen kleinen Stein zu stolpern, so legt sich dies rasch im Fortlauf der Erzählung und endet schließlich in einem packenden und mitreißenden Fluss aus schönen und heiteren, traurigen, aber auch sehr berührenden Erlebnissen. Sehr geschickt mit eingewoben sind Landschaft und Umgebung und ermöglichen dem Leser eine virtuelle Teilnahme an dieser eindrucksvollen Wanderschaft. Dabei ist er stiller Begleiter Kaspers, der besonders eindrucksvoll seine Empfindungen und Sehnsüchte vermittelt. Nur ab und an gewährt die Autorin einen Exkurs nach Wien zu Maria Theresia und ihrem Staatssekretär Graf von Kaunitz. Dieser Perspektivenwechsel veranschaulicht die ganzen politischen Überlegungen und Strategien Kaunitz', der mit den Menschen jongliert wie ein Artist mit seinen Bällen.

Ob die eine oder andere Begebenheit so war wie beschrieben oder ob sich die eine oder andere historisch belegte Figur wirklich so verhalten hat wie in der Geschichte, ist in so einer redundanten Erzählung nicht von Bedeutung, denn auf jeden Fall bleibt zu sagen: Es hätte so sein können, denn auch für den Leser wird diese Reise ein Auf und Ab der Gefühle, das noch lange im Bewusstsein bleibt.


Figuren
Ein Erstlingswerk, in dem nicht nur Sprache und Erzählstil bemerkenswert sind, sondern vor allem auch die Figuren. Zweifelsfrei ist Kasper der Protagonist, der als ältester Sohn seine Eltern und drei Geschwister auf die Reise begleiten muss. Kasper ist ein Ausnahmeprotagonist. Kein strahlender Held, kein Alleskönner, kein umwerfender Schönling, aber ein sehr empfindsamer 14-jähriger, den ein Unglück schnell erwachsen werden ließ. Durch einen Unfall hat Kasper ein deformiertes Handgelenk und zwei steife Finger und ist gerade für die Mutter nur mehr ein Krüppel, der zu anstrengender Arbeit, wie am Hof notwendig, nicht mehr taugt. Aber Barenbrügge hat mit Kasper einen beeindruckenden jungen Mann geschaffen, in dessen Innerstes der Leser Einblick erhält, und mit immenser Empathie zeichnet die Autorin die Gedanken und Empfindungen ihres Hauptdarstellers, ohne Effekthascherei und ohne deskriptiv zu werden.
Barenbrügge gibt ihren Figuren quasi einen Schubs ins Leben und überlässt es dem Leser, ihnen den letzten Schliff im Aussehen zu geben. So wirken alle Darsteller, begonnen von Kaspers Familie, über ihre Wegbegleiter auf der langen Reise, die Mönche, die Kasper so viel lehren und dessen Wissen er förmlich aufsaugt, bis hin zu den weniger „netten“ Zeitgenossen, die Kasper im Laufe der Zeit kennen lernt, lebendig und glaubwürdig. Viele Kleinigkeiten sind es, die die Figuren so lebendig gestalten und es einem manchmal den Hals zuschnürt, ob der Tragik der Ereignisse, die die Familie erlebt. Intensive Bilder schaffen einen Kosmos dieser Zeit, in der der Leser zum Zeitreisenden wird, mit der Auflage, die Gefühle Kaspers ebenso stark spüren zu müssen wie er selbst.


Aufmachung des Buches
Wieder einmal ein Buch, bei dem es sehr bedauerlich ist, dass es nur als Taschenbuch und nicht als Hardcoverausgabe verlegt wurde. Ein Buch, das eine hochwertige Ausgabe verdient hätte. Dennoch ist es in ansprechender und geschmackvoller Aufmachung gestaltet. Der ganze Umschlag ist das Bild einer Steinmauer und auf der Vorder- und Rückseite sieht man – absolut passend zum Inhalt – die zarten Schatten von Ähren. Eine (leider etwas kurze) Bemerkung zum historischen Hintergrund und eine Danksagung der Autorin am Ende des Buches runden die schöne Taschenbuchausgabe ab.


Fazit
Der Debutroman von Evelyn Barenbrügge beinhaltet eine Geschichte, die keine Geschichte mehr ist, sondern ein phantastisches und intensives Erlebnis, das sich einbrennt in die Seele des Lesers, der mitleidet, mitbangt, mitfühlt und das eine gähnende Leere zurücklässt, wenn es endet und man all die liebgewonnen Figuren und die vertraut gewordene Umgebung zwischen den Buchumschlägen zurücklassen muss. Ein bemerkenswertes Buch von einer bemerkenswerten Autorin, von der man hofft, in Zukunft noch mehr lesen zu können.


5 Sterne


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