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Kategorie: Krimis

Ein Praktikum führt Polizeianwärter Olli Repo ausgerechnet in seine verhasste Heimatstadt. Zudem wird ihm Tossavainen als Betreuer zugeteilt und der entspricht genau dem Typ Mensch, den Olli verabscheut. Doch als in einem Kaufhaus eine Bombendrohung eingeht und in einer stillgelegten Fabrik tatsächlich eine Bombe explodiert, lernt Olli die nüchterne Arbeitsweise seines Kollegen zu schätzen. Denn ihn selbst verunsichern die Ermittlungen immer mehr: Olli muss sich nach Jahren des Schweigens mit seinem herrschsüchtigen Vater auseinandersetzen. Wieso weiß ausgerechnet der so viel über die Bombendrohung und das mögliche Muster, nach dem der Täter vorgeht?

 

erfrorene_rosen 

Originaltitel: Jäätyneita ruusuja
Autor: Marko Kilpi
Übersetzer: Gabriele Schrey-Vasara
Verlag: grafit
Erschienen: 03/2011
ISBN: 978-3894255664
Seitenzahl: 284 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Der Rückentext gibt schon relativ viel über den Inhalt wieder, so dass sich eine Wiederholung an dieser Stelle erübrigt. Allerdings ist die mögliche Verwicklung von Ollis Vater in den Fall letztendlich gar nicht so entscheidend, stattdessen dürfen Olli Repo und sein Anleiter Tossavainen außerhalb ihres eigentlichen Streifendienstes im Fall des Bombenlegers weiter ermitteln und geraten in einen Fall hinein, der alles sprengt, was Olli bisher über Verbrechen wusste.

Die Idee, einen absoluten Polizeianfänger ermitteln zu lassen, der aber bereits in anderen Berufsbereichen Erfahrungen gesammelt hat, gibt dem Krimi eine ganz besondere Note, ist Olli doch alles andere als abgeklärt, muss sich erst in seine neue Rolle einfinden und hat auch sonst mit vielen Dingen zu kämpfen. So bekommt man als Leser eine ganz neue, sehr spannende Sicht auf die Dinge vermittelt.


Stil und Sprache
Marko Kilpi hat gleich für sein Debüt „Erfrorene Rosen“ den Finnischen Krimipreis bekommen und bereits nach wenigen Seiten weiß man, warum. Sehr knapp, geradezu spartanisch ist seine Handlung ausgestattet, zu Beginn weiß man als Leser die Szenen nur mühsam einzuordnen. Dennoch versteht Marko Kilpi es, seine Leser sofort in Ollis Welt hinein zu ziehen und man verspürt seltsamerweise direkt eine ungewöhnliche Nähe zum Protagonisten. Ohne umfassende Hintergrundinformationen geht es los, dabei bringt die Verwendung der Gegenwartsform ein hohes Tempo mit sich, von dem sich die teilweise philosophisch anmutenden Diskussionen der beiden Ermittler wohltuend abgrenzen. Nicht nur, dass sie ein absolut ungewöhnliches Verbrechen aufklären müssen, nein, auch ihre Herangehensweise an diesen Fall ist schon sehr speziell. Dabei liest sich „Erfrorene Rosen“ (auch die Bedeutung des Titels wird sich später erschließen) durchgängig leicht und luftig, dazu tragen sowohl die Gespräche zwischen Olli und Tossavainen bei, wie auch die oft originellen Schilderungen von Orten und Gemütsverfassungen. Olli, der ja alles aus seiner Sicht erzählt, hat schon manchmal recht schräge Gedankengänge und bringt einen mit seinen herunter gebeteten Lehrbuchsätzen regelmäßig zum Schmunzeln.

Geradezu genial ausgedacht ist die persönliche Verstrickung von Olli in den Fall. Er ist mittendrin und doch wieder nicht: Aufkeimende Erinnerungen an seine Kindheit, das Verhältnis zu seinem nie wirklich präsent gewesenen, verhassten Vater, seine Überlegungen zu Vorherbestimmung und Schicksal, all das bestimmt die Richtung dieses Krimis, ohne auch nur eine Sekunde abgedroschen oder langweilig zu wirken. Wie sich am Ende dann alles völlig logisch ineinander fügt, das muss Marko Kilpi erstmal jemand nachmachen.


Figuren
Olli Repo ist, wie schon erwähnt, absoluter Polizei-Neuling und als solcher hin- und hergerissen zwischen dem Eifer, sich zu beweisen und dem Respekt vor der Erfahrung der Kollegen. Er tritt gerade zu Anfang immer wieder in Fettnäpfchen, überschätzt seine Fähigkeiten und muss dann erkennen, dass der von ihm eher verachtete Tossavainen durchaus seine Qualitäten hat. Er ist ein sehr vielschichtiger, facettenreicher Charakter, der sicher noch einiges zu bieten hat. Seinen Hintergrund erfährt man zwar nur bruchstückhaft, aber ausreichend, um seine Motive nachvollziehen zu können und ihn überaus sympathisch zu finden.
Tossavainen ist Ollis Kollege und Anleiter. Er findet Olli gerade am Anfang eher lästig, beruht ihre Abneigung doch auf Gegenseitigkeit. Wirkt er auf Olli zunächst abgestumpft und fast ausgebrannt, so muss dieser bald erkennen, dass Tossavainen nur weiß, wann und wie er seine Fähigkeiten einzusetzen hat, um den bestmöglichen Erfolg zu erzielen. Seine nüchterne Arbeitsweise und abgeklärte Haltung hilft den beiden ungleichen Partnern aus so manch brenzliger Situation heraus.

Es gibt in diesem Krimi noch einige Nebenfiguren, so zum Beispiel Ollis Freundin Anna, seinen Vater, den er lange Jahre nicht gesehen hat, und seinen Chef Kylmänen. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie genau den Raum bekommen, den sie auch in der Handlung einnehmen. So ist Anna sehr im Hintergrund, sie ist zwar da, aber nie wirklich präsent, eher jemand, an den Olli denkt. Kylmänen hingegen ist an den Ermittlungen beteiligt und bekommt dementsprechende Aufmerksamkeit.

Was mich an der Figurenzeichnung besonders fasziniert hat, ist die Tatsache, dass man über viele Personen nur Bruchstücke erfährt, dass dies aber ausreicht, sich ein eigenes Bild zu machen. Die knappe Art des Autors passt einfach hervorragend, so dass es überhaupt nicht störend ist, wenn man (noch?) nicht alles über die agierenden Charaktere weiß.


Aufmachung des Buches
Das Taschenbuch ist im typischen Design des Grafit-Verlags gestaltet und überwiegend grafitgrau. Lediglich im oberen Drittel sieht man einen silbrig-türkis glänzenden Steg, auf dem ein Mann auf den Betrachter zu rennt. Titel und Autorenname sind in türkis und weiß gedruckt, ebenso das Verlagssymbol am unteren Rand. Innen gibt es einen kurzen Prolog und fünfzehn recht lange Kapitel.


Fazit
„Erfrorene Rosen“ ist der vielversprechende Auftakt einer ungewöhnlichen, fast philosophischen Krimireihe. Vielschichtige Figuren, ein spektakulärer Kriminalfall und die finnisch-karge Atmosphäre ergeben ein echtes Highlight unter den vielen nordischen Krimis. Unbedingt lesen!


5 Sterne


Hinweise
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